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Medizin

Zero-COVID-Strategie versagt: Hongkong meldet weltweit höchste Todesrate

Montag, 21. März 2022

/picture alliance, Kin Cheung

Hongkong – In Hongkong, lange ein Vorbild für die erfolgreiche Eindämmung der Coronapandemie, ist es zu einem drastischen Anstieg der Infektionszahlen gekommen. Bezogen auf die Einwohnerzahl weise die chinesische Sonderverwaltungszone mittlerweile die höchste COVID-19-Todesrate weltweit auf, heißt es in einem Artikel im British Medical Journal (BMJ) (DOI: 10.1136/bmj.o707).

Epidemiologen gehen davon aus, dass die bisher in Hongkong verfolgte Zero-COVID-Strategie bei der ansteckenderen Omikron-Variante nicht mehr funktioniert. Hinzu komme, dass die geringe Impfrate in der Hongkonger Bevölkerung zur Virusausbreitung und den hohen Todeszahlen beitrage.

Die COVID-19-Todesrate beträgt mittlerweile über 25 Todesfälle pro 100.000 Einwohnern – das ist noch höher als vergangenen Dezember im Vereinigten Königreich, als dort die Omikron-Variante das 1. Mal auftauchte, heißt es in dem Artikel im BMJ. Insgesamt zählt Hongkong seit Pandemiebeginn 3.500 CO­VID-19-Todesfälle, die meisten davon in den vergangenen beiden Wochen.

Todesraten wie vor den Impfstoffen

In der größtenteils ungeimpften älteren Bevölkerung Hongkongs entsprächen die Todesraten sogar dem, was in der ersten Coronawelle im Vereinigten Königreich zu beobachten gewesen sei, als es noch gar keine Impfstoffe gegeben habe, wird der klinische Virologe Julian Tang von der University of Leicester zitiert.

„In der frühen Phase der Pandemie funktionierte die erzwungene Isolation [von Infizierten] in Hongkong sehr gut, das war bevor es zu einer ausgedehnten Verbreitung des Virus in der Bevölkerung kam – doch jetzt, unter der weiterhin verfolgten Zero-COVID-Strategie, ist es unmöglich, das für alle neuen Fälle zu schaffen“, ergänzte er.

Lockerung der Quarantänevorschriften

Bislang mussten sich die Einwohner Hongkongs bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 zur Quarantäne in ein Krankenhaus begeben und Kontaktpersonen mussten sich in speziellen Einrichtungen isolieren. Ange­sichts der nach oben schießenden Infektionszahlen wurden die Kriterien für die Entlassung aus der Krankenhausquarantäne gelockert. Die Quarantäne ist jetzt kürzer und die Kontaktpersonen können sich auch zuhause isolieren.

Auffrischungsimpfungen mit mRNA-Vakzinen könnten die Infektionsraten senken, so Tang. Aber viele Hongkonger haben noch nicht einmal die Grundimmunisierung gegen COVID-19. Mehr als 90 % der Hongkonger, die momentan an COVID-19 sterben, waren nicht vollständig geimpft.

Wenig Vertrauen in Impfstoffe aus China

Die meisten Impfstoffe, die in Hongkong zur Anwendung kommen, werden in China hergestellt. Für einige von ihnen, zum Beispiel Coronavac, ist gezeigt worden, dass sie weniger effektiv vor Infektionen und schweren Erkrankungen schützen als mRNA-Impfstoffe.

In Hongkong ist die Akzeptanz der Coronaimpfstoffe nicht sehr hoch: Der BMJ-Artikel zitiert lokale Exper­t­en, die dafür das mangelnde Vertrauen in die chinesischen Behörden und Impfstoffe verantwort­lich machen. Als Sonderverwaltungszone ist Hongkong teilautonom von China, dennoch hat die Regie­rung in Peking die Freiheiten der Hongkonger in den letzten Jahren zunehmend eingeschränkt – mit einem daraus resultierenden Vertrauensverlust.

Aber nicht nur die in China produzierten COVID-19-Impfstoffe haben in Hongkong mit Akzeptanzpro­blemen zu kämpfen, auch über die aus dem Westen stammenden mRNA-Vakzine kursieren zahlreiche Falschinformationen, was die Situation noch verschlimmert.

Große Impflücke auch bei den Älteren

Etwa 40 % der Einwohner von Hongkong sind nicht vollständig geimpft, und mehr als die Hälfte der Über-70-Jährigen haben noch keine einzige Impfung gegen COVID-19 erhalten. Und auch in der am stärksten gefährdeten Gruppe der Über-80-Jährigen sieht es nicht besser aus: 56 % haben bisher eine Impfdosis erhalten, 37 % auch eine 2. Dosis und nur 2 % eine 3. Dosis.

Hongkongs Regierung hat jetzt mehr medizinische Ressourcen versprochen, um speziell die Durchimp­fung der älteren Bevölkerung voranzutreiben. Noch in diesem Monat ist außerdem eine Massentestung geplant. Das geschehe auch auf Druck aus Peking, denn die Krise in Hongkong beschränke sich längst nicht mehr auf die 7,4-Millionen-Einwohner-Stadt, heißt es im BMJ.

Auch in China droht Eliminationsstrategie zu versagen

Auch in China steigen die Infektionszahlen: Am 14. März verzeichnete das Land mit einer Verdoppelung der Neuinfektionen den höchsten Anstieg an Coronafällen an einem Tag seit Pandemiebeginn.

Zwar sind die Infektionsraten mit 2,35 Infektionen pro Million Einwohner noch relativ niedrig, aber die strengen Maßnahmen, die die Ausbreitung verlangsamen sollen, wirken bei Omikron nicht.

Es zeichnet sich zunehmend ab, dass eine Strategie, die auf die vollständige Elimination von SARS-CoV-2 abzielt, auch in China nicht länger haltbar sein wird. Momentan leben in China bereits 80 Millionen Menschen in einem erneuten Lockdown. © nec/aerzteblatt.de

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