Medizin
Grippe 2019/20: Impfung schützte Kinder und Erwachsene zunächst auch vor Virusvarianten
Mittwoch, 19. Januar 2022
Atlanta/Georgia – Die Grippeimpfung hat in der Saison (2019/20) Erwachsene und Kinder vor schweren Erkrankungen geschützt, obwohl gleich zu Beginn vom Impfstoff abweichende Virustypen aufgetreten waren.
Erst als in der 2. Hälfte eine Variante der „Schweinegrippe“ Influenza A(H1N1)pdm09 das Infektionsgeschehen bestimmte, ging die Schutzwirkung verloren. Dies geht aus 2 Test-negativen Fallkontrollstudien der Centers of Disease Control and Prevention (CDC) hervor, die kürzlich in Clinical Infectious Diseases (2021; DOI: 10.1093/cid/ciaa1884 und 2022; DOI: 10.1093/cid/ciab931) veröffentlicht wurden. Auch in diesem Jahr könnte es zu Abweichungen vom Impfstoffvirus kommen.
Die Grippesaison 2019/20, die letzte vor der Coronapandemie, war die heftigste seit Anfang der 1990er Jahre. Gleich zu Beginn breitete sich ein Influenza B-Virus aus, das vom Impfstoffvirus abwich, weshalb mit einer verminderten Schutzwirkung gerechnet wurde. Im späteren Verlauf der Epidemie zirkulierte dann auch noch eine Variante der „Schweinegrippe“ Influenza A(H1N1)pdm09, die aufgrund eines Antigendrifts ebenfalls bei der Konzeption des Impfstoffes nicht vorhersehbar war.
In den USA kam es 2019/20 nach Schätzungen der CDC zu 38 Millionen Erkrankungen und 22.000 Todesfällen in Verbindung mit einer Grippe (zum Vergleich: An COVID-19 sind bisher 66,5 Millionen US-Amerikaner erkrankt mit 851.000 Todesfällen).
Die Bilanz der Grippesaison 2019/20 wäre ohne einen Impfstoff vermutlich noch schlechter ausgefallen. Denn trotz der großen Abweichungen des Impfstoffes von den zirkulierenden Viren war die Impfung nicht völlig wirkungslos.
Mark Tenforde von den CDC in Atlanta und Mitarbeiter kamen kürzlich in einer Auswertung des „US Flu VE Network“ in einer Test-negativen Fallkontrollstudie zu dem Ergebnis, dass die Impfstoffwirksamkeit in allen Altersgruppen insgesamt bei 39 % lag. Das ist etwa halb so hoch wie bei einer guten Übereinstimmung der zirkulierenden Viren mit dem Impfstoff, in der bis zu 80 % geschützt werden. Das 95-%-Konfidenzintervall von 32 % bis 44 % war jedoch signifikant, so dass insgesamt von einer Schutzwirkung ausgegangen werden kann.
Die Wirksamkeit gegen B/Victoria war mit 45 % (37-52 %) etwas besser als gegen A(H1N1)pdm09 mit 30 % (21-39 %). Nach dem Antigendrift kam es dann zu einen Einbruch der Schutzwirkung gegen die Influenza A(H1N1)pdm09 auf nicht mehr signifikante 7 % (-14 % bis 23 %).
Ungewöhnlich schwer fiel die Grippe 2019/20 bei Kindern und Jugendlichen aus. Diese Altersgruppe erkrankt normalerweise nur leicht an einer Grippe. In der Saison 2019/20 kam es laut CDC jedoch zu mehr als 52.000 Hospitalisierungen und wenigstens 434 Todesfällen.
Auch hier hätten es weniger sein können, wenn mehr Kinder geimpft worden wären. Die Impfquote in den USA lag bei Kindern und Jugendlichen zwischen 38 % und 69 % (in Deutschland ist sie viel niedriger, da die Impfung nur bei Risikofaktoren empfohlen wird).
Dass die Grippeimpfung in der Saison 2019/20 trotz der schwierigen Voraussetzungen vermutlich auch bei Kindern wirksam war, zeigt eine Auswertung des Netzwerks PALISI („Pediatric Acute Lung Injury and Sepsis Investigator“). Das Team um CDC-Mitarbeiter Manish Patel ermittelt eine höhere Schutzwirkung als bei älteren Menschen. Sie betrug in der Test-negativen Fallkontrollstudie 63 % (38-78 %) gegen eine schwere Influenza und 75 % (49-88 %) gegen lebensbedrohliche Verläufe.
Die Schutzwirkung gegen die Influenza B-Victoria-Variante war mit 75 % (37-90 %) nicht herabgesetzt. Auch vor A(H1N1)pdm09 war die Schutzwirkung mit 78 % (41-92 %) anfangs noch sehr gut. Nach dem Antigendrift war dann eine Schutzwirkung von 47 % (-21 % bis 77 %) nicht mehr sicher nachweisbar. PALISI ist übrigens identisch mit dem „Overcoming COVID-19 Network“, das derzeit die Wirksamkeit der Coronaimpfung bei Kindern untersucht.
Die CDC sind angesichts dieser Ergebnisse zuversichtlich, dass die Grippeimpfung in dieser Saison 2021/22 eine Schutzwirkung erzielen wird, auch wenn der derzeit dominierende Stamm von H3N2 leicht vom Impfstoffvirus abweicht. Allerdings kommt es während einer Saison häufig zu einem Wechsel der dominierenden Viren und der Verlauf der Grippewelle lässt sich nicht vorhersehen. Obwohl die Grippewelle erst anrollt, wurden der CDC bereits 2 Grippetote unter Kindern gemeldet. © rme/aerzteblatt.de
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