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Ärzte verurteilen Angriff Russlands auf die Ukraine

Donnerstag, 24. Februar 2022

/picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Sergei Grits

Berlin – Der Krieg in der Ukraine bereitet auch den Ärzten und Hilfsorganisationen in Deutschland Sor­gen. Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW verurteilte den völkerrechtswidrigen russischen Militäran­griff auf die Ukraine heute auf das Schärfste.

Sie forderte die Bundesregierung auf, sich gegenüber der russi­schen Regierung für die sofortige Ein­stel­lung aller militärischen Aktivitäten, den Rückzug aller Truppen und eine Rückkehr zu Verhandlungen ein­zusetzen. Man sehe eine diplomatische Lösung als immer noch möglich und fordere alle Seiten auf, nicht weiter zu eskalieren. Es muss über einen sofortigen Waffenstillstand verhandelt werden.

„Unsere Sorgen gelten jetzt den Menschen in der Ukraine, die durch die humanitären Folgen von Krieg und Flucht betroffen sind. Die Situation ist für die Menschen in der Ukraine extrem traumatisierend“, sagte IPPNW-Vorstandsvorsitzende Angelika Claußen. Es werde unmittelbare Kriegsopfer geben. Die me­dizinische Versorgung im Land sei gefährdet. „Die Sanktionen werden vor allem die russische Zivilbe­völkerung stark treffen”.

Die IPPNW wies zudem auf die Gefahren hin, die von den 15 Atomkraftwerken an vier Standorten in der Ukraine durch Militärangriffe ausgehen. Selbst wenn die Reaktorstandorte, die 50 Prozent des ukraini­schen Strombedarfs decken, nicht direkt in der Konfliktzone lägen, könnten Militärangriffe katastrophale Folgen haben. Durch die Zerstörung von Infrastruktur oder Stromausfällen steige auch die Gefahr eines Reaktorunglücks. Der Tschernobyl-Reaktor und die Sperrzone seien potenziell gefährdet.

Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine hat Caritas international nach eigenen Angaben Not­fallteams im ganzen Land mobilisiert. Es stünden zunächst 150.000 Euro für Nothilfe zur Verfügung, teil­te die Organisation heute mit. Sie bat zugleich um „dringend benötigte Spenden für die Opfer des Kon­fliktes“.

„Es geht jetzt darum, alles zu tun, um eine drohende humanitäre Katastrophe in der Ukraine zu verhin­dern“, erklärte der Leiter von Caritas international, Oliver Müller. Zwar sei die Lage derzeit auch für die humanitären Helfer noch sehr unübersichtlich, trotzdem habe sich die Caritas Ukraine seit Wochen auf verschiedene Szenarien vorbereitet.

In der Ostukraine würden derzeit die Hilfen insbesondere für Alte, Kranke, Kinder und Jugendliche inten­siviert, erklärte die Organisation. Auch im Rest des Landes habe sich die Caritas auf etwaige Notlagen eingestellt und landesweit die Mitarbeitenden geschult, etwa wie Feldküchen betrieben, Notunterkünfte eröffnet oder Menschen, die aufgrund des Konflikts ihre Häuser verlassen mussten, psychologisch unterstützt werden.

„Wir tun alles, um landesweit Menschen in Not Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen, so wie wir es seit 2014 in der Ostukraine tun", wurde in der Erklärung die Präsidentin der Caritas Ukraine, Tetiana Stawnychy, zitiert. Müller betonte, die Situation sei „dramatisch und verändert sich sehr schnell“.

Ein Hilfstransport der Malteser ist heute von Trier nach Ivano-Frankivsk in der Ukraine gestartet. Der ukrainische Spediteur habe drei Feldküchen, sieben Küchen- und Unterkunftszelte sowie 2,5 Tonnen medizinisches Hilfsmaterial und Rollstühle geladen, berichtete Maltester-Sprecher Klaus Walraf.

Der Transport sei bereits lange vor dem russischen Angriff auf die Ukraine geplant gewesen. Im Rahmen der freundschaftlichen Verbindung zwischen den Hilfsdiensten der Malteser in beiden Ländern würden seit drei Jahrzehnten Materialien für die soziale und humanitäre Arbeit auf den Weg gebracht.

Deutsche Malteser– vor allem aus der Diözese Trier – pflegten seit 2014 engen Kontakt zu den Maltesern in Ivano-Frankivsk und Lviv im Westen der Ukraine. Dort würden die Projekte für arme und ältere Men­schen, Vertriebene und Menschen mit Behinderung koordiniert. Die Zusammenarbeit zwischen Deutsch­land und der Ukraine basiere weitestgehend auf Spenden.

Die Auswirkungen der völkerrechtswidrigen Aggression Russlands gegenüber der Ukraine dürften auch Auswirkungen auf das deutsche Gesundheitssystem haben, so die Einschätzung von Dirk Heinrich, Vor­standsvorsitzender des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa).

Dies betreffe sowohl die akute medizinische Versorgung von Verletzten – welche man aus solidarischen Gründen leisten werde, wenn erforderlich – als auch die Versorgung von Flüchtlingen. Angesichts der zu befürchtenden Kriegsfolgen sei mit Flüchtlingsströmen im bedeutenden Ausmaß zu rechnen, sagte er heute.

In einer Stellungnahme verurteilte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-André Alt, den russischen Überfall auf die Ukraine scharf. „Dies ist ein zutiefst bedrückender Tag. Unsere Solidarität gilt der gesamten ukrainischen Bevölkerung und vor allem unseren hochschulischen Partnern“, sagte er.

Man sei in großer Sorge um das Leben und Wohlergehen der ukrainischen Wissenschaftler und Studie­ren­den. Die deutschen Hochschulen würden ihnen im Rahmen ihrer Möglichkeiten beistehen. Absehbar sei auch, dass diese Entwicklungen den deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen schweren Scha­den zufügen werde. „Wir werden entsprechende Konsequenzen eingehend prüfen müssen.“

Die HRK wird im Verbund der Wissenschaftsorganisationen – insbesondere mit dem DAAD – und in Abstimmung mit der Bundesregierung die Möglichkeiten zur Fortführung und Gestaltung der Hochschul- und Wissenschaftsbeziehungen zu der Ukraine und Russland ausloten.

Der Krieg trifft auch die Verbindungen Deutschlands und der Ukraine in der Hochschulbildung: Die Ukra­ine gehört zu den wichtigen Herkunftsländern unter den internationalen Studierenden in Deutschland. Im Sommersemester 2021 studierten mehr als 8.200 ukrainische Studierende an deutschen Hochschu­len. Derzeit gibt es 257 Kooperationen mit der Ukraine, an denen 113 deutsche und 89 ukrainische Hochschulen beteiligt sind.

Der Bundestag will am kommenden Sonntag zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um nach einer Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die Lage angesichts des russischen An­griffs auf die Ukraine zu beraten. Scholz hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) heute um die Ein­berufung der außerplanmäßigen Sitzung gebeten.

Bereits seit 13 Uhr tagt der Verteidigungsausschuss des Bundestages im Rahmen einer Sondersitzung. Die Bundesregierung berichtet dort zu den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine. Morgen berät ab 14 Uhr der Ausschuss für Klimaschutz und Energie über die Konsequenzen der Anerkennung der Unabhän­gigkeit der Provinzen Donezk und Luhansk durch Russland für die deutsche Energieversorgung. Der Auswärtige Ausschuss und der Europaausschuss waren bereits gestern zusammengekommen.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl fordert von Deutschland und insbesondere den osteuropäi­schen Staaten, sich auf die Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukraine einzustellen. Im Kriegsfall fliehe die Zivilbevölkerung in der Regel erst einmal in die direkten Nachbarstaaten, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der Neuen Osnabrücker Zeitung.

„Wir fordern deshalb alle östlichen EU-Staaten– vor allem Polen und Ungarn – auf, die Grenzen nicht weiter für Flüchtlinge zu verschließen.“ Wenn es um Gefahren für Leib und Leben gehe, müssten Men­schen Grenzen überschreiten dürfen, betonte Burkhardt. Die osteuropäischen Staaten müssen zurückkeh­ren zur Einhaltung von Menschenrechten und Europarecht.

Ein „großer Krieg“ werde zu vielen Toten und „vielen tausend Flüchtlingen“ führen, zeigte sich der Pro-Asyl-Geschäftsführer überzeugt. „Auch Deutschland muss sich darauf einstellen.“ Die Aufenthaltstitel für ukrainische Staatsangehörige, die sich bereits in Deutschland aufhalten, müssten außerdem „unbüro­kratisch verlängert werden“.

Russland hat heute morgen gegen 5 Uhr den Krieg gegen die Ukraine begonnen. Präsident Wladimir Putin ordnete eine Militäroperation in den Regionen Luhansk und Donezk an. Angriffe mit Kampfflug­zeugen, Hubschrauber und Raketen wurden auch aus anderen Teilen der Ukraine gegen militärische Infrastruktur gemeldet. Nach Angaben des ukrainischen Militärs starben mehr als 40 Soldaten.

Erstmals stehen sich damit russische und ukrainische Soldaten in dem seit acht Jahren dauernden Kon­flikt gegenüber. Putin hatte am vergangenen Montag die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Do­nezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt. Dort rollten nun russischen Panzer ein. Der Kremlchef plant zum zweiten Mal nach 2014 einen Einmarsch in die Ukraine.

Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammenge­zogen. US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Europäische Union und die Nato verurteilten Putins Vorgehen scharf und kündigten umgehend weitere Sanktionen an. Die Strafmaßnah­men zielen vor allem darauf, Russland von den Finanzmärkten abzuschneiden.

In einer Fernsehansprache, die gegen 3.30 Uhr deutscher Zeit begann, sagte Putin in Moskau: „Ich habe beschlossen, eine Sondermilitäroperation durchzuführen. Ihr Ziel ist der Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt sind.“ Russland strebe die Entmilitarisierung und die Entnazifizierung der Ukraine an.

Die Nato geht als Reaktion in den Krisenmodus. Sie aktiviert die Verteidigungspläne für Osteuropa. Der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte bekommt weitreichende Befugnisse, um zum Beispiel Truppen anzufordern und zu verlegen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Bündniskreisen erfuhr.

Die US-Regierung hat seit Beginn des Konflikts um die Ukraine bereits rund 6.000 Soldaten in osteuro­päische Nato-Mitgliedsländer verlegt oder deren Verlegung angekündigt. Die meisten von ihnen wurden nach Polen verlegt, das im Osten an die Ukraine grenzt.

Biden verurteilte den „unprovozierten und ungerechtfertigten“ russischen Angriff im Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. „Die Gebete der ganzen Welt sind heute Nacht beim ukrainischen Volk, während es unter einem unprovozierten und ungerechtfertigten Angriff durch die russischen Streitkräfte leidet“, erklärte Biden. „Die Welt wird Russland zur Rechenschaft ziehen.“

Biden wollte noch heute seinen Amtskollegen aus der Gruppe der sieben wichtigsten Wirtschaftsnatio­nen besprechen. Bundeskanzler Scholz sicherte Selenskyj „die volle Solidarität Deutschlands in dieser schweren Stunde“ zu. Scholz nannte den russischen Angriff einen eklatanten Bruch des Völkerrechts. Als Reaktion brach die Ukraine die diplomatischen Beziehungen mit Russland ab. Präsident Wolodymyr Selenskyj rief den Kriegszustand aus.

Die neuen EU-Sanktionen werden nach Angaben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Zugang russischer Banken zu den europäischen Finanzmärkten stoppen. Russische Vermögenswerte in der EU sollen eingefroren, wichtigen Sektoren der russischen Wirtschaft der Zugang zu Schlüsseltech­nolo­gien und Märkten verwehrt werden. Am Abend soll ein EU-Krisengipfel über das Sanktionspaket beraten.

Ein erstes Paket hatte die EU bereits nach Anerkennung der Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk beschlossen. An den internationalen Handelsplätzen brachen die Kurse ein. In Frankfurt ging beispielsweise der Leitindex Dax auf Talfahrt. Direkt zum Handelsstart fiel die Marke von 14.000 Punkten.

Außenministerin Annalena Baerbock hat nach dem russischen Angriff auf die Ukraine harte zusätzliche Sanktionen gegen Russland angekündigt. „Wir werden das volle Paket mit massivsten Sanktionen gegen Russland auf den Weg bringen“, sagte sie in Berlin.

Deutschland werde sich mit der Europäischen Union, der Nato sowie den stärksten Wirtschaftsmächten im G7-Format abstimmen. Die Bundesregierung rief deutsche Staatsangehörige auf, die Ukraine zu ver­lassen. Die deutsche Botschaft in der Hauptstadt empfahl Deutschen dringend, sich in Sicherheit zu bringen.

Angriff auf Militäreinrichtungen

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs griff russisches Militär Gebiete und Siedlungen entlang der Staatsgrenze sowie mehrere Flugplätze an. Laut Grenzschutz rückten russische Panzer in die Ostukraine ein. Mehrere Kolonnen hätten im Gebiet Luhansk bei Krasna Taliwka, Milowe und Horodyschtsche von russischem Territorium aus die Grenze überquert.

Einem von der Behörde veröffentlichen Video zufolge sind russische Truppen auch von der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim ins Kerngebiet der Ukraine vorgedrungen. Das Militär schoss nach eigenen Angaben im Gebiet Luhansk fünf russische Flugzeuge und einen Hubschrauber ab.

Die Separatisten im Gebiet Luhansk teilten mit, zwei Kampfflugzeuge der Ukraine vom Typ Su-24 seien abgeschossen worden. Die Berichte ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Insgesamt wurden nach Angaben des ukrainischen Generalstabs mindestens sechs Flugplätze angegriff­en, darunter Boryspil, etwa 40 Kilometer von Kiew entfernt, Tschuhujiw im Gebiet Charkiw und Krama­torsk im Gebiet Donezk. Die Armee wehre Luftangriffe ab und sei in voller Kampfbereitschaft, hieß es.

Ein Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur in Kiew berichtete, dass auch in der Hauptstadt Don­nerschläge zu hören waren. Es war unklar, woher diese kamen. Die von Russland unterstützten Separatis­ten meldeten nach dem Einmarsch die Einnahme von zwei Kleinstädten. Es handele sich dabei um Stanyzja Luhanska und um Schtschastja, teilten die Separatisten mit.

Dem widersprach der ukrainische Militärsprecher Olexij Arestowytsch. Die Frontlinie in der Ostukraine sei nicht durchbrochen worden. Die Kleinstadt Schtschastja sei weiter unter ukrainischer Kontrolle. © dpa/aha/may/EB/aerzteblatt.de

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