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Politik

MRT-Untersuchungen: Nachbesserungsbedarf bei Implantatpässen

Montag, 23. Mai 2022

/crevis, stockadobecom

Berlin – Fehlende Implantatpässe und nicht ausreichende Angaben über medizinische Implan­tate kosten Radiologen in Deutschland immer wieder aufwendige Recherchezeit vor Untersu­chun­gen. Effizienzreserven könnten eine internationale vollständig gepflegte Datenbank oder Angaben zu Betriebsmodi heben.

Seit dem 1. Oktober 2015 müssen Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser und ambulante Zent­­ren, die medizinische Implantate einsetzen, Patienten einen Implantatpass in Papierform aushändigen. Das gilt zum Beispiel für Herzschrittmacher, Herzklappen, nichtresorbierbare Gefäßprothesen und -stützen, Gelenkersatz für Hüfte oder Knie, Wirbelkörperersatzsysteme, Bandscheibenprothesen oder Brustimplantate.

Zu den Angaben, die der Implantatpass enthalten muss, zählen: Vor- und Zuname des Patienten, Name oder Firma des Herstellers, Bezeichnung, Art und Typ sowie Loscode oder die Serien­nummer des Medizinproduktes. Enthalten sein müssen auch das Datum der Implantation, der Name der verantwortlichen Person und der Einrichtung, in der die Im­plantation durchgeführt worden sind.

Ein Grund für die Einführung des Implantatpasses war es damals, die Patientensicherheit zu erhöhen, etwa bei Rück­rufen von Medizinpro­dukten. Auch bei medizinischen Untersuchungen wie der Magnetresonanzto­mographie (MRT) sind die Angaben grundsätzlich hilfreich. Doch bei der Anwendung in der Praxis gibt es Verbesserungspotenzial, wie das Deutsche Ärzteblatt erfuhr.

Ein Problem ist, dass Pa­tienten den Implantatpass bei medizinischen Folgeuntersuchungen, die auch Jahre später not­wen­dig sein können, nicht immer zur Hand haben –, weil er verlegt wurde oder verloren ist. Darüber hinaus sind, selbst wenn ein Implantatpass vorliegt, darin nicht immer alle notwendigen Informationen für Untersuchungen im MRT enthalten.

Nicht eingetragen sind zum Beispiel häufig Angaben, ob Implantate MRT-tauglich sind, ob sie für 1,5 Tesla oder 3 Tesla geeignet sind oder auch, ob es sich um Implantate handelt, die Metallteile enthalten, bei denen man es nicht unbedingt erwarten würde. Dazu können etwa biologische Herzklappen gehören.

Fachgesellschaft sieht Nachbesserungsbedarf

Die Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) hält die geforderten Mindestinformationen in den Implantatpässen für unzureichend und sieht Unsicherheiten vor allem bei MRT-Untersuchun­gen. Die Information erlaubten zwar in der Regel die eindeutige Identifizierung des Medizinpro­dukts, sagte Claas Philip Nähle, Chefarzt für Diagnostische Radiologie mit Schwerpunkt Neuro­radiologie am St. Marien Hospital Lünen, dem Deutschen Ärzteblatt. Schwierigkeiten könnten aber etwa ältere und oder handschriftlich ausge­stellte Implantatpässe darstellen.

Um alle notwendigen Daten zu den Implantaten zu erhalten, bleibt den Radiologen derzeit aufgrund des Flickenteppichs häufig nichts anderes übrig als per Googlesuche die Hersteller ausfindig zu machen und auf den Herstellerseiten nach den pas­sen­den Implantaten und den fehlenden Angaben zu fahnden. Mit MRI-Safety gibt es zwar schon eine Datenbank, die aber nicht vollständig und privat initiiert ist. Das alles kostet Zeit. Radiologen berichteten dem Deutschen Ärzteblatt, dass die Suche von Informationen je nach Implantat auch mal 30 Minuten oder mehr betragen kann.

Nähle bestätigt, dass das Auffinden der Informationen auf der Webseite des jeweiligen Herstellers „sehr zeit­aufwendig sein“ könne. Gerade auch bei älteren Implantaten gelte es hinsichtlich einer möglichen MRT-Kom­patibi­lität besonders kritisch zu sein, um eine Patientengefährdung zu vermeiden. Darüber hinaus unter­lägen die Implantate unterschiedlichen Herstellervorgaben hinsichtlich erlaubter Untersuchungsdauer, einge­strahl­ter Energie oder erlaubter Untersuchungsregion.

Nähle betonte, der derzeitige Zustand führe „im Alltag zu einem kaum erfassbaren Flickenteppich“. „Die Größe kann man sich vielleicht durch folgendes bewusst machen: zum einem konnte gezeigt werden, dass bei 17 Pro­zent aller Patienten mit Herzschrittmachern innerhalb von zwölf Monaten nach der Implantation des Geräts eine MRT indiziert wäre und dass bis zu 75 Prozent der Patienten mit Herzschrittmachern im Laufe ihres Lebens eine MRT-Bildgebung benötigen“, sagte er. Und diese Patientengruppe stelle ja nur einen Teil der Patienten mir Implantaten dar.

Das Problem ist auch in der Politik nicht unbekannt, zumindest bei Fachleuten wie der Grünen-Abgeordneten Paula Piechotta. Die Fachärztin für Radiologie sitzt seit dieser Legislaturperiode im Bundestag – und bestätigt die Probleme mit Implantatpässen in der Praxis.

Auch sie bezeichnet Recherchezeiten von bis zu 30 Minuten bei selte­nen Implantaten als „realistisch“, wenn die Implantate nicht bekannt sind, sie von wenig häufigen Her­stellern stammen oder aber, wenn sie nicht in der Datenbank MRI-Safety online katalogisiert sind.

„Grundsätzlich bedingt die große Heterogenität nicht nur der MRT-relevanten Implantate, sondern auch ihrer Hersteller auch eine große Heterogenität des Zeitaufwandes in der Abklärung der MRT-Fähigkeit“, sagte Pie­chotta dem Deutschen Ärzteblatt.

Die Implantatpässe selbst bewertet sie als „meist grundsätzlich ausreichend“. Das Problem sei in der überwie­genden Anzahl der Fälle, dass entweder kein Implantatpass vorliege oder aber kein MRI-Safety-Sheet des Herstellers auf der Herstellerhomepage aufzufinden sei.

Die Implantatpässe einfach um notwendige Informationen zu erweitern, hält die Grünen-Politikerin nicht für sinnvoll. „Grundsätzlich müssten zu viele Informationen zu verschiedenen MRT-Untersuchungen auf einem Implantatpass enthalten sein, wenn diese vollständig sein sollten“, betonte sie.

Deswegen sei es vor allem wichtig, dass Informationen auf dem Pass zu finden seien, wo die entsprechenden MRT-Safety-Informationen abgerufen werden könnten. „Insbesondere bei Herzschrittmachern sind die Infor­mationen aus meiner Sicht inzwischen so kompliziert, dass diese nicht auf einem analogen Implantatpass dargestellt werden können.“

Piechotta hält eine „einheitliche Datenbank“ für zielführender als eine Erweiterung des Implantatpasses. Für eine solche Datenbank seien „verschiedene Betreiber denkbar, vor allem auf europäischer und internationaler Ebene“. Nationale Ein­zellösungen dürften aus ihrer Sicht – vor allem wegen der Akzeptanz durch Radiologen, Kardiologen und Hersteller – weniger erfolgreich sein.

Die Grünen-Politikerin kann sich auch vorstellen, dass MRI-Safety als bereits existierende englischsprachige Datenbank so gepflegt wird, dass sie tatsächlich alle Implantate mit allen verfügbaren Spezifikationen zu MRT-Untersuchungsmodalitäten enthält.

Nähle ist da skeptischer. Die Seite werde zwar von vielen Kolleginnen und Kollegen benutzt, sie könne sehr hilf­reich sein und trage viele Informationen zusammen. Allerdings sei sie englischsprachig und lehne – aus nach­vollziehbaren Gründen – jede Verantwortung für die Vollständigkeit und/oder Richtigkeit der Informatio­nen ab.

„Daher wäre eine Webseite oder eine App mit Herstellerverpflichtung zur Eingabe und Pflege der Informatio­nen wichtig“, sagte Nähle. Auch ein QR-Code, der heutzutage mit jedem Smartphone lesbar sei und direkt zu den Informationen verlinke, wäre für ihn eine Möglichkeit.

Nähle hält eine freiwillige Selbstverpflichtung für wünschenswert. Aber selbst, wenn mehr Infor­mationen zur erlaubten Untersuchungsdauer, eingestrahlter Energie, erlaubten Untersuchungs­region vorliegen würden, müssten die etablierten MRT-Untersuchungsprotokolle immer noch händisch und mit erheblichem Zeitauf­wand angepasst werden, gibt er zu bedenken.

„Eine Erweiterung der Informationen wäre daher eine Verbesserung der Situation, aber wünschenswert wäre die Freigabe für den normalen MRT-Betriebsmodus“, erklärte Nähle einen anderen Weg. Er erläuterte, die MRT-Scanner könnten in unterschiedlich energieintensiven Betriebsmodi eingesetzt werden, dem „normalen Betriebsmodus“ sowie dem „ersten oder zweiten kontrollierten Betriebsmodus“.

Da viele MRT-Untersuchungen gut im ersten Betriebsmodus erfolgen könnten, wäre eine binäre Angabe „MRT-Untersuchung im normalen Betriebsmodus ohne weitere Einschränkung möglich [ja/nein]“ wünschens­wert, sagte Nähle. Das könne den Flickenteppich auf einen Schlag stark reduzieren – solange die Hersteller dann diese Testung durchführten und Zusicherungen dafür gäben. © may/aerzteblatt.de

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