Medizin
Neuer Ansatz zur Behandlung kindlicher Neuroblastome
Montag, 16. Mai 2022
Heidelberg – Der Entzug von Aminosäuren könnte eine neue Therapieoption bei kindlichen Neuroblastomen sein.
Das berichtet eine Arbeitsgruppe des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), der Universität Heidelberg und des Heidelberger Instituts für Stammzellforschung und experimentelle Medizin (HI.STEM).
Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift Nature Cancer erschienen (DOI: 10.1038/s43018-022-00355-4).
Neuroblastome sind eine bei Kindern relativ häufige Gruppe von Tumoren. Sie bilden sich bereits in der Embryonalentwicklung im unreifen Nervengewebe aus und kommen vor allem in der Nebenniere, der Wirbelsäule, im Halsbereich sowie im Brust-, Bauch- und Beckenraum vor. In einigen Fällen bildet sich der Tumor ohne jegliche Therapie zurück. Bei etwa der Hälfte der Patienten schreitet er jedoch trotz intensiver Therapie voran.
Eine wichtige Stellschraube, die darüber entscheidet, in welche Richtung sich die Erkrankung entwickelt, ist das Krebsgen MYCN. Es stellt die Weichen, ob sich Vorläuferzellen in reife Nervenzellen entwickeln oder zu bösartigen Neuroblastomzellen werden. Neuroblastome mit ungünstigem Verlauf tragen hunderte aktive Kopien des MYCN-Gens in ihrem Erbgut. Die hohe MYCN-Aktivität verändert den Metabolismus der Krebszellen tiefgreifend.
In der vorliegenden Studie hat die Arbeitsgruppe entdeckt, dass Neuroblastomzellen mit hoher MYCN-Aktivität vor allem eines brauchen: die Aminosäure Cystein.
„Der Cysteinhunger von Neuroblastomzellen ist so groß, dass sie gleich 2 Wege nutzen, um sich das Cystein zu beschaffen“, erläutert Sina Kreth, eine der Erstautorinnen der Studie. „Sie nutzen den Import der Aminosäure und kurbeln zusätzlich einen alternativen Syntheseweg an, um Cystein aus der Aminosäure Methionin zu gewinnen“, ergänzt Erstautorin Lena Brückner.
Entzogen die Wissenschaftler ihnen das Cystein, konnten die durch MYCN angetriebenen Tumorzellen giftige Peroxide nicht mehr inaktivieren und starben durch eine besondere Form des Zelltods, die Ferroptose.
Ob dieser Prozess eine mögliche Achillesferse für eine Therapie gegen bösartige Neuroblastome sein könnte, testete das Forscherteam daraufhin in Mäusen: Die Wissenschaftler blockierten die Cysteinaufnahme, die Cysteinsynthese und schalteten zudem ein Schlüsselenzym aus, das normalerweise verhindert, dass sich die Krebszelle durch Peroxide vergiftet. Die Krebszellen leiteten daraufhin ihre eigene Selbstzerstörung durch Ferroptose ein und die Tumore schrumpften.
„Der Ferroptosezelltod wurde erst vor wenigen Jahren entdeckt und die Ergebnisse zeigen nun erstmals nicht nur in Zellkulturen, sondern auch in krebstragenden Mäusen, wie sich dieser Prozess manipulieren lässt, um hochaggressive humane Neuroblastomzellen durch Induktion der Ferroptose abzutöten“, sagte Erstautor Hamed Alborzinia.
Die Ergebnisse liefern auch eine mögliche Erklärung, warum einige Neuroblastome mit moderater MYCN-Aktivität bei Säuglingen und Kleinkindern verschwinden: „Zellen nehmen in den ersten Lebensjahren grundsätzlich weniger Cystein auf. Wenn sie beginnen, sich unkontrolliert zu teilen, gehen ihnen daher bald die Cysteinreserven aus und der ferroptotische Zelltod wird eingeleitet“, erklärt Andres Florez, ebenfalls Erstautor der Studie. © hil/aerzteblatt.de
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