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Medizin

IQWiG-Studie: Zweifel an der Wirksamkeit von Antigenschnelltests bei Kindern

Mittwoch, 19. Januar 2022

/picture alliance, Friso Gentsch

Köln/Manchester – Viele Bundesländer setzten in Schulen und Kindergärten auf regelmäßige Antigen­schnelltests, um Infektionen rechtzeitig zu erkennen und die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus zu verhin­dern. Dabei kommt es vor allem bei Kindern ohne Symptome häufig zu falsch-negativen Ergeb­nissen.

Das zeigt eine Auswertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in BMJ Evidence-Based Medicine von 17 Studien mit mehr als 6.000 Kindern und 8 Antigenschnelltests (2022; DOI: 10.1136/bmjebm-2021-111828).

Die Sensitivität der ausgewerteten Testergebnisse lag bei 64,2 % (95-%-Konfidenzintervall 57,4 % - 70,5 %), das heißt, dass 35,8 % Tests falsch negativ waren. Die Spezifität (richtig positiv) lag mit 99,1 % (95-%-KI 98,2 % - 99,5 %) deutlich höher.

Die Forschenden um Erstautorin Naomi Fujita-Rohwerder vom IQWiG beschränkten ihre Analysen anschließend auf Kinder mit und ohne Symptome. Bei Kindern mit Symptomen gab es 28 % falsch-negative Ergebnisse, die gepoolte diagnostische Sensitivität lag bei knapp 72 %. Die gepoolte diagnos­tische Spezifität konnte hingegen knapp 99 % erreichen, basierend auf 3.413 Kindern in 13 Studien.

Bei den Kindern ohne Symptome betrug die gepoolte diagnostische Sensitivität nur noch knapp über 56,2 % (95-%-KI 47,6 % - 64,4 %) und die gepoolte diagnostische Spezifität 98,6 % (95-%-KI 97,3 % - 99,3 %), basierend auf 2.439 Kindern in 10 Studien.

Die Ergebnisse lassen Zweifel an der Wirksamkeit der weit verbreiteten Tests in Schulen aufkommen, warnen daher die Studienautoren.

Unter den 17 ausgewerteten Studien waren 12 in Fachzeitschriften erschienen und hatten Peer Review Verfahren durchlaufen. Bei 5 Studien handelte es sich um Pre-Print-Studien. Bei 11 der Testauswertungen wurden Proben aus dem Rachen und der Nase entnommen; bei den übrigen wurden Proben nur aus der Nase entnommen. In 1 Studie hatten Eltern die Proben unter Aufsicht entnommen, in allen anderen Studien war es geschultes Personal, das die Tests durchgeführt hatte. Die meisten Studien wurden in den USA und Spanien durchgeführt, nur eine kam aus Deutschland (Biomarkers, 2021; DOI: 10.1080/1354750X.2021.1876769).

Einschränkend gaben die Autoren zu Bedenken, dass sich die Untersuchung auf 8 Tests beschränkte. Auf dem Markt seien jedoch mehr als 500 Lateral-Flow-Tests für den professionellen Einsatz verfügbar. In der Realität sind es meist die Eltern oder die Jugendlichen, die ohne geschultes Personal eine Selbsttestung durchführen. Ein solches Studiensetting hätte die Trefferquote der Tests wahrscheinlich noch verschlech­tert. Die Forschenden räumen zudem ein, dass die Ergebnisse möglicherweise nicht auf künftige SARS-CoV-2-Varianten oder geimpfte Kinder anwendbar seien.

Das Fazit des Autorenteams lautet: „Unter Berücksichtigung der testspezifischen gepoolten Ergebnisse erfüllte kein Test, der in diese Überprüfung einbezogen wurde, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) oder der britischen Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) empfohlenen Mindestleistungsanforderungen.“ Die geringere diagnostische Sensitivität im Vergleich zur PCR, erhöhe das Risiko, Fälle zu übersehen, ein­schließlich solcher mit präsymptomatischer Infektion, die noch nicht in die infektiöse Phase eingetreten seien. Ob dies durch häufige Tests ausgeglichen werden könne, halten die Forschenden für fraglich.

Erst kürzlich hatten auch der Berufsverband Deutscher Laborärzte vor einer falschen Sicherheit durch negative Testergebnisse gewarnt.

Laborärzte warnen vor Antigentests zum Freitesten

Berlin – In der Debatte um die Zuverlässigkeit von Antigentest warnt ein Experte vor falscher Sicherheit durch negative Testergebnisse. „Ein Freitesten nur mit Antigentest, das geht nicht“, sagte der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte, Andreas Bobrowski. Er bezog sich auf Pläne der Bundesregierung, ein vorzeitiges Freitesten aus der Quarantäne nicht nur mit PCR-Tests, sondern

Die Autoren einer Kita-Studie um Oliver Kurzai, von der Universität Würzburg, hatten zudem darauf hin­ge­wiesen, dass die Dauer der Testauswertung entscheidend sein. Bei einer am Montag entnommenen Probe müsse sichergestellt sein, dass ein positiv getestetes Kind oder eine Betreuerin am Dienstag nicht mehr in die Kita gehe. Das Ergebnis müsse also spätestens am frühen Morgen des Folgetages vorliegen. Wenn das logistisch nicht möglich sei, könne ein Antigenschnelltest trotz seiner niedrigen Sensitivität definitiv die bessere Wahl sein, ergänzte Kurzai auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblatts.

PCR-Testkapazitäten fast erschöpft

Ein weiterer kritischer Faktor seien die Testkapazitäten von PCR-Tests. Unter anderem der Ärzteverband Marburger Bund (MB) und der Laborverband haben für Deutschland bereits vor Eng­pässen gewarnt. Weil derzeit kaum priorisiert werde bei PCR-Tests, stießen die La­bore in Deutschland zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen, hieß es.

Die Akkreditieren Labore in der Medizin (ALM) führen derzeit bundesweit mehr als 90 % der PCR-Tests durch. Insgesamt waren in Deutschland zu Beginn 2022 rund 2,5 Millionen PCR-Tests wöchentlich möglich. Bei einer Testpositivrate von 25 % könnte demnach hierzulande maximal eine Inzidenz von etwa 750 gemessen werden.

Laut dem ALM-Bericht stieg lag die Positivrate in der zweiten Kalenderwoche von 23,4 % auf 24,9 %. Die 122 ALM-Mitgliedslabore und weitere 60 Labore konnten ihre PCR-Testkapazität für die kommende Kalenderwoche 3 noch mal deutlich erhöhen von fast 2,2 Millionen auf mehr als 2,5 Millionen Tests.

„In Norddeutschland sind die Testlabore schon am Limit. Wir haben hier inzwischen Positivraten von 30 bis 40 %, ich habe so etwas noch nie erlebt“, sagte der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Laborärzte, Andreas Bobrowski, der Deutschen Presse-Agentur.

Wir können solche PCR-Pool-Programme in Deutschland momentan nicht umsetzen – ich bezweifle auch in 6 bis 8 Wochen. Jan Kramer, stellvertretende Vorsitzende des ALM

Aufgrund dieser Situation sieht der ALM keine Möglichkeit, PCR-Pool-Tests an Kitas und Schulen bundesweit einzusetzen – auch wenn diese in Bundesländern wie Bayern und Nordrhein-Westfahlen bereits seit Monaten erfolgreich eingesetzt werden würden. Michael Müller, 1. Vorsitzender der ALM , gab zu Bedenken, dass es einem Planungsvorlauf von 6 bis 8 Wochen bedürfe, um PCR-Pool-Tests in allen Kitas und Schulen eines Bundeslands einzuführen. Noch deutlicher wurde der stellvertretende Vorsitzende des ALM, Jan Kramer gestern bei einer Pressekonferenz: „Wir können solche PCR-Pool-Programme in Deutschland momentan nicht umsetzen – ich bezweifle auch in 6 bis 8 Wochen.“ Bei den hohen Infektionszahlen sei nicht der richtige Zeitpunkt, um über solche Programme zu sprechen. Es gebe ausreichende Hygienekonzepte mit Antigenschnelltests, so Kramer. © gie/aerzteblatt.de

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