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Politik

Digitalisierung im Gesundheitswesen: Deutschland liegt zurück

Montag, 14. März 2022

/MQ-Illustrations, stock.adobe.com

Karlsruhe – Wenn es um die Digitalisierung des Gesundheitswesens geht, ist Deutschland nicht beson­ders gut aufgestellt. Das gilt sowohl für die elektronische Patientenakte (ePA), Gesundheits-Apps oder das elektronisches Rezept (E-Rezept).

„Nach vielversprechenden Anfängen fiel Deutschland seit der Jahrtausendwende immer weiter zurück und zählte laut internationaler Studien zuletzt eher zu den Schlusslichtern im europäischen Vergleich“, heißt es in einer jetzt veröffentlichten Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsfor­schung (ISI) in Karlsruhe.

Zwar gehöre das deutsche Gesundheitssystem zu den teuersten in Europa, doch seien wesentliche Grund­voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung über Jahre nur halbherzig verfolgt worden, so die Bilanz. „Vielerorts sind digitale Strukturen nur in Teilen vorhanden.“

Allerdings zeichne sich durch zahlreiche Gesetzesinitiativen des früheren Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) ein Wandel ab, betonten die Autoren. Sie müssten ihre Wirkung allerdings erst noch entfalten.

Die Analyse verweist darauf, dass sich allein sechs Gesetze des Spahn-Ministeriums in den ver­gangenen vier Jahren mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens befassten und Rahmenbe­dingun­gen für die Nutzung von Telemedizin, ePA, E-Rezept oder Apps schafften.

Die Wissenschaftler haben Gründe für diese Entwicklung untersucht und Handlungsempfehlungen daraus abgeleitet – unter anderem durch Vergleiche mit Dänemark, Estland, Spanien und Österreich, die bei der Digitalisierung ihrer Gesundheitssysteme allesamt besser abschneiden als die Bundesrepublik.

Als Ursachen für die verzögerte Digitalisierung nennen die Experten Interessenskonflikte der vielen beteiligten Akteursgruppen in der Selbstverwaltung, Bürokratie, hohe Technologiekosten, Sicherheitsbe­denken sowie fehlende Zuverlässigkeit der technischen Lösungen.

„Auf die nur mäßig fortschrittlichen Strukturen traf im Frühjahr 2020 die Coronapandemie, die eklatante Schwachstellen der digitalen Kommunikation offenlegte“, heißt es. Andererseits habe die Pandemie aber auch Handlungsdruck ausgelöst.

Als einen wichtigen Bremsklotz bezeichnen die Studienautoren eine mangelnde und häufig viel zu späte Beteiligung der unterschiedlichen Interessengruppen. In den Vergleichsländern seien Betroffene von Be­ginn an stärker eingebunden worden. Damit sei es besser gelungen, ethische, rechtliche und soziale Aus­wirkungen neuer Technologien frühzeitig zu identifizieren und Produkte zu entwickeln, die dem Bedarf entsprächen.

Zugleich verweist die Studie darauf, dass manche digitale Angebote wenig genutzt werden. „Aktuell be­steht die zentrale Herausforderung darin, mehr Versicherte zur Einrichtung einer elektronischen Patien­tenakte zu bewegen“, heißt es. Anwendungen wie den elektronischen Medikationsplan oder das Notfall­datenset gebe es bereits seit einiger Zeit. „Ihre Nutzung ist jedoch aus verschiedenen Gründen gering.“

Entwicklungshemmnisse sieht die Studie beim Datenschutz. Er sei für den Ausbau von ePA, Videosprech­stunden oder digitalen Impfpässen zentral. Verantwortlichkeiten seien aber teilweise wenig nachvoll­zieh­­bar geregelt. Bei Anwendungen wie den Gesundheits-Apps schreckten allzu strenge Regelungen Entwickler ab.

Die Koordinatorin der Studie, Tanja Bratan, zieht eine gemischte Bilanz der digitalen Transformation des Gesundheitssystems. „Nach langem Stillstand wurde mit den Gesetzesinitiativen der vergangenen Legis­laturperiode eine wichtige Grundlage für die Beschleunigung der Digitalisierung gelegt“, erklärte sie. Jetzt seien weitere politische Initiativen nötig, um digitale Anwendungen in der Breite verfügbar zu ma­chen und spürbare Mehrwerte zu schaffen.

Wie in der Studie betont wird, blieb die Chance, den beiden zentralen Akteursgruppen im Gesundheits­system – Patienten und Gesundheitsberufe – den Mehrwert der Digitalisierung zu verdeutlichen und sie so für die anstehenden Schritte zu gewinnen, lange ungenutzt.

Besonderen Handlungsbedarf sehen die Autoren auch beim Ausbau einer leistungsfähigen Internet-In­frastruktur. Auch die Entwicklung einer E-Health-Strategie, eine bessere Vernetzung im Gesundheitssys­tem sowie eine deutliche Verbesserung der IT-Sicherheit in Gesundheitseinrichtungen könnten die Digi­talisierung beschleunigen. „Aber auch die Aufklärung der Bevölkerung und die Verbesserung der digi­talen Kompetenzen der Gesundheitsberufe sollte eine absolute Priorität zukommen.“ © kna/aha/aerzteblatt.de

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