Medizin
Fasten verbessert in klinischer Studie Langzeitschäden der Niere bei Diabetes Typ 2
Mittwoch, 25. Mai 2022
München/Leipzig – Fastentherapien, wie etwa das Intervallfasten, können nicht nur Adipositas und Diabetes Typ 2 vorbeugen. Hungerperioden können auch bestehenden Langzeitschäden des Diabetes entgegenwirken, etwa über eine Verbesserung der Nierenfunktion bei diabetischer Nephropathie. Eine reduzierte Kalorienzufuhr von etwa 3.000 kJ pro Tag für knapp 1 Woche pro Monat könnte dafür schon ausreichen.
Das zeigt eine klinische Studie des Universitätsklinikums Heidelberg und des Helmholtz Diabetes Centers (HDC) München, über die Stephan Herzig, Direktor des HDC auf der Vorabpressekonferenz des Deutschen Diabetes Kongress (DDG) berichtet hat. Die Ergebnisse sollen Anfang Juni veröffentlicht werden. Als Preprint sind sie bereits in medRxiv erschienen (2021; DOI: 10.1101/2021.12.01.21266958).
40 Patienten mit Typ-2-Diabetes (HbA1c 7,8±0,2 %) und einem erhöhtem Albumin-Kreatininverhältnis (ACR) hielten sich 6 Monate lang an 5 aufeinanderfolgenden Tagen an eine Fastendiät (FMD) oder eine mediterrane Diät (Kontrollgruppe). Der nächste Diätzyklus erfolgte etwa 25 Tage später.
Bei FMD handelte es sich um eine pflanzliche Diät: Tag 1 lieferte 4.600 kJ (11 % Protein, 46 % Fett und 43 % Kohlenhydrate), während die Tage 2 bis 5 3.000 kJ (9 % Eiweiß, 44 % Fett und 47 % Kohlenhydrate) pro Tag lieferten.
„Es handelt sich um eine Scheinfastendiät. Das heißt, dass zum Beispiel ein Anstieg von Ketonkörpern imitiert wird, den man sonst nur bei vollständigem Nahrungsentzug oder bei ketogener Diät induziert“, erklärte Herzig. Die mediterrane Diät hatte keine Veränderung der Kalorienzufuhr im Vergleich zur normalen Ernährung der Teilnehmenden.
Kreatininkonzentration im Urin
normal: <30 mg/g Krea
Mikroalbuminurie: 30-300 mg/g
Makroalbuminurie: 300-3000 mg/g
Wurde die FMD von einer intensiven Diabetesbehandlung begleitet, verbesserte sich die Nierenfunktion bei Patienten mit Mikroalbuminurie: Die Kreatininkonzentration im Urin sank bei einer Mikroalbuminurie im Vergleich zur Kontrollgruppe um -30,3 mg/g (95-%-Konfidenzintervall -35,7 bis -24,9mg/g; P≤0,05).
Bei denjenigen mit Makroalbuminurie stiegen die Werte und die Differenz der ACR-Veränderung zwischen der FMD- und der Kontrollgruppe nach 6 Monaten betrug 110,3 mg/g bei allen Patienten. Beide Werte waren jedoch nicht signifikant.
Eine deutliche Verbesserung zeigte sich hingegen beim diagnostischen HOMA-Index (Homeostasis Model Assessment). Er dient der Abschätzung der endogenen Insulinresistenz. Nach 6 Monaten veränderte sich der HOMA-IR-Wert um -3,8 (95-%-KI -5,6, -2,0; P≤0,05) und der suPAR-Wert (Seneszenz) um -156,6pg/ml (95-%-KI -172,9, -140,4pg/ml; P≤0,05).
Bei den Markern der Dicarbonylentgiftung oder der DNA-Schädigung/Reparatur konnte keine Veränderung beobachtet werden. Damit erklären sich die Forschenden den Rückfall der Albuminurie bei der Nachuntersuchung 3 Monate später.
Während Fastenperioden muss der Körper seinen Stoffwechsel umstellen, um Schaden zu vermeiden. Hungerhormone wie Glukagon oder Kortisol werden aktiviert und sorgen dafür, dass der Körper von Zucker- auf Fettverbrennung umstellt. Dieser Fettabbau begünstigt den Aufbau bestimmter Energieträger: Die Leber bildet zudem Ketonkörper, die das Gehirn als Energielieferant nutzt. Bei sehr langem Hungern kommt es auch zum Eiweißabbau, um die Zuckerproduktion in der Leber anzukurbeln.
Am HDC haben Forschende um Herzig zudem Mausexperimente durchgeführt, um den Mechanismus zu verstehen (Cell Metabolism, 2022; DOI: 10.1016/j.cmet.2022.01.004): „Wir haben herausgefunden, dass auch das Immunsystem eine wichtige Rolle spielt, damit Fasten unserem Körper hilft“, erklärte Herzig.
Da die Leber ein zentraler Regulator des Stoffwechsels sei, konzentrierte sich die Forschung auf dieses Organ. „Es zeigte sich, dass der Rezeptor für Kortisol als einem wichtigen Hungerhormon nicht nur – wie lange bekannt – eine kritische Rolle bei der Kontrolle der Ketonkörperproduktion in Leberzellen spielt, sondern gleichzeitig auch in Makrophagen notwendig ist, um eine volle Hungerantwort der Leber zu generieren.“
Hungerperioden aktivieren den Kortisolrezeptor in Makrophagen und sorgen für die Freisetzung bestimmter Botenstoffe, die dann in den benachbarten Leberzellen die für die Ketonkörperproduktion notwendigen Prozesse aktivieren.
Immunzellen sind also in der Lage, die Wirkung des Fastens auf unseren Stoffwechsel direkt zu beeinflussen. Stephan Herzig, Direktor des HDC München
Lange ist bekannt, dass Immunreaktionen als pathogene Mechanismen bei Diabetes und Übergewicht wirken. Die Studie konnte jetzt ein erstes Beispiel liefern, wie Immunreaktionen in einem gesunden Zustand eine gesunde (physiologische) Hungerantwort auszulösen.
Daraus schlussfolgerte Herzig: „Immunzellen sind in der Lage, die Wirkung des Fastens auf unseren Stoffwechsel direkt zu beeinflussen.“
Eine Reihe von präklinischen und klinischen Studien konnte in den vergangenen Jahren zeigen, dass kontrollierte Hungerperioden positive Effekte auf Stoffwechselstörungen im Zusammenhang mit Diabetes oder Adipositas beim Menschen ausüben (Cell Metabolism, 2012; DOI: 10.1016/j.cmet.2012.04.019; Cell Metabolism, 2019; DOI: 10.1016/j.cmet.2019.07.016; Cell Metabolism, 2020; DOI: 10.1016/j.cmet.2019.11.004).
Molekulare „Hungerschalter“ als Ansatz für Therapien
Zudem sind mittlerweile eine Reihe von molekularen Schaltern bekannt, welche die Hungerantwort in einzelnen Organen kontrollieren, zum Beispiel den Fettstoffwechsel oder die Zuckerproduktion der Leber.
„Manipulieren wir diese Schalter entsprechend, ist es möglich, bei Diabetes Typ 2 den Stoffwechsel zu verbessern“, erklärte Herzig. Somit könne freiwilliges Fasten für viele Menschen je nach individueller Verfassung gesundheitsfördernd sein.
Dennoch führe es nicht zwangsläufig immer zu einem Gewichtsabbau, betont der DDG-Experte: „In jedem Fall zeigen sich aber positive Effekte wie eine Blutdrucksenkung und eine Verbesserung der Glukose- und Blutfettwerte.“
Zusammen mit aktuellen Studien, welche die molekularen Unterschiede zwischen verschiedenen Fastenprotokollen untersuchen, werden diese Befunde jetzt genutzt, um Therapien auf der Basis von Fasten zu entwickeln.
Ziel sei es, bestimmte Stoffwechselprozesse zu manipulieren, um damit patientenspezifische Eingriffsmöglichkeiten bei Diabetes und Übergewicht zu erreichen, so Herzig. Erste Ansätze auf Basis von RNA-Therapien seien in der präklinischen Entwicklung (The EMBO Journal, 2015; DOI: 10.15252/embj.201490464). © gie/aerzteblatt.de
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