Medizin
COVID-19: Ursachensuche für schlechte ECMO-Ergebnisse in Deutschland
Dienstag, 15. März 2022
Frankfurt am Main – Eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), die den Gasaustausch der Lungen zeitweise übernehmen kann, hat in Deutschland bisher weniger COVID-19-Patienten mit akutem Lungenversagen das Leben gerettet als erwartet.
Die Zahlen zur Klinikmortalität waren höher als in anderen vergleichbaren Ländern. Intensivmediziner suchen im European Journal of Anaesthesiology (2022; DOI: 10.1097/EJA.0000000000001670) nach Erklärungen.
Mit der ECMO übernimmt eine Maschine die Aufgabe der Lungen. Das Blut wird in der Regel aus einer großen Vene entnommen und nach der Oxygenierung wieder in eine Vene oder eine Arterie geleitet.
Die Technik kann die Lungenfunktion über eine gewisse Zeit ersetzen, idealerweise bis zur Erholung der Lungen. Die Indikation für die ECMO ist ein akutes Lungenversagen (ARDS). Patienten mit einem chronischen Lungenversagen kann die ECMO nicht retten. In diesem Fall ist eine Lungentransplantation notwendig.
Da es bei COVID-19 auch zur Schädigung anderer Organe kommt und die Lungen permanent geschädigt werden können, bietet die ECMO keine Überlebensgarantie. Hinzu kommt, dass die ECMO nicht ohne Risiken ist, die sich beispielsweise aus der Notwendigkeit einer Antikoagulation ergeben.
Schon die ersten Erfahrungen des internationalen ELSO-Registers („Extracorporeal Life Support Organization“) zeigten, dass die Sterberate mit 37,4 % hoch war (Lancet 2020; 396; 1071-1078). Sie stieg im Verlauf der Pandemie sogar auf mehr als 50 % an. An Kliniken, die erst spät mit den ECMO-Behandlungen begonnen hatten, betrug sie im ELSO-Register sogar 58,9 % (Lancet 2021; 398: 1230-1238).
Ein Grund könnte paradoxerweise in der besseren Versorgung der Kliniken liegen. Wenn keine Triage erforderlich ist, können auch Patienten behandelt werden, bei denen aufgrund eines hohen Alters oder von Begleiterkrankungen die Erfolgschancen der ECMO geringer sind.
Dies könnte auch ein Grund für die überraschend schlechten Ergebnisse sein, die in Deutschland mit ECMO-Behandlungen erzielt wurden. Die Zahlen waren bereits im Dezember in die Medien durchgesickert.
Im Februar stellte ein Team um Kai Zacharowski, Leiter der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Uniklinikum in Frankfurt am Main, die detaillierten Ergebnisse vor. Sie basieren auf einer Auswertung der Abrechnungsdaten, die die Kliniken dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) gemeldet haben.
Bis zum 30. September war in Deutschland bei 4.279 COVID-19-Patienten eine ECMO durchgeführt worden. Von den 3.875 Patienten mit veno-venöser ECMO sind 2.552 (65,9 %) in der Klinik gestorben. Von den 404 Patienten mit veno-arterieller ECMO sind 291 (72 %) gestorben. Die Sterberate lag damit deutlich höher als im ELSO-Register.
Ein Grund könnte laut Zacharowski das höhere Alter der Patienten sein. Die Sterberate steigt mit dem Alter deutlich an. Bei der veno-venösen ECMO lag sie bei Patienten unter 54 Jahren bei 52,9 %, im Alter über 60 Jahre stieg sie auf 77,6 % an. In Deutschland waren 1.682 Patienten (43,4 %) mit veno-venöser ECMO über 60 Jahre.
Das hohe Alter war Folge der guten Versorgungslage. Da genügend Geräte vorhanden waren, wurden sie häufig ohne Altersbegrenzung eingesetzt. Wegen der hohen Sterblichkeit ist dies nach Ansicht von Zacharowski nicht zu vertreten. Ein höheres Alter sollte eine relative Kontraindikation für eine ECMO sein.
Ein zweiter Grund könnte darin bestehen, dass viele Patienten neben dem ARDS noch weitere Organschäden hatten. Ein Hinweis ist der hohe Anteil der Patienten, bei denen es zu einem Kreislaufstillstand kam. Die begrenzten Angaben in der InEK-Datenbank erlauben jedoch keine weitere Ursachenforschung.
Ungewöhnlich hoch war auch der Anteil der Patienten, bei denen es zu intrazerebralen Blutungen kam, die in der Regel auf die Antikoagulation zurückzuführen sind. Hirnblutungen sind eine bekannte Komplikation der ECMO. Die Gefahr steige bei COVID-19 wegen der bekannten Auswirkungen der Erkrankung auf die Blutgerinnung, schreibt Zacharowski. Auch dafür ermöglichten die InEK-Daten keine nähere Analyse.
Die geringe Erfahrung, die viele Kliniken mit der ECMO-Behandlung haben, könnte mit für die hohe Komplikationsrate verantwortlich sein. Die ELSO fordert ein Minimum von 20 ECMO-Behandlungen pro Jahr.
In Deutschland waren es im Jahr 2018 nur 4 pro Jahr gewesen. Aber auch hier lassen die InEK-Daten keine Einzelfallprüfung zu. Die Kritik des Anästhesisten richtet sich deshalb an die Gesetzgeber. Daten für eine wissenschaftliche Auswertung müssten zu einem früheren Zeitpunkt zur Verfügung gestellt werden. © rme/aerzteblatt.de

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