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Medizin

Studie: Depressive Menschen empfänglicher für Coronagerüchte

Dienstag, 25. Januar 2022

/vetre, stock.adobe.com

Boston – Menschen, bei denen ein Screeningtest eine erhöhte Depressivität anzeigte, stimmten in einer Online-Umfrage häufiger Fehlinformationen zur COVID-19-Impfung zu. Die Depressivität ging dabei der Anfälligkeit für die Fehlinformationen in einer 2. Umfrage voraus, was laut der Publikation in JAMA Network Open (2022; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2021.45697) ausschließt, dass die Gerüchte für die Depressivität verantwortlich sind.

Als Negativitätsbias beschreiben Psychologen das Phänomen, dass vielen Menschen negativen Gedan­ken, Emotionen oder Überzeugungen einen größeren Stellenwert beimessen als neutralen oder positiven Dingen. Bei Menschen mit Depressionen ist der Negativitätsbias oft besonders stark ausgeprägt. Die Welt erscheint ihnen als ein dunkler und gefährlicher Ort. Viele dürften sich durch die Pandemie und ihre so­zi­alen Folgen in ihrer Lebensanschauung bestätigt fühlen.

Der Psychiater Roy Perlis, Leiter des Center for Quantitative Health am Massachusetts General Hospital in Boston, vermutete deshalb, dass Menschen mit einer erhöhten Depressivität anfälliger für Fehlinforma­tio­nen zur aktuellen Pandemie sein könnten.

Im „COVID States Project“, das die Auswirkungen der Pandemie auf das Leben von US-Amerikanern unter­sucht, wurden die Teilnehmer im April 2021 auch nach ihrer Bewertung zu folgenden 4 Fehlinformatio­nen befragt: „Die COVID-19-Impfstoffe verändern die DNA des Menschen“, „Die COVID-19-Impfstoffe ent­halten Mikrochips, die Menschen verfolgen können“, „Die COVID-19-Impfstoffe enthalten das Lungen­gewebe von abgetriebenen Föten“ und „Die COVID-19-Impfstoffe können eine Unfruchtbarkeit verur­sachen.“ Immerhin jeder 5. Teilnehmer (19,2 %) stimmte wenigstens einer der 4 Aussagen zu.

Ein weiterer Teil der Umfrage war der Patientenfragebogen (PHQ-9), ein validierter Screeningtest für Depressionen. Auch hier fiel auf, dass 4.164 von 15.464 Befragten (26,9 %) im Alter von durchschnittlich 48 Jahren einen Wert von 10 oder mehr erzielten, der auf eine mögliche Depression hinweist (die Dia­gno­se müsste im Einzelfall noch bestätigt werden). Auch andere Studien haben laut Perlis gezeigt, dass die Pandemie zu einem Anstieg von Depressionen geführt hat.

Der mit den Depressionen verbundene Negativitätsbias könnte dazu führen, dass viele Patienten Fehlin­formationen glauben. Tatsächlich stimmten 30,0 % der Personen mit einer erhöhten Depressivität wenig­stens 1 Fehlinformation zu. Bei den Befragten ohne Depressivität waren es nur 15,2 %. Perlis ermittelte eine Odds Ratio von 2,33, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 2,09 bis 2,60 hoch signifikant war.

Die Teilnehmer, die den Fehlinformationen zustimmten, waren zu 60 % seltener geimpft (Odds Ratio 0,40; 0,36-0,45), und sie lehnten eine Impfung mehr als doppelt so häufig ab (Odds Ratio 2,54; 2,21-2,91).

Der Einfluss der Depressivität war in der Studie größer als andere Faktoren, einschließlich der politi­schen Anschauung (Demokraten waren zu 40 % weniger anfällig für die Gerüchte als Republikaner). Der zweitgrößte Risikofaktor war übrigens der Besitz eines Arbeitsplatzes. Hier könnte die Angst, diesen zu verlieren, ein Grund für die Neigung sein, Gerüchten Glauben zu schenken.

Da eine einzelne Umfrage nicht klären kann, ob die Depressivität die Neigung zu Fehlinformationen erhöht oder ob im Gegenteil die Fehlinformationen Ängste und Depressionen auslösen, wurden die Teil­nehmer in einer weiteren Runde des „COVID States Project“ erneut befragt. Dabei stellte sich heraus, dass Menschen mit einer erhöhten Depressivität, die bei der 1. Umfrage den Fehlinformation noch nicht zu­stimmten, dies in der 2. Umfrage fast doppelt so häufig taten (Odds Ratio; 1,98; 1,42-2,75).

Eine epidemiologische Studie kann nicht beweisen, dass die Depressivität für die Neigung verantwortlich ist, den Fehlinformationen glauben zu schenken. Denkbar ist, dass Menschen mit depressiven Neigungen häufiger soziale Medien nutzen, in denen die Fehlinformationen häufig verbreitet werden. In der Umfrage konnte ein solcher Einfluss jedoch nicht bestätigt werden. Die Neigung von Menschen mit erhöhter De­pres­sivität, den Falschmeldungen zu glauben, war unabhängig von der Nutzung sozialer Medien, den Informationsquellen für COVID-19-Nachrichten und dem Vertrauen in Wissenschaftler, Ärzte, Medien und staatliche Institutionen. © rme/aerzteblatt.de

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