Medizin
Hydrocortison kann bronchopulmonale Dysplasie bei extremen Frühgeburten nicht verhindern
Freitag, 25. März 2022
Albuquerque/New Mexico – Eine Behandlung mit Hydrocortison hat in einer randomisierten Studie bei extremen Frühgeborenen zwar die Dauer der maschinellen Beatmung verkürzt. Todesfälle und Lungenschäden, die durch die maschinelle Beatmung und die Sauerstoffgabe hervorgerufen werden, konnten nach den jetzt im New England Journal of Medicine (NEJM, 2022; DOI: 10.1056/NEJMoa2114897) publizierten Ergebnissen nicht verhindert werden.
Trotz des Einsatzes antenataler Steroide, die die Lungenreifung fördern, und der Gabe von Surfactant, das nach der Geburt die Entfaltung der Lungenbläschen erleichtert, müssen viele extreme Frühgeborene nach der Geburt maschinell beatmet werden. Die Behandlung führt bei vielen Frühgeborenen zu einer Schädigung der Lungen, die als bronchopulmonale Dysplasie bezeichnet wird. Betroffen sind vor allem Kinder, die vor der 30. Woche geboren werden. Da neben der Unreife der Lunge (alveoläre Hypoplasie und dysmorphe Lungengefäße) auch entzündliche Prozesse eine Rolle spielen, wird seit langem versucht, die Beatmungszeiten der Kinder durch die Gabe von Steroiden zu verkürzen.
In den 1990er Jahren kam häufig Dexamethason zum Einsatz, bis sich herausstellte, dass das starke Glukokortikoid zu neurologischen und kognitiven Entwicklungsstörungen führen kann (NEJM, 2004; DOI: 10.1056/NEJMoa032089). Auch die Behandlung mit dem inhalativen Steroid Budesonid hat sich in einer randomisierten Studie als zu riskant erwiesen: Es kam zu einem Anstieg der Todesfälle (NEJM, 2015; DOI: 10.1056/nejmoa1501917).
Derzeit wird die prophylaktische Gabe von Hydrocortison diskutiert, das sich in tierexperimentellen Studien als schonender erwiesen hat als Dexamethason. Das US-National Institute of Child Health and Human Development (NICHD) hat die Behandlung seit 2011 in einer größeren randomisierten Studie untersucht, an der in 19 Zentren insgesamt 800 Frühgeborene teilnahmen, die nach einer durchschnittlichen Schwangerschaftsdauer von 24,9 Wochen mit einem mittleren Gewicht von 715 Gramm geboren wurden und seit mindestens 7 Tagen maschinell beatmet wurden.
Die Hälfte der Kinder wurde mit Hydrocortison behandelt mit einer Anfangsdosis von 4 mg pro Kilogramm pro Tag und einer nachfolgenden langsamen Dosisreduktion über einen Zeitraum von 10 Tagen. Die andere Hälfte wurde mit Placebos behandelt. Die Medikamente wurden intravenös verabreicht oder oral, wenn kein intravenöser Zugang vorhanden war.
Dass die Steroide wirksam waren, zeigte sich darin, dass 44,7 % der Neugeborenen vor dem Ende der Hydrocortisonbehandlung extubiert werden konnten. In der Placebogruppe war dies im gleichen Zeitraum nur bei 33,6 % der Neugeborenen möglich. Die Rate Ratio von 1,54 war nach den Berechnungen von Kristi Watterberg von der University of New Mexico in Albuquerque und Mitarbeitern mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,23 bis 1,93 signifikant. Die Kinder konnten nach der Hydrocortisonbehandlung im Durchschnitt 3 Tage früher extubiert werden. Es gab allerdings keine signifikanten Unterschiede in der Dauer der Sauerstoffzufuhr oder der Dauer des Krankenhausaufenthalts.
Nach 36 Wochen war es in der Hydrocortisongruppe bei 66 von 398 Säuglingen (16,6 %) zum Tod oder zu einer mittelschweren oder schweren bronchopulmonalen Dysplasie gekommen gegenüber 53 von 402 Patienten (13,2 %) in der Placebogruppe. Die adjustierte Rate Ratio von 1,27 verfehlte jedoch mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,93 bis 1,74 das Signifikanzniveau.
Hinzu kam, dass der tendenzielle Vorteil der Hydrocortisongabe bei einer Kontrolle nach 22 bis 24 Monaten, bei der 91,0 % der Kinder nachuntersucht werden konnten, nicht mehr erkennbar war. In der Hydrocortisongruppe waren noch 132 von 358 Säuglingen (36,9 %) am Leben und ohne mittelschwere oder schwere bronchopulmonale Dysplasie. In der Placebogruppe waren es 134 von 359 Kindern (37,3 %). Die adjustierte Rate Ratio betrug 0,98 (0,81 bis 1,18).
Gegen den unkritischen Einsatz von Hydrocortison spricht laut Watterberg, dass 4,3 % der Kinder gegenüber 1,0 % in der Placebogruppe wegen eines Blutdruckanstiegs medikamentös behandelt werden mussten. Hinweise auf neurologische Entwicklungsstörungen wurden in den ersten beiden Jahren nach der Behandlung jedoch nicht gefunden.
Zu den Einschränkungen der Studie gehört, dass nur 35 % der geeigneten Patienten in die Studie aufgenommen wurden, und dass sich in den ersten 36 Wochen die Ärzte bei fast 40 % der Kinder doch für die zusätzliche Gabe von Dexamethason entschieden. © rme/aerzteblatt.de
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