Medizin
USA: Verzicht auf PSA-Screening erhöhte Zahl der metastasierten Prostatakarzinome
Mittwoch, 16. März 2022
Los Angeles – In den USA ist es in den letzten Jahren zu einem deutlichen Anstieg der metastasierten Prostatakarzinome gekommen, was Urologen in JAMA Network Open (2022; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.2246) auf den Rückgang der Früherkennung zurückführen. Es könnte sich um einen zwischenzeitigen Anstieg handeln, da das PSA-Screening inzwischen wenn auch in abgeschwächter Form empfohlen wird.
Nach der Einführung des PSA-Screenings in den 1990er Jahren war es in den USA zu einem deutlichen Anstieg der Diagnosen eines Prostatakarzinoms gekommen. Die Tumore wurden in einem frühen Stadium diagnostiziert, in dem eine Heilung möglich ist. Die Behandlung, die in einer radikalen Prostatektomie besteht, hat jedoch gravierende Folgen für die betroffenen Männer, die nach der Operation häufig impotent und manchmal auch inkontinent werden. Hinzu kam, dass bereits die Abklärung eines erhöhten PSA-Werts, die eine Stanzbiopsie erfordert, mit starken Schmerzen und manchmal mit einer Infektion verbunden ist.
Da die Zahl der metastasierten Karzinome und der Todesfälle anfangs nicht zurückging, geriet das PSA-Screening in die Kritik. Das PSA-Screening hatte zu einer Überdiagnose und Übertherapie geführt. Weil der Krebs sehr langsam wächst, ging für viele Männer durch Diagnose und Operation ein Teil ihrer Lebensqualität verloren, ohne dass sie dafür durch eine höhere Lebenserwartung belohnt wurden. Vor allem ältere Männer starben häufig an anderen Erkrankungen, bevor sie das Endstadium des Prostatakarzinoms erreichten.
Die „United States Preventive Services Task Force“ (USPSTF), die in den USA Empfehlungen zur Früherkennung abgibt, sprach sich deshalb im Jahr 2008 gegen ein Screening von Männern ab 75 Jahren (Grad D) aus. Auch bei jüngeren Männern würden die Beweise nicht ausreichen, um grundsätzlich zum PSA-Screeing zu raten (Grad I), hieß es in den Annals of Internal Medicine (2008; DOI: 10.7326/0003-4819-149-3-200808050-00008). In den Folgejahren kam es zu einem Rückgang der Diagnosen vor allem bei älteren Männern.
Im Herbst 2011 sprach sich die USPSTF in einem Empfehlungsentwurf sogar gegen ein PSA-Screening in allen Altersgruppen aus (Grad D). Noch bevor die Empfehlung im darauffolgenden Jahr in den Annals of Internal Medicine (2012; DOI: 10.7326/0003-4819-157-2-201207170-00459) veröffentlicht wurde, kam es zu einem deutlichen Rückgang der Diagnosen. Eine Studie schätzte später, dass 2012 in den USA 33.519 weniger Prostatakarzinome diagnostiziert wurden als im Jahr zuvor (JAMA, 2015; DOI: 10.1001/jama.2015.14905).
Der erwünschte Rückgang der Überdiagnosen und Übertherapien hatte jedoch eine Schattenseite, auf die jetzt ein Team um Mihir Desai von der Keck School of Medicine in Los Angeles hinweist. Die Forscher haben die Daten des Krebsregisters SEER („Surveillance, Epidemiology, and End Results“) ausgewertet und festgestellt, dass die Zahl der metastasierten Erkrankungen wieder angestiegen ist.
Der Wendepunkt fällt in etwa mit den USPSTF-Empfehlungen zusammen: In der Altersgruppe der 45- bis 74-Jährigen war die Häufigkeit der metastasierten Prostatakarzinome im Zeitraum 2004-2010 stabil und stieg dann im Zeitraum 2010-2018 um 41 % an. Bei Männern ab 75 Jahren ging die Inzidenzrate zwischen 2004 und 2011 zurück und stieg dann von 2011 bis 2018 um 43 % an. Es könnte deshalb sein, dass der Verzicht auf das Screening ab dem Jahr 2008 dazu geführt hat, dass viele Prostatakarzinome unerkannt blieben, bis sie einige Jahre später in einem Stadium entdeckt wurden, in dem es für eine Heilung zu spät ist.
Die Trends könnten sich in den nächsten Jahren wieder umkehren, schreibt Richard Hoffman vom Carver College of Medicine in Iowa City im Editorial. Denn im Jahr 2018 hat die USPSTF ihre früheren Einwände gegen das Screening zurückgenommen. Die im Amerikanischen Ärzteblatt (JAMA, 2018; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.2174) veröffentlichten Empfehlungen sprechen sich mit einem Grad C für ein personalisiertes PSA-Screening von Männern im Alter von 55 bis 69 Jahren aus. Grund für den Meinungswechsel waren neuere Studienergebnisse, die gezeigt hatten, dass das PSA-Screening zu einem Rückgang der Sterblichkeit führen kann.
In der Zwischenzeit ist die Diagnose weniger schmerzhaft und die Therapie weniger einschneidend geworden. Durch die multiparametrische Magnetresonanztomografie kann die Zahl der Biopsien gesenkt werden. In der Therapie hat sich in den letzten Jahren eine abwartende Haltung durchgesetzt, bei der das Tumorwachstum zunächst beobachtet wird, um erst bei einem Anstieg des PSA-Werts zu operieren. Ob und wie sich diese Strategie auf die Zahl der metastasierten Krebserkrankungen auswirkt, wird sich allerdings erst in einigen Jahren zeigen. © rme/aerzteblatt.de

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