Medizin
Xenotransplantation: Patient war mit Schweinevirus infiziert
Freitag, 6. Mai 2022
Boston – Der 57-jährige Amerikaner, dem im Januar als erstem Menschen ein Schweineherz implantiert wurde, ist vermutlich an einer Infektion mit einem porcinen Cytomegalievirus gestorben. Dies berichtet die Zeitung MIT Technology Review mit Verweis auf ein Webinar der American Society of Transplantation, wo sich der Chirurg zu den möglichen Todesursachen seines Patienten geäußert hatte.
Ein Team um den Thoraxchirurgen Bartley Griffith von der University of Maryland School of Medicine in Baltimore hatte am 7. Januar einem Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz, der nicht für eine konventionelle Herztransplantation infrage kam, ein Schweineherz implantiert. Der Eingriff war mit einer Sondergenehmigung der Zulassungsbehörde FDA erfolgt. Das Herz stammte aus einem Zuchtprogramm der Firma Revivicor, einem Tochterunternehmen von United Therapeutics aus Silver Spring/Maryland. Bei den Schweinen waren 10 genetische Modifikationen vorgenommen worden, die hyperaktive Abstoßungsreaktionen, zu denen es normalerweise nach einer Xenotransplantation kommt, verhindern sollen.
Der Eingriff war technisch erfolgreich. Der Patient erholte sich von der Operation und war bereits nach wenigen Tagen ansprechbar. Auch die immunsuppressive Therapie hat wie geplant verhindert, dass das Immunsystem das für sie fremde Organ attackierte.
Doch nach etwa 40 Tagen verschlechterte sich der Zustand des Patienten. Anfang März ist er dann gestorben, ohne dass die Ärzte zunächst die Todesursache ermitteln konnten. In der Zwischenzeit haben sich die Hinweise verdichtet, dass eine Virusinfektion für den Tod verantwortlich war. Als möglichen Auslöser nannte Griffith ein porcines Cytomegalievirus. Diese Viren sind für Schweine normalerweise nicht gefährlich, solange das Immunsystem funktioniert.
Dieser Schutz fiel nach der Xenotransplantation weg. Das Herz befand sich jetzt in einem Organismus, dessen Immunsystem das porcine Virus nicht kannte und deshalb nicht bekämpfen konnte. Außerdem erhielt der Patient starke Immunsuppressiva, die seine Abwehrkräfte geschwächt haben dürften. In dieser Situation könnten sich die Viren allmählich vom Transplantat ausgehend auf den gesamten Organismus ausgebreitet haben.
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Über ähnliche Erfahrungen hatten Joachim Denner vom Robert-Koch- Institut in Berlin und Mitarbeiter vor einiger Zeit in Scientific Reports (2020; DOI: 10.1038/s41598-020-73150-9) berichtet. Die Forscher führen kardiale Xenotransplantationen an Pavianen durch und erzielten dort bereits gute Ergebnisse mit Überlebenszeiten von bis zu 195 Tagen. Eines der Tiere war jedoch bereits nach 29 Tagen gestorben. Die Autopsie ergab, dass das Tier mit einem porcinen Cytomegalievirus infiziert war. Die Viren wurden nicht nur in den Spenderorganen (Lunge, Milz, Leber) gefunden, sondern auch in vielen Pavianorganen (Milz, Leber, Muskel, Niere, Lunge und Lymphknoten). Das porcine Cytomegalievirus war mit dem Transplantat in den Organismus gelangt und hatte sich dort rasch ausgebreitet.
Zu diesem Szenarium könnte es auch bei dem US-Patienten gekommen sein. Einen ersten Hinweis auf eine Infektion fanden die US-Mediziner in einem Test des Herstellers Karius, der körperfremde DNA in Blutproben aufspürt und damit etwa 1.000 verschiedene Bakterien, DNA-Viren, Pilze, Schimmelpilze und Eukaryoten nachweisen kann. Dieser Test fiel am 20. Tag nach der Operation erstmals positiv aus. Am Tag 43 zeigte der Patient dann erste klinische Zeichen einer Infektion.
Die Mediziner behandelten ihn mit dem Virustatikum Cidofovir, das zur Behandlung einer durch das Cytomegalievirus verursachten Retinitis bei AIDS-Patienten zugelassen ist. Außerdem erhielt er intravenöse Immunglobuline, die seine Abwehrkräfte stärken sollten. Geholfen hat dies nicht. Der Patient starb, nachdem er sich kurzzeitig erholt hatte. Eine Abstoßungsreaktion schließen die Mediziner aus. Eine am Tag 34 durchgeführte Herzmuskelbiopsie sei unauffällig gewesen, berichtete Griffith im Webinar. © rme/aerzteblatt.de
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