Politik
Pflegebonus: Eckpunktepapier unterscheidet nach Berufsgruppen
Dienstag, 22. Februar 2022
Berlin – Die im Koalitionsvertrag der Ampel vorgesehene Summe von einer Milliarde Euro für einen Coronapflegbonus soll zur Hälfte an Pflegekräfte in Krankenhäusern und in Pflegeeinrichtungen gehen. Das geht aus einem Eckpunktepapier aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hervor, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Die Prämie solle an Pflegekräfte gezahlt werden, die „während der Pandemie eine herausragende Leistung erbracht haben“, heißt es in dem Papier. Dies seien beispielsweise Pflegekräfte, die durch die Behandlung von COVID-19-Patienten besonders belastet gewesen seien, etwa durch erhöhte Hygienemaßnahmen, ein erhöhtes Infektionsrisiko oder einen erhöhten Betreuungsaufwand von Infizierten.
Die 500 Millionen Euro für die Kliniken sollen dem Papier zufolge an diejenigen Krankenhäuser verteilt werden, die im Jahr 2021 mehr als zehn COVID-19-Beatmungsfälle behandelt haben. Damit würden 837 Krankenhäuser, die rund 95 Prozent aller Coronapatienten versorgten, von der Bonuszahlung profitieren, heißt es. Rund 280.000 Pflegekräfte in den Kliniken sollen so eine Prämie bekommen.
Die Prämien sollen sich in erster Linie an Pflegekräfte richten, die eine Pflege am Bett ausüben. Pflegekräfte im Bereich der Intensivpflege sollten dem Papier zufolge „einen höheren Bonus erhalten als Pflegekräfte in anderen Bereichen“. Eine exakte Verteilung innerhalb der Krankenhäuser wird in dem Papier allerdings nicht vorgegeben.
Differenziert aufgeschlüsselt sind hingegen die Beträge, die in der Altenpflege ausgezahlt werden sollen. Der Bonus in der Altenpflege soll gestaffelt werden. Den höchsten Betrag von bis zu 550 Euro erhalten demnach Vollzeitbeschäftigte in der direkten Pflege und Betreuung.
Bis zu 370 Euro soll es für Personal geben, das mindestens 25 Prozent der Arbeitszeit in der direkten Pflege und Betreuung mitarbeitet. Dies könnten etwa Beschäftigte aus der Verwaltung, der Haustechnik, der Küche, der Gebäudereinigung, des Empfangs- und des Sicherheitsdienstes, der Garten- und Geländepflege, der Wäscherei oder der Logistik sein.
Bis zu 330 Euro sollen Auszubildende bekommen, bis zu 190 Euro sonstige Beschäftigte und bis zu 60 Euro Helfer im Freiwilligendienst oder im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ).
Der Pflegebonus in der Altenpflege soll laut Eckpunktepapier ab dem 30. Juni, spätestens bis zum 31. Dezember 2022 von den Arbeitgebern ausgezahlt werden. Profitieren sollen Beschäftigte von Pflegediensten und Pflegeheimen, die zwischen dem 1. November 2020 und dem 30. Juni 2022 für mindestens drei Monate in der Altenpflege tätig waren und am 30. Juni 2022 noch beschäftigt sind.
Noch viele Punkte in der Diskussion
In den Eckpunkten erwähnt sind weitere Punkte, die sich in der Diskussion befinden und die unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Die Rede ist zum Beispiel von einer möglichen Ausweitung des finanziellen Rahmens in der Altenpflege auf 1.000 Euro, analog zum Verfahren im Jahr 2020. Dies würde laut BMG ein Finanzvolumen von rund 900 Millionen Euro umfassen.
Ebenfalls Erwähnung findet die Ausweitung auf Beschäftigte in der Eingliederungshilfe. Nach Angaben von Ver.di handelt es sich um rund 150.000 Vollzeitkräfte. Bei einer Prämie von 1.000 Euro würde das erforderliche Finanzvolumen 150 Millionen Euro betragen.
Diskutiert wird offenbar auch die Ausweitung des finanziellen Rahmens in der Krankenpflege mit genauen Vorgaben: Vollzeitbeschäftigte Pflegefachkräfte könnten dann 1.500 Euro erhalten. Beschäftigte auf Intensivstationen sollten dann 3.000 Euro erhalte. Zu den weiteren Überlegungen gehört, die Prämie nicht nur für die Pflege am Bett zu zahlen, sondern diese auch anderen belasteten Berufen zugutekommen zu lassen.
Eventuelle Steuerbefreiungen
Angedacht ist auch eine Steuer- und Beitragsfreiheit für Prämien, die aufgrund tarifvertraglicher oder anderer Regelungen gezahlt werden. Zudem könnten auch andere besonders belastete Berufsgruppen, wie beispielsweise Medizinische Fachangestellte, Pharmazeutisch Technische Assistenten oder Rettungssanitäter von der Steuerfreiheit profitieren können, wenn kein staatlicher Bonus, aber eine Prämie durch den Arbeitgeber gezahlt werde, hieß es.
Sowohl Krankenhausärzte als auch die Mediziner in der ambulanten Versorgung oder auch MFA sind in den Eckpunkten nicht mit Prämien vom Staat berücksichtigt. Ärzteverbände und Verbände der Gesundheitsberufe hatten zuletzt mehrfach angemahnt, auch die Leistungen anderer Berufsgruppen zu berücksichtigen und finanziell anzuerkennen. Das war vom Ministerium bisher zurückgewiesen worden.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Heike Baehrens, erklärte dem Deutschen Ärzteblatt, wenn man die besonders belasteten Beschäftigten in der Intensivpflege besonders honorieren wolle, sei für die große Zahl der Beschäftigten in der ambulanten und stationären Langzeitpflege nur ein kleinerer Bonus möglich. Darum solle im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens intensiv geprüft werden, ob der Finanzrahmen von einer Milliarde Euro erhöht werden könne.
„Aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion wäre es wünschenswert, wenn sich die Höhe des Bonus an der bereits 2020 in der Langzeitpflege gezahlten Prämie orientiert. Außerdem sollte unbedingt ermöglicht werden, dass neben den Beschäftigten in der Pflege auch die Behindertenhilfe mit einbezogen werden“, erklärte Baehrens.
Ebenso setze man sich dafür ein, dass die flankierenden Regelungen zur Steuerfreiheit auch medizinische und pharmazeutische Fachangestellte und Rettungssanitäter betreffe, damit es zum Beispiel Ärzten und Apothekern möglich sei, ihren Angestellten einen Bonus zahlen zu können, der steuerfrei bleibe.
Grundsätzlich sollen nach dem Willen der Bundesregierung die staatlichen Coronaprämien für die Pflege bis zu einer Höhe von 3.000 Euro steuer- und abgabenfrei sein. Die Länder und die jeweiligen Arbeitgeber erhalten die Möglichkeit, den Bonus aufzustocken.
Der Zeitplan sieht vor, dass das Bundeskabinett bis zum 30. März eine Formulierungshilfe für den Gesetzentwurf beschließt, der dann am 7. oder 8. April erstmals im Bundestag beraten werden könnte. Am 19. oder 20 Mai könnte das Gesetz dann im Bundestag, am 10. Juni im Bundesrat beschlossen werden.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte heute im ZDF-„Morgenmagazin“, der Bonus komme „jetzt relativ rasch“. Aber das sei nicht alles, vielmehr müssten die Arbeitsbedingungen sich insgesamt verbessern.
Lauterbach sagte, es sei jetzt ein entsprechender Entwurf entwickelt worden, der dem Bundestag vorgelegt werden solle. Der Bonus solle an die Pflegenden gehen, weil sie in der Coronakrise im Vordergrund gestanden hätten, und nicht an andere Berufsgruppen.
Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, übte scharfe Kritik an der Höhe des Bonus und den Unterschieden zwischen einzelnen Berufsgruppen. „Die Fliehkräfte innerhalb der Belegschaft werden zunehmen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zudem würden Mitarbeiter benachteiligt, die sich um andere Patienten gekümmert hätten.
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) lehnt die unterschiedliche Prämienhöhe für Pflegekräfte auf Intensiv- und Pflegekräften auf Normalstationen ab. Das führe zu enormen Abgrenzungsproblemen und zur Ungleichbehandlung der Beschäftigten, hieß es.
„Eine solche Verteilung kann der Belastung im Einzelfall niemals gerecht werden. Wir empfehlen deshalb den Krankenhausträgern, mit den Mitarbeitervertretungen/Betriebsräten einheitliche Prämienregelungen in den Krankenhäusern zu vereinbaren“, erklärte die DKG. Sie betonte, die Auszahlung einer einmaligen Pflegeprämie ist kein Ersatz für eine nachhaltige Förderung der Pflege.
Dazu gehöre eine dauerhafte steuerliche Erleichterungen in Form eines erhöhten Steuerfreibetrags für Pflegekräfte, die schnelle gesetzliche Einführung einer Pflegepersonalbemessung und die umgehende Erhöhung des vorläufigen Pflegeentgeltwertes, um die Krankenhäuser finanziell in die Lage zu versetzen, die tariflich vereinbarten Gehälter und Coronaprämien trotz der vielerorts noch nicht abgeschlossenen Pflegebudgetverhandlungen auszuzahlen.
Der Linken-Abgeordnete Ates Gürpinar kritisierte, der Bonus mit dem Höchstwert von 550 Euro sei „blanker Hohn“. Vielmehr sei ein um mehrere hundert Euro erhöhter Lohn monatlich erforderlich.
Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek rief den Bund auf, nachzubessern. „Wir müssen die Arbeit in der Pflege endlich attraktiver gestalten und die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern“, sagte der CSU-Politiker. Es gehe um mehr als nur um den Pflegebonus.
„Der Bonus kommt viel zu spät und soll dazu noch Berufsgruppen und Beschäftigte ausschließen, die in der Pandemie ebenfalls hoch belastet waren und sind. Medizinische Fachangestellte sollen etwa weiterhin nicht berücksichtigt werden, doch auch sie haben Großartiges geleistet“, unterstrich Holetschek.
Die zweite Jahreshälfte als Auszahlungstermin komme überdies zu spät. „Der Bonus muss früher kommen. Die Beschäftigten haben dieses deutliche Zeichen der Wertschätzung mehr als verdient.“
Auch aus Sicht des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) muss der Bonus für MFA gelten. „Die Praxisteams in Kinder- und Jugendarztpraxen erbringen seit zwei Jahren Höchstleistungen“, sagte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach. Ohne die MFA bereche würde das System der ambulanten Patientenversorgung zusammenbrechen.
Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe, verwies darauf, dass immer mehr MFA sich ernsthaft mit dem Gedanken tragen, den Beruf der MFA an den Nagel zu hängen. „Bereits vor der Pandemie dachten rund 22 Prozent der MFA mindestens einige Male im monat darüber nach“, sagte sie.
Diese Zahl scheine sich nun verdoppelt zu haben, wie eine erste Auswertun einer aktuellen Umfrage zeige. Den Praxen drohe damit ein Exodus der MFA. „Es ist total unverständlich, warum die Politik diese Beschäftigten und ihre Leistungen nicht mit einem steuerfinanzierten Sonderbonus würdigt“, sagte sie.
© may/afp/kna/aerzteblatt.de
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