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Medizin

Mehr jugendliche Drogentote während der Coronapandemie in den USA

Donnerstag, 14. April 2022

krisana stock.adobe.com drogen tot

Los Angeles – Die Zahl der jugendlichen Drogentoten in den USA hat sich im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. In der Gesamtbevölkerung stieg sie hingegen deutlich weniger. Ursache dafür könnte der Konsum von Fentanyl sein, vermuten die Autoren einer im JAMA veröffentlichten Studie (2022; DOI: 10.1001/jama.2022.2847).

Im Jahr 2020 ist die Zahl der drogeninduzierten Sterbefälle bei Jugendlichen in den USA im Vergleich zu 2019 um mehr als 90 % angestiegen (2019: n=492, 2,36/100.000; 2020 n=954, 4,57/100.000). Der Anstieg der Gesamtdrogentoten lag dagegen bei 27,86 % (2019 21,51/100.000; 2020 27,86/100.000).

In den Jahren zuvor sind die Zahlen unter den Jugendlichen stabil geblieben (2010: n=518; 2,4/100.000), während sich bei der gesamten Bevölkerung ein eher kontanter Anstieg beobachten ließ (2010 21,51/100.000). Gleichzeitig blieb der Missbrauch illegaler oder medikamentöser Substanzen in den Jahren zwischen 2010 und 2020 relativ stabil.

Die durch Fentanyl hervorgerufenen Todesfälle haben sich dabei im Jahr 2020 mehr als verdoppelt. 2019 war Fentanyl bei 1,21/100.000 der Jugendlichen ursächlich für den Tod, während die Inzidenz 2020 bereits bei 3,26 lag. Anfang 2021 stieg die Inzidenz weiter auf 5,49. Fentanyl machte somit im vergan­genen Jahr 77,14 % der Fälle bei Jugendlichen aus, die durch Überdosierung verstorben sind.

Fentanyl ist ein hochpotentes Opioid. Es wird neben der Therapie starker Schmerzen auch in der Anästhesie eingesetzt. Seit einigen Jahren nimmt der Missbrauch von Fentanyl zu. Der Wirkstoff wird zu diesem Zweck teils aus transdermalen Pflastern gelöst und intravenös konsumiert.

Die höchste Rate an durch Überdosierung verstorbenen Jugendlichen im Jahr 2021 fanden die Forschenden in der indigenen (n=24; 11,79/100.000) gefolgt von der lateinamerikanischen Bevölkerungsgruppe (n=354, 6,98/100.000).

Die Forschenden ermittelten die Todesursache von Jugendlichen mit Hilfe von Daten des Center for Disease Control und Prevention WONDER (Wide-Ranging Online Data for Epidemiologic Research) zwischen Januar 2010 und Juni 2021 und verglichen diese mit der Gesamtsterblichkeit durch Überdosierung. Für das Jahr 2021 nutzte das Team vorläufige Daten und führte eine proportionale Skalierung durch. Anhand von Umfragen unter Zehntklässlern erfassten die Forschenden respektiv die Daten zum Drogenkonsum.

Anstieg der Drogentoten auch in Deutschland

Auch in Deutschland ist die Gesamtzahl der an illegalen Drogen verstorbenen Menschen im Jahr 2020 um 13 % gestiegen. Die Opiatüberdosierung gehörte, wie auch im Vorjahr, zu der häufigsten durch Rauschmittel verursachten Todesursache.

Insgesamt sind die Zahlen der Opiatüberdosierung jedoch zurückgegangen. Für den Tod durch Fentanyl war ein Rückgang um 16 % zu beobachten (2019: 25 Fälle, 2020: 21 Fälle). Dagegen stieg die Zahl der Todesfälle hervorgerufen durch Kokain oder Crack von 36 auf 48 Fälle.

„Insgesamt haben medizinische Opioide - vor allem das codeinhaltige Getränk "Lean" sowie Tilidin - in den vergangenen Jahren durch Propagierung von Rappern eine gewisse Popularität erlangt“


In Deutschland spiele Fentanyl bei Jugendlichen mit wenigen Ausnahmen keine Rolle, ist Bernd Werse, Soziologe und Mitbegründer des Centre for Drug Research der Universität Frankfurt, überzeugt.

Das Centre for Drug Research befragt jährlich frankfurter Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren zum Thema Konsum. 2020 gaben mehr Befragte an, bereits potenziell psychoaktive Medikamente konsumiert zu haben, als im Vorjahr (11 % 2020 vs. 6 % 2019). Die Forschenden merken zu diesen Zahlen allerdings an, dass sich der Konsum auf verschiedene Substanzen verteile und auch die Stichprobengröße im Jahr 2020 geringer gewesen sei als in den Vorjahren.

„Insgesamt haben medizinische Opioide – vor allem das codeinhaltige Getränk „Lean“ sowie Tilidin – in den vergan­genen Jahren durch Propagierung von Rappern eine gewisse Popularität erlangt,“ erklärte Werse gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ). Das spiegele sich aber quantitativ bei den Jugendlichen kaum wider.

Laut Werse sei die Gefährdungslage durch Opiate im Vergleich zu den USA deutlich günstiger, vor allem wegen der „massiven Werbung“ in den USA. „Dadurch wurde eine riesige Population Opioidabhängiger geschaffen“.

Den Pharmakonzernen Purdue, Johnson & Johnson, Teva, Endo und Allergan wird vorgeworfen, durch gezieltes Marketing und Verharmlosung der Schmerzmittel mitverantwortlich für die Opioidkrise in den USA zu sein. Als Beginn der Opioidkrise in den USA gilt die übermäßige Verschreibung des Schmerzmittels Oxycontin in den 1990er-Jahren. Das Ärzteblatt hat darüber berichtet.

Datenlücke in Deutschland

Zu den Todesfällen speziell unter Jugendlichen hat das Bundeskriminalamt (BKA) keine aktuellen Zahlen: „Aufgrund der Umstellung auf ein neues polizeiliches Datensystem und der geänderten Erfassung beziehungsweise Erhebung rauschgiftbezogener Sachverhalte liegen dem BKA für die Jahre 2018 bis 2020 keine Daten zur Altersstruktur der Rauschgifttoten vor," erläuterte eine Sprecherin der Behörde auf Nachfrage des .

Der Gesundheitsberichterstattung des Bundes ist zu entnehmen, dass im Vergleich zu den 1990er Jahren die Zahl der Drogentoten bei den 14-bis 18-Jährigen in den 2010er Jahren zurückgegangen ist. 1995 starben 13 Jugendliche an Rauschgift, während es 2017 zwei waren. © mim/aerzteblatt.de

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