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Politik

Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Ministerium legt Handreichung vor

Montag, 14. Februar 2022

/dpa

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat einen Leitfaden zur Umsetzung der ein­richtungsbezogenen Impfpflicht in Gesundheit und Pflege vorgelegt. In der 23-seitigen Handreichung, die an die Bundesländer gegangen ist, sind die Einrichtungen aufgeführt, die unter die Impf­pflicht fallen.

Aufgelistet sind in dem Papier namentlich Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vor­sorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungseinrichtun­gen, Arztpra­xen, Zahnarztpraxen und Betriebsärzte sowie Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe.

Zu letzeren gehören Diätassistenten, Ergotherapeuten, Hebammen und Entbindungspfleger, Logopäden, Mas­seure und Bademeister, Orthoptisten, Physiotherapeuten, Podologen und Psychotherapeuten. Die Re­gelung gilt auch für sonstige Heilberufe, wie etwa Heilpraktiker.

Eingeschlossen in die Impfpflicht sind darüber hinaus Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen wie etwa Hospiz­diens­te, spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) und Blutspendeeinrichtungen. Erwähnt sind zudem Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Unter­suchungen, Prä­ventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden.

Eine Impfpflicht gilt dem Papier zufolge auch für Rettungsdienste, sozialpädiatrische Zentren nach Para­graf 119 Sozialgesetzbuch V (SGB V), medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Be­hinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen nach Paragraf 119c SGB V, Einrichtungen der berufli­chen Rehabilitation nach Paragraf 51 SGB IX und Dienste der beruflichen Rehabilitation, Begutachtungs- und Prüfdienste, die auf Grund der Vorschriften des SGB V oder SGB XI tätig werden.

Apotheken gehören nicht zu den oben genannten Einrichtungen. Das gelte auch dann nicht, wenn dort Impfungen durchgeführt würden, heißt es in dem Papier. Sollten Apotheker jedoch Impfungen in einer anderen Einrichtung oder in einem Unternehmen vornehmen, die unter die Regelung des Paragra­fen 20a IfSG fällt, „fallen sie unter die Impfpflicht“.

Impfpflicht gilt auch für Friseure, Praktikanten und Studierende

In der Handreichung wird auch klargestellt, dass die Art der Beschäftigung keine Rolle spielt. Bei der Frage, ob eine Person in einer der Einrichtungen tätig ist, gelten die regelmäßige und nicht zeitlich vo­rübergehende Beschäftigung. Somit umfasst die Impfpflicht auch ehren­amtlich Tätige und Praktikanten oder Medizinstudierende in den Einrichtungen sowie regelmäßig dahin kommende Handwerker und Friseure.

Nicht er­fasst sind Post- und Paketzusteller sowie Handwerker, die nur für einmalige Aufträge und kurz­zeitig kommen. Ausnahme sind laut Ministerium Tätigkeiten, in denen „jeglicher Kontakt“ sicher ausge­schlossen werden kann, etwa bei getrennten Verwaltungsgebäuden.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sieht vor, dass alle genannten Beschäf­tigten bis zum 15. März 2022 nachwei­sen müssen, dass sie vollständig geimpft oder kürzlich genesen sind. Neue Beschäftigte benötigen den Nachweis ab dem 16. März von vornherein.

Für Menschen, die sich aus medi­zinischen Gründen nicht impfen lassen können, gilt eine Ausnahme. Fehlt der Nachweis, muss das zuständige Ge­sundheitsamt informiert werden, um den Fall zu untersu­chen. Es kann Geldbußen anordnen und dem Betroffenen verbie­ten, die Einrichtung zu betreten oder seine Tätigkeit weiter auszuüben.

Die Handreichung erläutert die konkreten Schritte für Arbeitgeber, wenn die Beschäftigten nicht ausrei­chend geimpft sind. Ar­beitsrechtliche Fragen – wie etwa Lohnzahlungen oder die Frage von Kündigun­gen sind allerdings nicht in dem Papier beantwortet.

Der Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, hatte zuletzt eine Verschiebung der Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegebereich ins Spiel gebracht. Deutschlands oberster Sozialrichter sprach von einem derzeit „großen Wirrwarr“ und sagte der Wirtschaftswoche, offenbar seien viele wichtige Fragen noch nicht zu Ende gedacht.

So sei etwa unklar, ob Arbeitgeber Ungeimpften kündigen können, ob es für sie eine Lohnfortzahlung gibt oder ob alle, die selbst kündigen, für das Arbeitslosengeld gesperrt sind. „Das muss jetzt geklärt wer­den“, forderte Schlegel. Sollte das bis Mitte März nicht geschehen, „könnten Bundestag und Bundesrat beschließen, das Inkrafttreten noch einmal aufzuschieben“.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rief die Bundesländer unterdessen auf, bei der Umset­zung der einrichtungsbezogenen Coronaimpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal geschlossen zu agieren. „Das ist eine große Aufgabe, und wir müssen das gemeinsam schaffen“, sagte Lauterbach ver­gangenen Freitag in den ARD-„Tagesthemen“.

Dass „es leicht werden würde, das hat niemand geglaubt, dafür sind es einfach zu viele betroffene Men­schen“, sagte er weiter. Man arbeite mit den Ländern seit Wochen an einer Umset­zungsstrategie und habe dazu erst am vergangenen Freitag eine Handreichung vorbereitet.

Lauterbach betonte in der ARD, dass das Gesetz zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht überall gelte, für alle und vom gleichen Tag an. In der Umsetzungsstrategie, die gemeinsam mit den Ländern erarbeitet werde, gehe es neben vielen anderen Fragen der Umsetzung etwa darum, was mit jenen passiere, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen könnten. Die Umsetzung der einrichtungsbe­zoge­nen Impfpflicht sei „keine Kleinigkeit und da müssen wir alle zusammenhalten“.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder signalisierte seinen Willen zur Umsetzung. Auf die Frage, ob er dazu bereit sei, sagte er der Rheinischen Post: „Klar. Wir wollen das und wir halten uns auch an Bundes­recht.“ Aber die Regelung müsse „vernünftig und praktikabel umsetzbar“ sein. Sonst komme es schnell zu einem Pflegeproblem und das Vertrauen in den Staat erodiere.

Söder hatte zu Wochenbeginn erklärt, er wolle die ab März greifende einrichtungsbezogene Impfpflicht aussetzen, weil er sie derzeit für nicht umsetzbar halte. Dies brachte ihm Kritik seitens der Bundesregie­rung ein. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach in diesem Zusammenhang von einem „Desaster“.

Ärztevertreter befürchten weiterhin negative Auswirkungen der geplanten Impfpflicht für medizinisches Personal auch in Arztpraxen. „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht wird die Situation auf jeden Fall ver­schärfen“, sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen.

„Wir werden einen gewissen Teil von Mitarbeitern im Pflegebereich und vielleicht in einzelnen Regionen auch in den Praxen haben, die sich nicht impfen lassen“, so Gassen. „Und wenn die nicht mehr arbeiten dürfen, fehlen sie uns in einem Bereich, in dem schon Mangel herrscht“, sagte der KBV-Chef. „Und das hat auch versorgungsrelevante Folgen, wenn plötzlich Arztpraxen in bestimmten Bereichen zumachen.“

Wenn die einrichtungsbezogene Impfpflicht umgesetzt werde, werde man das unmittelbar merken, warn­te Gassen. „Dann werden wir schon am nächsten Tag an der ein oder anderen Stelle Versorgungsprob­le­me haben.“ Gassen wies darauf hin, dass manche Arztpraxen Stellen für Medizinische Fachangestellte (MFA) schon jetzt nicht besetzen könnten.

Insofern habe sich die Politik mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht in eine Situation manövriert, aus der es nur zwei nicht wirklich gute Wege gebe. „Entweder wird die Impfpflicht nicht umgesetzt und ist dann kein Ruhmesblatt der Gesetzgebung, oder sie wird effektiv umgesetzt, und die Politik kreiert damit ein zusätzliches Versorgungsproblem, das es vorher nicht gab.“ © dpa/afp/kna/may/aerzteblatt.de

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