Medizin
COVID-19: Warum Allergiker seltener schwer erkranken
Freitag, 1. April 2022
Chapel Hill/North Carolina – Untersuchungen an Kulturen des menschlichen Epithels der Atemwege zeigen, warum sich SARS-CoV-2 innerhalb kurzer Zeit explosiv vermehren kann und lokale Gegenmaßnahmen wie die Bildung von Muzinen in den Becherzellen überfordert. Das Zytokin Interleukin 13, das bei Asthma-Erkrankungen von T-Helfer-Zellen gebildet wird, war nach den in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS 2022; DOI 10.1073/pnas.2119680119) vorgestellten Ergebnissen in der Lage, die Replikation der Viren zu vermindern.
Die Untersuchung von Zellkulturen erlaubt nur eingeschränkte Einblicke in das Infektionsgeschehen, da die Reaktion des Immunsystems ausgespart bleibt. Dennoch liefern die Aufnahmen, die ein Team um Camille Ehre vom Marsico Lung Institute in Chapel Hill/North Carolina mit einem Transmissionselektronenmikroskop gemacht hat, neue Einblicke in das Infektionsgeschehen.
Die Zellkulturen, die von Organspendern stammten, wurden rasch von SARS-CoV-2 befallen, wobei die Becherzellen, die die Muzine bilden, ausgespart blieben. Dies wäre eigentlich für den Infizierten von Vorteil, weil die vermehrte Muzin- sprich Schleimproduktion ein Abwehrmechanismus des Körpers ist. Die Muzine binden die Viren und verhindern, dass weitere Zellen infiziert werden. Dieser Abwehrmechanismus war auch in den Zellkulturen zu erkennen. Doch die Muzin-Speicher der Becherzellen waren nach 2 bis 3 Tagen leer.
In dieser Zeit hatten sich die Viren explosionsartig vermehrt. Auf den elektronenmikroskopischen Aufnahmen ist zu erkennen, wie sich die Viren an die Zellen haften, wie die Zellen durch die Infektion anschwellen und wie die Viren schließlich von den Zellen freigesetzt werden. Dieser Prozess war nach 24 Stunden abgeschlossen, was die kurze Inkubationszeit der Erkrankung von wenigen Tagen erklärt.
Die Viren werden nicht einzeln von den Zellen freigesetzt, sondern in größeren Vakuolen. Ehre vermutet, dass sie auch mit diesen Vakuolen ausgehustet werden. Wenn die Infizierten eine Maske tragen, würden sie vermutlich im Vlies hängen bleiben. Dies könnte die gute Schutzwirkung der Masken erklären, trotzdem sie einzelne Viren vermutlich nicht zurückhalten können.
Dann haben die Forscher untersucht, warum die Infektion bei Asthma-Patienten oft milde verläuft, während Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) schwer erkranken. Der Unterschied könnte in der Art der Entzündungsreaktion liegen. Bei Asthmatikern kommt es zu einer allergischen Th2-Reaktion, bei der die T-Helferzellen (Th) vermehrt Interleukin 13 freisetzen. Bei Patienten mit COPD liegt eine nicht-allergische Th1-Reaktion vor.
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Die Forscher haben deshalb untersucht, welchen Einfluss Interleukin 13 auf die Infektion der Zellkulturen hat. Sie beobachteten, dass deutlich weniger Viren produziert wurden und die Epithelzellen intakt blieben. Teilweise könnte dies an der vermehrten Produktion von Muzinen liegen, deren Produktion durch die Becherzellen gesteigert wurde. Zum anderen könnte die Produktion der Glykokalyx erhöht werden. Es handelt sich um eine Schicht aus Kohlenhydraten, die die Zelloberfläche der Zellen bedeckt und dadurch den Eintritt von Viren erschwert. Dieser Schutz könnte für die Epithelzellen der Atemwege besonders wichtig sein, da die Zelloberfläche durch die zahlreichen Zilien stark vergrößert ist.
Die Aufgabe der Zilien ist der Abtransport des Schleims in Richtung Rachen. Sie sind deshalb an der Reinigung der Atemwege und am Abtransport der im Schleim „gefangenen“ Viren beteiligt. Nicht in dieses Bild passt, dass Interleukin 13 die Zilienfunktion zu schwächen scheint.
Dabei ist zu bedenken, dass eine allergische Reaktion keine normale Abwehrreaktion des Körpers ist, die dem Erhalt der Gesundheit dient. Es ist vielmehr ein pathologisches Geschehen, das bei Asthmakranken die Atemwege auf Dauer schädigt. Aus diesem Grund kommt Interleukin 13 auch nicht als Medikament gegen COVID-19 infrage. © rme/aerzteblatt.de

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