NewsMedizinCOVID-19: Können Östrogene das Sterberisiko von älteren Frauen senken?
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...

Medizin

COVID-19: Können Östrogene das Sterberisiko von älteren Frauen senken?

Mittwoch, 16. Februar 2022

/Zerbor, stock.adobe.com

Umeå – Schwedische Frauen, die nach der Menopause mit Östrogenen behandelt wurden, überlebten eine COVID-19-Erkrankung häufiger, während Frauen, die zur Nachbehandlung eines Mammakarzinoms „Antiöstrogene“ einnahmen, ein tendenziell erhöhtes Sterberisiko hatten.

Dies kam in einer bevölkerungsbasierten Studie in BMJ Open (2022; DOI: 10.1136/bmjopen-2021-053032) heraus, die allerdings keine Kausalität herstellen kann.

Dass Frauen bei einer Infektion mit Coronaviren seltener schwer erkranken, war schon in der 1. SARS-Epidemie aufgefallen. Auch bei MERS-CoV sind die Überlebenschancen besser als bei Männern. Bei COVID-19 liegt der Anteil an den Todesfällen bei etwa 45 %, obwohl Frauen sich gleich häufig infizieren. Die Ursache wurde schon bald in den Sexualhormonen vermutet.

Tatsächlich steigerte Testosteron in Labortests die Expression des ACE2-Rezeptors, mit dem SARS-CoV-2 an den Zellen bindet, während Östrogene die Expression verminderten. Östrogene verringerten auch die Bildung des Enzyms TMPRSS2, das dem Virus beim Eintritt in die Zellen behilflich ist.

Ein Team um Anne-Marie Fors Connolly von der Universität Umeå hat den Einfluss von Östrogenen jetzt in einer landesweiten Registerstudie untersucht. Die Epidemiologen verglichen 2.535 COVID-19-Patien­tinnen, denen – vermutlich zur Behandlung von klimakterischen Beschwerden – regelmäßig Östrogene verordnet wurden, mit 11.923 postmenopausalen COVID-19-Patientinnen, die keine Hormone erhalten hatten. Eine 3. Gruppe bildeten 227 COVID-19-Patientinnen, die nach der Entfernung eines Östrogenre­zep­tor-positiven Mammakarzinoms mit Tamoxifen oder einem Aromataseinhibitor behandelt wurden. Tamoxifen modifiziert die Wirkung von Östrogenen. Aromataseinhibitoren hemmen die Synthese.

Von den Frauen, die Östrogene einnahmen, waren 2,1 % an COVID-19 gestorben. Die Sterberate war nur halb so hoch wie in der Kontrollgruppe, wo 4,6 % an der Erkrankung starben. Die Odds Ratio von 0,47 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall 0,34 bis 0,63 signifikant. Bei den Krebspatientinnen, die „Anti-Östrogene“ eingenommen hatten, starben 10,1 % an ihrer COVID-19-Erkrankung. Die Sterberate war mehr als doppelt so hoch wie in der Kontrollgruppe: Odds Ratio 2,35 (1,51-3,65).

Zu bedenken ist, dass die Brustkrebspatientinnen älter waren als die anderen COVID-19-Patientinnen, und sie litten auch häufiger unter Begleiterkrankungen. Beides könnte das erhöhte Sterberisiko anstelle des „Östrogenmangels“ erklären. Die Brustkrebspatientinnen kamen häufiger aus einkommensarmen und bildungsfernen Schichten, was auf einen riskanteren Lebensstil hinweist, der ebenfalls für sich das Ster­be­risiko an COVID-19 erhöhen könnte. Die Berücksichtigung dieser Risikofaktoren verminderte die Odds Ratio auf 1,21, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,74 bis 1,98 nicht mehr signifikant war.

Zwischen den Patientinnen, die Östrogene eingenommen hatten, und der Kontrollgruppe waren die Unterschiede nicht so groß. Die adjustierte Odds Ratio war mit 0,45 (0,34 bis 0,6) praktisch unverändert.

Aus diesem Ergebnis kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Östrogene Patientinnen vor einem Tod an COVID-19 geschützt haben. Es könnte andere Gründe gegeben haben, die dafür verantwortlich waren, die aber bei der Analyse nicht erfasst wurden. Eine günstige Wirkung von Östrogenen ließe sich nur durch eine Therapiestudie belegen.

In der Vergangenheit ist es schon häufiger vorgekommen, dass die Ergebnisse aus epidemiologischen Studien sich in Therapiestudien nicht bestätigt haben. Die Hormonersatztherapie ist hierfür ein bekann­tes Beispiel. Beobachtungsstudien hatten auf ein vermindertes Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen hingewiesen.

Die Hormonersatztherapie war dann jahrelang Standard, bis die Women's Health Initiative als 1. Placebo-kontrollierte Studie auf ein erhöhtes Risiko von thromboembolischen Ereignissen (Schlaganfall, Lungen­embolien) und gynäkologischen Krebserkrankungen (Mammakarzinom, Endometriumkarzinom) hinwies.

Seither werden Östrogene zurückhaltend zur Behandlung von klimakterischen Beschwerden eingesetzt. Eine präventive Hormonbehandlung zum Schutz vor schweren COVID-19-Verläufen dürfte ohne einen Wirkungsbeleg in kontrollierten klinischen Studien von den Leitlinien nicht empfohlen werden. © rme/aerzteblatt.de

Kommentare

Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.
LNS
VG WortLNS LNS LNS

Fachgebiet

Stellenangebote

    Weitere...

    Aktuelle Kommentare

    Archiv

    NEWSLETTER