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Politik

Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Ungeimpfte können vorerst weiterarbeiten

Dienstag, 1. Februar 2022

/picture alliance, Marijan Murat

Berlin – Niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser können Personal, das auch nach Inkrafttreten der ein­richtungsbezogenen Impfpflicht am 16. März nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft ist, offenbar zunächst wei­ter einsetzen. Das legt eine Ant­wort des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) auf Fragen des Deutschen Ärzte­blattes nahe.

„Bis das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot ausgesprochen hat, ist eine Weiterbe­schäf­­­tigung der betroffenen Person grundsätzlich möglich“, hieß es aus dem Ministerium. Nachdem ein Betretungs- beziehungsweise Tätigkeitsverbot ausgesprochen worden sei, dürfte im Ergebnis für be­troffe­ne Arbeitnehmer der Vergütungsanspruch in der Regel entfallen.

Die Frage, ob Ärzte oder Krankenhäuser ihrem Personal ein Beschäftigungsverbot erteilen dürfen, auch wenn es noch keine Anordnung vom Gesundheitsamt gibt, ließ das Ministerium heute unbeantwortet.

Bundestag und Bundesrat hatten die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht zum 16. März beschlossen. Die Regelung sieht vor, dass Personal aus bestimmten medizinischen Einrichtungen dem Arbeitgeber bis zum 15. März 2022 einen Nachweis über den Coronaimpfstatus vorlegen muss.

Wenn bis zum Ablauf des 15. März der Einrichtungs- oder Unternehmensleitung kein Nachweis über die Coronaimpfungen vorgelegt wurde, muss dies vom Arbeitgeber an das Gesundheitsamt ge­meldet wer­den.

Ge­sundheitsamt kann Bußgeldverfahren einleiten

Das Gesundheitsamt prüft den Fall und entscheidet dann über das weitere Vorgehen. Außer dem Erlass eines Betretungs- beziehungsweise Tätigkeitsverbotes kann das Ge­sundheitsamt auch ein Bußgeldver­fah­ren gegen die betroffene Person einleiten, schreibt das Ministerium dem Deutschen Ärzteblatt.

Die Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen liegt demnach „im Ermessen des Gesundheits­amtes“. Das Amt soll die betroffene Person zunächst erneut auffordern, einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Bleibt das erfolglos, „wird das Gesundheitsamt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls im Rahmen seines Ermessens über ein Tätigkeits- beziezungsweise Betretungsverbot ent­schei­den“.

„Kon­trolliert und entschieden wird im Einzelfall. Dabei spielt natürlich auch der Aspekt eine Rolle, ob in einer Übergangszeit Personalengpässe in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen vermie­den werden können“, schreibt das BMG.

Es seien bei der Prüfung durch das Gesundheitsamt „alle rele­van­ten Umstände“ zugrunde zu legen. Einbe­zogen werden sollten dabei etwa auch die Art der ausgeübten Tätigkeit und die damit einherge­hen­den Infek­tionsgefahren. Die Landesregierungen könnten ermessens­leitende Verwaltungsvor­schrif­ten erlas­sen.

Versorgungssicherheit nicht gefährden

Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) betonte heute im „Inforadio“ des Rund­funks Berlin-Brandenburg, es gebe einen klaren Auftrag des Bundesgesetzgebers. Man werde das umset­zen, aber dies dürfe die Versorgungssicherheit im medizinischen und pflegerischen Bereich nicht gefähr­den.

„Das ist eine schwierige Aufgabe und da sind wir gerade dran.“ Es habe bereits Treffen mit Kommunen und Betreibern der Einrichtungen gegeben. Nonnemacher kündigte einen Erlass der Landesregierung Brandenburg dazu an, der weisungsgebend sein werde.

Die Gesundheitsämter sehen sich unterdessen nicht in der Lage, die einrichtungsbezogene Coronaimpf­pflicht angemessen zu kontrollieren. Man rechne damit, dass im Schnitt bei fünf bis zehn Prozent der Be­schäftigten kein eindeutiger Nachweis oder kein vollständiger Impfschutz vorliege und eine Meldung an das Gesundheitsamt erfolge, sagte Elke Bruns-Philipps vom Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), der Rheinischen Post.

„Das ist eine erhebliche Belastung mit der Prüfung jedes Einzelfalls, wie es jetzt vorgesehen ist, die die Gesundheitsämter nicht zeitnah bewältigen können.“ „Es ist grundsätzlich ein Verfahren mit erneuter Fristsetzung des Gesundheitsamtes zur Vorlage von Impfdokumenten und einer Anhörung vorgesehen. Das bedeutet, dass es einer Prüfung jedes Einzelfalls bedarf“, erläuterte Bruns-Philipps.

Krankenhausgesellschaft: Fristen verlängern

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, regte an, die Fristen für die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu verlängern. „Wir unterstützen die einrichtungsbezogene Impflicht. Allerdings sind wesentliche Fragen der weiteren Umsetzung noch ungeklärt und deshalb kann es notwendig sein, Fristen im Verfahren anzupassen“, sagte Gaß.

Wenn das Gesundheitsamt für einen ungeimpften Mitarbeiter ein Betretungsverbot für den Arbeitsplatz ausspreche, werde der Betroffene von der Arbeit freigestellt, selbstverständlich ohne Lohnfortzahlung, so Gaß weiter. „Sollte bei Einzelnen die Erstimpfung bereits vorliegen, können die weiteren Impfungen schnell nachgeholt werden. In diesen Fällen können wir uns pragmatische Lösungen wie zum Beispiel eine Fristverlängerung vorstellen, um die Mitarbeitenden zu halten.“

Zugleich fordert der DKG-Chef arbeitsrechtliche Sicherheit, um ungeimpften Mitarbeitern auch kündigen zu können: „Aus unserer Sicht muss die Politik grundsätzlich arbeitsrechtlich Klarheit schaffen und dem Arbeitgeber auch rechtssicher die Möglichkeit geben, in letzter Konsequenz Mitarbeitende ohne Impf­nachweis auch kündigen zu können.“

Der Deutsche Pflegerat hat sich heute für eine pragmatische Umsetzung ausgesprochen und gleichzeitig grundsätzliche Kritik an dem Vorhaben geäußert. Pflegeratspräsidentin Christine Vogler plädierte für eine Risikoabwägung vor Ort durch das jeweilige Gesundheitsamt. „Es bleibt ja gar nichts anderes übrig. Es kann ja nicht ein Gesundheitsamt sagen, wir ziehen die Leute ab. Was machen wir dann mit den Pflegebedürftigen?“, sagte sie.

Gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Vogler übte grundsätzliche Kritik an der Regelung: „Die Gesellschaft muss begreifen, dass wir uns alle impfen müssen. Das kann nur eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. Bei der Gesamtsituation hilft uns die einrichtungsbezogene Impfpflicht überhaupt nicht. Den Fokus auf die Berufsgruppe der Pflegen­den zu richten und ihnen den schwarzen Peter zuzuspielen, ist nicht gerechtfertigt.“

Stattdessen sollte es ihrer Ansicht nach massive Aufklärungskampagnen und verstärkte Bemühungen für Impfungen geben oder auch eine allgemeine Impfpflicht. Im Pflegerat als Dachverband haben sich große Verbände der Pflegebranche zusammengeschlossen.

„Damit die Impfpflicht im Gesundheitswesen kein Fehlschlag wird, muss die Regierung jetzt schnellstens Klarheit schaffen“, mahnte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge (CDU) in der Augsburger Allgemeinen. Es blieben „wenige Wochen – die Zeit drängt.“ Die Bundes­regierung habe viele arbeitsrechtliche und praktische Fragen unbeantwortet gelassen.

Lauterbach gegen Verschiebung

Bundes­gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte trotz erheblicher Kritik an offenen Fragen eine Verschiebung der einrichtungsbezo­genen Impfpflicht bislang strikt abgelehnt. „In der Omikron-Welle zählt jeder Tag, um vulnerable Gruppen zu schüt­zen“, begründete heute das BMG. Das wies darauf hin, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht von den Ländern umgesetzt werde.

Ein Ministeriumsprecher erklärte, die Länder hätten im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterstützt. „Wir gehen daher davon aus, dass die praktische Um­setzung der Vorschriften auf Landesebene gesichert ist. “ Darüber hinaus stehe man „im ständigen Aus­tausch mit den Ländern“ und unterstütze die einheitliche Umsetzung. © may/kna/dpa/afp/aerzteblatt.de

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