Medizin
Beeinflussen Sicherheiten im Leben die freie Entfaltung?
Montag, 7. Februar 2022
Leiden (Niederlande) – Sicherheiten im Leben empfinden die meisten Menschen rein intuitiv als gut und nützlich. Es kann aber auch sein, dass „gut gemeinte“ Sicherheiten auch negative Effekte auf die individuelle Entfaltung haben. Daher lautete die Frage einer niederländischen Forscherin: Welches Maß an Sicherheit ist „gesund“ und beeinflusst die persönliche Entfaltung nicht?
Dabei ging es nicht nur um die Sicherheit der körperlichen Unversehrtheit, sondern auch um ausbildungstechnische, berufliche, finanzielle und partnerschaftliche Aspekte. Aktuell gefährden die Coronapandemie und der Klimawandel etablierte Sicherheitskonzepte bezüglich Lebensräume, Gesundheit, Arbeitsplatz und Einkommen für einen großen Teil der Bevölkerung.
Sicherheiten scheinen überall gefragt und zum Wohlbefinden einer Person beizutragen. Trotzdem untersuchte Doktorandin Josette Daemen vom Institute of Political Science, Faculty of Social and Behavioural Sciences in Leiden (Niederlande), ob das Streben nach Sicherheiten im Leben die freie Entfaltung behindern kann (Journal of Value Inquiry, 2022; DOI: 10.1007/s10790-021-09870-6).
Laut Daemen gibt es mehrere Möglichkeiten, wie Sicherheiten zu unserem Wohlbefinden beitragen. Damit die größten Vorteile in Puncto Sicherheit voll ausgeschöpft werden, ist es zum Beispiel wichtig, dass die eigenen Überzeugungen und Gefühle mit den geschaffenen Fakten übereinstimmen. Das persönliche Gedeihen ist immer dann gefährdet, wenn geschaffene Sicherheiten zum Beispiel Veränderungen, Überraschungen oder erfreuliche Wagnisse verhindern, die manchmal auch für ein gutes Leben nützlich sind.
Sicherheiten im Leben können laut Daemen zweischneidig betrachtet werden. Denn das Streben nach Sicherheit kann auch mit erheblichen „Kosten“ und „Gefahren“ assoziiert sein. So können die sinnvollen Maßnahmen zur Reduktion von COVID-19-Infektionen durch staatlich angeordnete Kontaktbeschränkungen mitunter auf Kosten der individuellen Freiheit und der psychischen Gesundheit in der Bevölkerung einher gehen, gab Daemen zu bedenken. Die Sicherheitspolitik des Staates gefährde zudem finanzielle Sicherheiten von Bürgern aus bestimmten Berufsgruppen beispielsweise im Veranstaltungsbereich und Gastronomie.
Das Wesen der Menschen spielt auch eine Rolle. Einige Menschen lassen sich vornehmlich von ihren Ängsten und Bedenken leiten, wohingegen andere ein erfülltes Leben erst dann als solches wahrnehmen, wenn das Leben gewisse Unsicherheiten und „Gefahren“ birgt. Um ein bestmögliches Leben zu führen, braucht es wahrscheinlich ein bisschen von beidem, so die Einschätzung von Daemen.
Das optimale Maß ist womöglich eine gute Balance zwischen gewünschter Sicherheit und Wagnis zu schaffen, die für jedermann individuell ist, so das Fazit der Doktorandin. © cw/aerzteblatt.de
