Medizin
Bessere Vorhersage von Präeklampsie mit künstlicher Intelligenz
Dienstag, 22. Februar 2022
Berlin – Der Verdacht auf eine Präeklampsie in der Schwangeschaft endet nur in wenigen Fällen mit schweren Komplikationen. Mithilfe von Machine-Learning haben Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin ein Modell entwickelt, das das Komplikationsrisiko deutlich besser vorhersagen kann als bisher übliche klinische Parameter. Die Ergebnisse sind im American Journal of Obstetrics and Gynecology erschienen (2022, DOI: 10.1016/j.ajog.2022.01.026).
Das Messen des Blutdrucks und des Eiweiß im Urin reiche nicht aus, um genauere Vorhersagen zu treffen, ist Letztautor Stefan Verlohren, Oberarzt an der Klinik für Geburtsmedizin am Charité Campus Mitte überzeugt.
„Und obwohl wir heute neue Biomarker eingeführt haben, wie sFlt-1 und PIGF, wollten wir der Hypothese nachgehen, ob wir mit Machine-Learning-Algorithmen nicht mehrere Testergebnisse gemeinsam auswerten und damit besser vorhersagen können, wer in Gefahr ist und wer nicht.“
Zunächst trug das Team um Verlohren reelle Behandlungsdaten von 1.647 Präeklampsie-Hochrisiko-Patientinnen der Klinik aus den Jahren 2010 bis 2019 in einer Datenbank zusammen.
Anschließend wurden die Algorithmen mit den klinischen Datensätzen trainiert und die Vorhersagegenauigkeit der künstlichen Intelligenz (KI) mit der bisher üblichen Vorhersage aufgrund klinischer Parameter verglichen. In die Auswertung wurden 114 Werte einbezogen.
Die Sensitivität eines klinischen Tests bezieht sich auf die Fähigkeit des Tests, die Patienten mit einer Krankheit korrekt zu identifizieren (richtig-positiv). Die Spezifität eines klinischen Tests gibt dagegen die Fähigkeit des Tests an, die Patienten ohne die Krankheit korrekt zu identifizieren (richtig-negativ).
Der prädiktive Vorhersagewert (PV) trifft im Gegensatz dazu eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient bei positivem Testergebnis auch wirklich krank ist und bei negativem Ergebnis gesund. Dafür wird die Prävalenz der Erkrankung hinzugezogen, die abhängig vom Alter oder anderen Faktoren schwanken kann. Diese zusätzliche Variable führt bei diagnostischen Tests zu stark abweichenden Risikowerten.
2 unterschiedliche maschinelle Lernmodelle konnten dabei vergleichbar gute Ergebnisse erzielen: Mit dem Gradient-Boosted Tree (GBTree) erzielten die Forchenden einen positiv prädiktiven Wert (PPV) von 88 % ± 6 % und einen negativen PV von 89 % ± 3 %.
Die Sensitivität lag bei 66 % ± 5 %, die Spezifität bei 97 % ± 2 %. Der Random-Forest-Klassifikator (RF) lieferte einen gleichwertigen PPV (88 % ± 6 %) und eine gleichwertige Spezifität (97 % ± 1 %), während er bei den anderen Werten leicht unterlegen war.
„Unsere Algorithmen waren den bisherigen Vorhersagen auf der Grundlage von Blutdruck, Proteinurie und sFlt-1/PIGF-Quotient deutlich überlegen. Insbesondere war der positive Vorhersagewert – also dass eine Komplikation tatsächlich auftreten wird – doppelt so häufig zutreffend“, fasste Leon Schmidt, Doktorand in Verlohrens Arbeitsgruppe, die Ergebnisse zusammen.
Das Digital Health Accelerator Programm des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) fördert die weitere Produktentwicklung, damit eine Lösung basierend auf dem Algorithmus perspektivisch in die breite Anwendung gelangen kann. Zunächst müssen jedoch prospektive Studien die Validität des Algorithmus bestätigen.
Aber wenn sie darüber entscheiden müssen, wie sie eine Patientin mit Präeklampsie weiter behandeln sollen, hilft es sicher, dies auf einer besseren Grundlage zu tun. Stefan Verlohren, Oberarzt an der Klinik für Geburtsmedizin am Charité Campus Mitte
Die KI könne den Arzt oder die Ärztin nicht ersetzen, ist der Mediziner Verlohren überzeugt. „Aber wenn sie darüber entscheiden müssen, wie sie eine Patientin mit Präeklampsie weiter behandeln sollen, hilft es sicher, dies auf einer besseren Grundlage zu tun. Damit könnten potentiell lebensbedrohliche Komplikationen für Mutter und Kind vermieden werden.“
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Etwa 10 bis 15 % aller Schwangeren erleben den Verdacht auf eine Präeklampsie: Ihr Blutdruck ist erhöht, es findet sich vermehrt Eiweiß im Urin, Ödeme in Armen und Beinen treten auf und die Betroffenen verspüren Schwindel, Kopfschmerz, Übelkeit oder Oberbauchschmerzen.
Nur bei wenigen dieser Frauen entwickeln sich schwere Komplikationen: „Tatsächlich betroffen sind nur 2 bis 5 %, und nur bei einem Teil dieser Frauen treten schwere Komplikationen auf“, erklärte Verlohren.
Da diese jedoch bis hin zum Tod von Mutter und Kind führen können, werden die Schwangeren häufig zur Sicherheit stationär aufgenommen, obwohl dies in den meisten Fällen rückblickend nicht notwendig gewesen wäre. © gie/aerzteblatt.de

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