Medizin
Coronaspürhunde bewähren sich in Real-Life-Studie
Dienstag, 17. Mai 2022
Helsinki – Bereits zu Beginn der Coronapandemie gab es Berichte, dass Spürhunde in der Lage sind, Proben von mit SARS-CoV-2 infizierten Personen zu identifizieren. Jetzt zeigt eine Real-Life-Studie aus Finnland, dass die Hunde auch unter Alltagsbedingungen eines belebten Flughafens infizierte Flugpassagiere erschnüffeln können – mit einer Sensitivität, die an PCR-Tests heranreiche, wie die Autoren in BMJ Global Health berichten (2022; DOI: 10.1136/bmjgh-2021-008024).
Die Forschungsgruppe um Anu Kantele von der Abteilung für Infektionskrankheiten am Universitätsklinikum Helsinki gehen davon aus, dass die Spürhunde zum einen im Frühstadium von Pandemien von Nutzen sein könnten, wenn noch keine anderen Nachweismöglichkeiten zur Verfügung stehen. Darüber hinaus könnten sie aber auch bei der Eindämmung bereits fortgeschrittener Pandemien helfen.
Hunde haben einen extrem hoch entwickelten Geruchssinn. Sie können einen Geruch auch dann noch wahrnehmen, wenn nur noch einziges Geruchsmolekül unter einer Billion anderen Molekülen vorhanden ist. Das ist besser als alle technischen Nachweisverfahren, die zur Verfügung stehen.
Hunde riechen Stoffwechselprodukte, die bei Infektionen entstehen
„Es wird davon ausgegangen, dass die Hunde verschiedene flüchtige organische Verbindungen wahrnehmen, die bei Stoffwechselprozessen im menschlichen Körper freigesetzt werden – auch solche, die bei bakteriellen, viralen und parasitischen Infektionen entstehen“, schreiben Kantele und ihre Kollegen.
Erste Studien hatten bereits 2020 gezeigt, dass Hunde innerhalb von Wochen darauf trainiert werden können, Proben von COVID-19-Patienten zu erschnüffeln. Und dies mit einer Genauigkeit, die der eines Standard-PCR-Tests eines Nasen-Rachen-Abstrichs entspricht.
Eine Bestätigung dieser Laborversuche unter Alltagsbedingungen stand allerdings noch aus. Die finnische Forschungsgruppe begann deshalb im Frühjahr 2020 damit, 4 Hunde darauf zu trainieren, SARS-CoV-2 zu erschnüffeln. Die Hunde hatten zuvor schon als Spürhunde gearbeitet und waren auf die Identifikation von Drogen, gefährlichen Waren oder Krebs trainiert gewesen.
Um in einer Validierungsstudie zu testen, wie gut die Hunde Infektionen mit SARS-CoV-2 aufspüren können, stellten 420 Freiwillige jeweils 4 Hautabstriche zur Verfügung. Die 4 Hunde erschnüffelten korrekt 114 Freiwillige, die bei einem PCR-Test positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Ebenso korrekt schlugen sie bei 306 Freiwilligen, bei denen der PCR-Test negativ ausfiel, nicht an.
Hohe diagnostische Genauigkeit
Insgesamt erreichten die 4 Hunde eine diagnostische Genauigkeit von 92 %. Die Sensitivität lag bei 92 % und die Spezifität bei 91 %.
Die Unterschiede zwischen den Hunden waren gering. Der beste Schnüffler erreichte eine Sensitivität von 93 % und eine Spezifität von 95 %. Beim schlechtesten Schnüffler lag die Sensitivität bei 88 % und die Spezifität bei 90 %.
Identifikation auch bei Symptomfreiheit
Insgesamt 28 der positiven Proben stammten von Personen, die keine Symptome aufwiesen. Eine positive Probe identifizierten die Hunde fälschlicherweise als SARS-CoV-2-negativ, an 2 Proben schnüffelten sie nicht.
„Das heißt, dass 25 der 28 Proben – knapp über 89 % - korrekt als positiv identifiziert wurden. Symptomfreiheit schien die Leistung der Hunde nicht zu beeinflussen“, betonen die Forschenden.
Nach Abschluss der Validierungsstudie wurden die Hunde zum Arbeitseinsatz an den Internationalen Flughafen Helsinki-Vantaa geschickt. Dort schlugen sie von September 2020 bis April 2021 insgesamt bei 303 ankommenden Flugpassagieren an. Jeder dieser Passagiere unterzog sich einem PCR-Test.
In 296 von 303 Fällen (98 %) stimmten die PCR-Tests mit den Ergebnissen der Hunde überein. Die Hunde identifizierten 296 von 300 PCR-negativen Passagieren korrekt als SARS-CoV-2-negativ. Insgesamt 3 PCR-positive Passagiere identifizierten sie als negativ.
Auch Hunde machen mal Fehler – aber selten
Allerdings schauten die Forschenden sich diese 3 positiven PCR-Testresultate daraufhin noch einmal genauer an und stellten fest: Nur 1 davon war wirklich positiv, ein anderes war letztlich doch negativ und das 3. war ein wahrscheinlich postinfektiöses positives PCR-Testresultat
Die 4 Hunde identifizierten außerdem 4 PCR-negative Passagiere fälschlicherweise als positiv. Diese Resultate wurden nach erneuter Überprüfung als tatsächlich negativ eingestuft.
Da die Prävalenz von SARS-CoV-2 unter den Flugpassagieren recht gering war (unter 0,5 %) wurden den Hunden zusätzlich 155 Proben von Personen angereicht, die bei einem PCR-Test bereits positiv ausgefallen waren.
Von diesen zusätzlichen Proben identifizierten die Hunde fast 99 % korrekt als positiv. „Wären diese zusätzlichen Proben in die Real-Life-Studie eingeschlossen worden, hätte die Leistung der Hunde eine Sensitivität von 97 % und eine Spezifität von 99 % erreicht“, so die Autoren.
Hypothetische Szenarien
Basierend auf diesen Resultaten berechneten die Forschenden die Anteile an tatsächlich positiven und tatsächlich negativen Ergebnissen in 2 hypothetischen Szenarien, die eine SARS-CoV-2-Prävalenz in der Bevölkerung von 40 % und von 1 % widerspiegeln.
Für die Prävalenz von 40 % kamen sie auf einen positiven Vorhersagewert (PPV) von 88 % und einen negativen Vorhersagewert (NPV) von 94,5 %. Das heißt, die durch die Hunde gewonnene zusätzliche Information würde die Chancen eines Nachweises um rund 90 % erhöhen. Für eine Prävalenz von 1% lag der PPV dagegen bei knapp unter 10 % und der NPV bei knapp unter 100 %.
Einsatz von Spürhunden als Screeningmaßnahme denkbar
In beiden Szenarien sprächen die hohen NPVs für den Einsatz von Spürhunden im Screening, mit dem Ziel, Personen auszuschließen, die keinen PCR-Test brauchen, so die Forschenden.
Kantele und ihre Kollegen schlagen vor, dass Spürhunde sowohl an Orten mit hoher SARS-CoV-2-Prävalenz eingesetzt werden könnten, etwa in Krankenhäusern, um Patienten und Personal vorzuscreenen. Sie könnten aber auch an Orten mit geringer Prävalenz von Nutzen sein, etwa an Flughäfen oder Seehäfen, um Passagiere vorzuscreenen. Damit ließen sich viel Zeit und Ressourcen einsparen, schreiben sie.
Sie räumen aber auch ein, dass Hunde, die bereits darauf trainiert wurden, andere Substanzen zu erschnüffeln, diese Substanzen fälschlicherweise als SARS-CoV-2-Infektion anzeigen könnten. Zudem könnte die notwendige Lagerung der für das Training verwendeten Proben die Brauchbarkeit der flüchtigen organischen Verbindungen herabgesetzt haben.
Hunde unterscheiden zwischen Varianten von SARS-CoV-2
Ein Schlüsselergebnis der Untersuchung war, dass die Hunde weniger erfolgreich bei der korrekten Identifikation der Alpha-Variante von SARS-CoV-2 waren. Denn sie waren darauf trainiert worden, den Wildtyp von SARS-CoV-2 zu erschnüffeln. Das mache aber nur deutlich, wie gut Hunde darin sind, zwischen verschiedenen Gerüchen zu unterscheiden, so die Forschenden.
„Die offensichtliche Implikation ist, dass die Trainingsproben möglichst alle epidemiologisch relevanten Varianten einschließen sollten. Vorläufige Beobachtungen zeigen, dass Hunde, die mit einem Virustyp trainiert wurden, innerhalb weniger Stunden darauf trainiert werden können, andere Varianten zu erschnüffeln“. © nec/aerzteblatt.de

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