Ärzteschaft
Proteste für Bonus und Anerkennung: MFA wollen nicht aufgeben
Mittwoch, 12. Januar 2022
Berlin – In Berlin sind heute erneut Medizinische Fachangestellte (MFA) auf die Straße gegangen, um für einen Coronabonus und für mehr Anerkennung der Leistungen in der Coronakrise zu protestieren. Sie folgten damit einem Aufruf des Verbands medizinischer Fachberufe (VMF).
Den MFA gehe es nicht alleine um einen Coronabonus, sagte VMF-Präsidentin Hannelore König dem Deutschen Ärzteblatt auf Nachfrage. „Wir wollen, dass gesehen wird, was die MFA alltäglich in den Arztpraxen leisten“, sagte sie. Es gehe um mehr Aufmerksamkeit, bessere Arbeitsbedingungen sowie ein Zeichen der Wertschätzung.
Das fehle ihr von der Politik. Diese würde zum Beispiel die Arbeit der Impfzentren loben und Milliarden dafür ausgeben, diese bis zum Jahresende offenzuhalten. Zugleich gefährde aber ein Coronaimpfbonus für MFA die „Stabilität des Systems“, sagte sie. „Das verstehen die MFA nicht“.
König spielt auf eine Aussage aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) an. MFA leisteten wie alle Fachberufe im Gesundheitswesen nicht nur in pandemischen Notlagen wichtige Arbeit und trügen wesentlich zur guten Gesundheitsversorgung bei, hatte die Parlamentarische Staatssekretärin im BMG, Sabine Dittmar, Ende Dezember in einer Antwort auf eine schriftliche Frage des CSU-Bundestagsabgeordneten Stephan Pilsinger erklärt.
Dittmar hielt es für „grundsätzlich nachvollziehbar“, wenn für MFA die Frage nach einer Anerkennung ihrer Leistungen in Form eines Sonderbonus wie in der Pflege gestellt werde. Allerdings müsse die Politik die „Stabilität des gesamten Systems“ im Blick behalten, so dass nicht alles, was gegebenenfalls „wünschenswert wäre, umgesetzt werden kann“. Aus Sicht von König wird da mit zweierlei Maß gemessen. „Die MFA sind Gesundheitsberufe zweiter Klasse“, sagte sie.
König regte heute auch an, dass neben einem Coronabonus dringend eine Erhöhung des Steuerfreibetrags für MFA fällig wäre. Der bestehende Betrag sei zu gering. Sie sprach sich für einen zusätzlichen Freibetrag pro Jahr von 1.500 Euro aus. Hintergrund sei, dass viele MFA ihre Überstunden nicht abfeiern könnten und sich ausbezahlen lassen müssten. Diese würden dann voll versteuert. „Die MFA arbeiten mehr und der Staat verdient auch noch daran“, sagte sie. Das Thema müsse an den Bundesfinanzminister adressiert werden.
Weitere Proteste geplant
Sie betonte, dass man auch nach den derzeitigen Absagen an die Forderungen der MFA nicht kleinbei geben will. Für den 26. Januar ist eine erneute Demonstration geplant. Aufgeben werde man nicht, so König, die sich dann in 14 Tagen mehr MFA vor Ort wünscht.
Heute hat König selbst eine größere Resonanz der MFA „vermisst“. So seien zwar aus dem ganzen Bundesgebiet Kolleginnen angereist, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Aber es seien nie mehr als 20 MFA gleichzeitig über den Protestzeitraum vor Ort gewesen. Bei der Demonstration am 15. Dezember des vergangenen Jahres waren es noch 30 bis 50 MFA gewesen.
Grund sei wohl, dass die MFA in den Arztpraxen derzeit in der Coronakrise unabkömmlich seien, sagte König. Sie geht auch davon aus, dass die Belastung der MFA künftig weiter zunimmt. In der fünften Coronawelle dürfte aufgrund der Impfungen und der Omikron-Variante noch mehr Menschen mit leichten Coronaerkrankungen in den Arztpraxen behandelt werden, erklärte sie.
Zufrieden zeigte sich der Verband hingegen mit der Resonanz der Bundestagsabgeordneten, die zu den Protesten gekommen waren, um mit den MFA zu sprechen. Man habe „viele Gespräche geführt“, sagte König. Gekommen seien Abgeordnete von CDU und CSU, Linken und FDP. Der CSU-Politiker Stephan Pilsinger, der kürzlich eine schriftliche Frage zum Coronabonus für MFA an die Bundesregierung gestellt hatte, sei zwischen zwei Sitzungen gekommen, sagte die Verbandsvorsitzende.
Groß gewesen sei auch die mediale Resonanz, so König. So seien verschiedene Tageszeitungen und TV-Sender vor Ort gewesen, um zu berichten. Ebenso erfreut zeigte sie sich von der Unterstützung durch Zahnärzte und Ärzteverbände. Dazu gehörten heute unter anderem die Kassenärztliche Bundesvereinigung(KBV), die Bundesärztekammer (BÄK), der Hartmannbund oder auch der Spifa.
Volle Unterstützung für die öffentliche Aktion „Medizinische Fachangestellte (MFA) am Limit“ signalisierte der Vorstand der KBV. Die MFA leisteten in der Pandemie Außerordentliches – eine entsprechende Würdigung, insbesondere in Form eines Coronabonus, sei mehr als überfällig. Es gehe insgesamt um eine öffentliche Wertschätzung des enormen Engagements.
Es könne nicht sein, dass die Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeiter für ihren unermüdlichen Einsatz in Coronazeiten „nicht ansatzweise die Wertschätzung erfahren, die sie verdienen“, kritisierte der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen die Entscheidung. Man fordere endlich eine entsprechende Anerkennung durch die Politik – insbesondere, aber nicht nur in finanzieller Hinsicht, ergänzte KBV-Vize Stephan Hofmeister.
Erik Bodendieck, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer (SLAEK) sowie Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen/Medizinischen Fachangestellten (AAA), zeigte sich im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt von der Politik enttäuscht. In den Arztpraxen wurde und wird „extrem viel geleistet“, so Bodendieck. Viele MFA würden psychisch und physisch seit längerem am Limit arbeiten.
Auch der Hartmannbund unterstützt ausdrücklich die heutige Protestaktion des VMF in Berlin. „Unsere Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeiter kämpfen mit uns gemeinsam nun schon seit fast zwei Jahren mit enormem Engagement gegen die Pandemie“, sagte Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Hartmannbundes und Präsident der Bundesärztekammer. Es werde Zeit, dass die Leistungen der MFA von der Gesellschaft endlich nicht nur anerkannt, sondern auch materiell wertgeschätzt würden. „Wie die Pflegekräfte in den Krankenhäusern verdienen auch sie einen Coronabonus aus staatlichen Mitteln.“
Seit dem Beginn der Impfkampagne seien in der Niederlassung allein mehr als 72 Millionen Impfdosen verabreicht worden. „Die medizinischen Fachangestellten sind Tag für Tag einer immensen Belastung in den Praxen ausgesetzt und ein Ende ist nicht in Sicht. Ohne ihren Einsatz wäre das hohe Impftempo undenkbar, die ambulante Versorgung könnte in dieser Qualität nicht aufrechterhalten werden“, betonte Reinhardt. „Wir hoffen, dass dieser Protest nicht auf taube Ohren stößt und den verdienten Erfolg hat“.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe will sich weiter dafür einsetzen, dass die MFA in den Arztpraxen einen Coronabonus erhalten. „Die Absage ist für die MFA ein Schlag ins Gesicht. Hier geht es schließlich um viel mehr als ein paar hundert Euro. Noch wichtiger ist doch die Anerkennung der geleisteten Arbeit. Das Praxispersonal muss von der Politik genauso wertgeschätzt werden wie die Pflegekräfte in Krankenhäusern und Altenheimen. Eine Ungleichbehandlung ergibt schlicht keinen Sinn“, sagte Volker Schrage, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV.
Die KV richtete abermals einen Appell an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Arbeit der MFA entsprechend zu honorieren. „Wir laden Herrn Lauterbach und seine Berater gerne in eine Praxis in Westfalen-Lippe ein, um live mitzuerleben, welch herausragende Arbeit das Personal leistet“, erklärte KV-Vorstandsmitglied Thomas Müller.
Die Verweigerung einer Coronaprämie für medizinische Fachangestellte in Praxen drohe die Beschäftigten in Gesundheitsberufen laut der Ärztekammer Niedersachsen zu spalten. MFA leisteten „unverzichtbare und herausragende Arbeit“ für die gesundheitliche Versorgung von Patienten – unabhängig davon, ob sie im stationären oder im ambulanten Bereich arbeiteten, sagte die Vizepräsidentin der Kammer, Marion Charlotte Renneberg.
Verkannt würden erhebliche Mehrbelastungen der Fachangestellten im niedergelassenen Sektor in der pandemischen Ausnahmesituation. Viele medizinische Fachangestellte seien „über den Rand ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit hinaus beansprucht, hinzu kommt das erhöhte Risiko der Berufsgruppe, sich selbst mit COVID-19 zu infizieren“, mahnte Renneberg, die selbst Fachärztin für Allgemeinmedizin mit eigener Praxis ist. „Zusätzlich zu der enormen Arbeitsbelastung ertragen MFA Anfeindungen und Beleidigungen, die mittlerweile leider zum Alltag in vielen niedergelassenen Praxen dazugehören.“
Das Signal der Bundesregierung werte die Leistungen dieser Berufsgruppe ab und demotiviere viele Fachkräfte zusätzlich, warnte sie. „Als Vertreterin der niedersächsischen Ärzteschaft fordere ich ganz klar: Medizinische Fachangestellte sind systemrelevant und verdienen mehr Wertschätzung.“ © may/aha/dpa/aerzteblatt.de

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