Ausland
Nordkorea bestätigt ersten Coronaausbruch seit Pandemiebeginn
Donnerstag, 12. Mai 2022
Seoul – Das international isolierte Nordkorea hat den ersten Coronaausbruch seit Beginn der Pandemie vor mehr als zwei Jahren bestätigt. Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA meldete heute, es handele sich um einen „schweren nationalen Notfall“.
Bei Patienten, die am vergangenen Sonntag in der Hauptstadt Pjöngjang an Fieber erkrankt waren, wurde demnach die hochansteckende Omikron-Variante BA.2 nachgewiesen. Machthaber Kim Jong Un ordnete landesweite Lockdowns an. KCNA machte keine Angaben zur Zahl der bestätigten Infektionsfälle. Nordkorea hatte bis heute keinen einzigen Fall von COVID-19 bestätigt.
Das ohnehin abgeschottete kommunistische Land hatte Anfang 2020 seine Grenzen abgeriegelt, um sich vor der Pandemie zu schützen. Nach Einschätzung von Experten würde Nordkoreas Gesundheitssystem mit einem größeren Virusausbruch nur schwer zurechtkommen.
Kim erklärte heute bei einer Dringlichkeitssitzung des Politbüros, es würden „maximale“ Notfallmaßnahmen getroffen, um den Ausbruch einzudämmen. Ziel sei es, die „Wurzel innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen“. Kim rief zu strengen Grenzkontrollen und Lockdownmaßnahmen auf.
KCNA zufolge wies der Machthaber die Behörden in allen Städten und Bezirken des Landes an, „die Ausbreitung des bösartigen Virus vollständig zu verhindern, indem sie ihre Gebiete gründlich abriegeln“. Das gesamte Wirtschaftsleben müsse so organisiert werden, dass jede Produktionseinheit „isoliert“ sei, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern.
Die in Seoul ansässige Fachwebsite NK News berichtete, Gebiete in Pjöngjang seien bereits seit zwei Tagen abgeriegelt und es gebe Berichte über Panikkäufe. Nordkorea ist von Ländern umgeben, die allesamt schwere Omikron-Ausbrüche hatten oder haben.
China kämpft mit harten Lockdowns gegen Ausbrüche in mehreren Provinzen, die Wirtschaftsmetropole Shanghai ist seit Wochen abgeriegelt. In Südkorea hingegen gehen die Infektionszahlen seit März wieder zurück, Seoul hat vor kurzem fast alle Beschränkungen aufgehoben.
„Wenn Pjöngjang öffentlich Omikron-Fälle zugibt, muss die Gesundheitssituation ernst sein“, sagte der Experte Leif-Eric Easley, Professor an der Ewha-Universität in Seoul. „Pjöngjang wird die Lockdownmaßnahmen wahrscheinlich noch verschärfen, obwohl das Scheitern der chinesischen Null-COVID-Strategie darauf hindeutet, dass dieser Ansatz gegen die Omikron-Variante nicht funktionieren wird.“
Nach Einschätzung des Nordkorea-Experten Cheong Seong Chang vom Sejong-Institut wird Pjöngjang versuchen, so drakonische Maßnahmen wie in Shanghai zu vermeiden, wo die Menschen „praktisch in ihren Wohnungen eingesperrt sind“. Doch selbst weniger strenge Maßnahmen würden zu einer „schweren Lebensmittelknappheit und dem gleichen Chaos führen, mit dem China jetzt konfrontiert ist“, sagte er.
Anders als in den Nachbarländern ist von den 25 Millionen Einwohnern Nordkoreas vermutlich kaum jemand gegen das Coronavirus geimpft. Nordkorea hatte Impfstoff-Angebote von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie China und Russland bislang abgelehnt.
Die Annahme von Impfstoffen im Rahmen der globalen Coronaimpfinitiative Covax „erfordert Transparenz darüber, wie die Impfstoffe verteilt werden“, erklärte der Experte Go Myong Hyun vom Asan Institute for Policy Studies. „Deshalb hat Nordkorea es abgelehnt.“
Experten zufolge könnte der Omikron-Ausbruch auch Auswirkungen auf das nordkoreanische Raketen- und Atomprogramm haben. Auf Satellitenbildern waren zuletzt Anzeichen für die Vorbereitung eines neuen Atomwaffentests zu sehen. Die USA äußerten die Vermutung, dass Nordkorea den ersten Atomtest seit 2017 noch im Mai vornehmen könnte.
Doch der Coronaausbruch könnte den Zeitplan nun durcheinanderbringen: Der Atomtest müsse möglicherweise verschoben werden, „um sich auf die Bewältigung des Coronavirus zu konzentrieren“, sagte der Professor an der Universität für Nordkorea-Studien, Yang Moo Jin. Sollte in Nordkorea große Angst vor dem Virus entstehen, könne Kim zur Ablenkung aber auch an dem Test festhalten. © afp/aerzteblatt.de

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