Medizin
SARS-CoV-2 und Influenza: Kombinierte Infektion führt zu schwereren Verläufen
Montag, 28. März 2022
Edinburgh – Patienten, die gleichzeitig mit SARS-CoV-2 und Influenzaviren infiziert waren, mussten in einer prospektiven Beobachtungsstudie aus Großbritannien mehr als 4 Mal so häufig maschinell beatmet werden wie bei einer Monoinfektion mit SARS-CoV-2. Das Sterberisiko war nach den jetzt im Lancet (2022; DOI: 10.1016/S0140-6736(22)00383-X) publizierten Daten mehr als doppelt so hoch.
Soziale Distanzierung, Selbstisolation und das Tragen von Gesichtsbedeckungen haben nicht nur die Übertragung von SARS-CoV-2 begrenzt. In den letzten beiden Jahren sind auch die Grippewellen weitgehend ausgefallen.
Bei anderen Atemwegsinfektionen wie dem respiratorischen Synzytial (RS)-Virus ist es im vergangenen Jahr zu einer Verschiebung der saisonalen Gipfel gekommen. Mit dem sich abzeichnenden Ende der nicht pharmazeutischen Interventionen werden auch andere Atemwegserkrankungen häufiger werden.
Damit steigt das Risiko von Doppelinfektionen. Da SARS-CoV-2, RS-Viren und auch die Adenoviren dieselben Zellen infizieren, rechnen Experten für diesen Fall mit einer Zunahme von schweren Erkrankungen bei Doppelinfektionen.
Ein Team um Kenneth Baillie von der Universität Edinburgh hat zu dieser Frage die Daten des „International Severe Acute Respiratory and Emerging Infection Consortium“ (ISARIC4C) ausgewertet, an dem sich in Großbritannien mehr als 300 Kliniken beteiligen.
Von den 212.466 Patienten, die dort bis zum 8. Dezember 2021 wegen COVID-19 behandelt wurden, waren 227 Patienten gleichzeitig mit Grippeviren infiziert. Die Doppelinfektionen nahmen häufiger einen schweren Verlauf.
Baillie ermittelt in einer adjustierten Analyse, die Unterschiede in Alter, Geschlecht, Komorbiditäten und anderen möglichen Einflussfaktoren berücksichtigt, eine Odds Ratio von 4,14 auf die Notwendigkeit einer maschinellen Beatmung, die allerdings mit einem weiten 95-%-Konfidenzintervall von 2,00 bis 8,49 erst eine ungefähre Einschätzung des Risikos erlaubt.
Auch tödliche Verläufe traten bei einer adjustierten Odds Ratio von 2,35 (1,07-5,12) signifikant häufiger auf. Für Koninfektionen mit dem RS-Virus und Adenoviren war kein schwererer Verlauf erkennbar.
Baillie rät der Bevölkerung dringend, das Angebot einer Grippeimpfung anzunehmen. Bei einem Verzicht auf die nicht-pharmazeutischen Maßnahmen sei mit einer Zunahme der Doppelinfektionen zu rechnen, wenn nicht in diesem Winter, so doch im nächsten Jahr.
In Deutschland hat die Grippewelle (nach Definition der AGI) auf Bevölkerungsebene bisher nicht begonnen. Die meisten akuten respiratorischen Erkrankungen werden nach wie vor von SARS-CoV-2 ausgelöst.
Der Anteil der Influenzaviren liegt laut dem letztem Wochenbericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza in Deutschland bei 8 %. In benachbarten Ländern lagen die Influenza-Positivrate deutlich höher, so in den Niederlanden (85 %), Frankreich (57 %) und Luxemburg (44 %). © rme/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema



Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.