Politik
Psychotherapeutentag fordert Sofortprogramm für psychisch kranke Menschen
Montag, 16. Mai 2022
Stuttgart – Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat anlässlich des 40. Deutschen Psychotherapeutentags (DPT) in Stuttgart ein Sofortprogramm für psychisch kranke Menschen angemahnt.
„Die Coronapandemie ist für viele Menschen mit erheblichen psychischen Belastungen verbunden“, erklärte BPtK-Präsident Dietrich Munz vorgestern. „Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag bereits vereinbart, die Versorgung psychisch kranker Menschen zu verbessern. Damit dies gelingen kann, muss ein Gesetz noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden.“
Das Gesetz solle vor allem regeln, dass die Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Behandlung sich verringern. Schon vor der Coronapandemie warteten psychisch kranke Menschen häufig monatelang auf einen psychotherapeutischen Behandlungsplatz. „Die Wartezeit wird sich durch die zusätzlichen Patientinnen und Patienten noch einmal verlängern“, konstatierte Munz.
1.600 zusätzliche Psychotherapeutensitze gefordert
Die BPtK fordert deshalb 1.600 zusätzliche Psychotherapeutensitze insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Gebieten. Dies habe ein Gutachten des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) 2015 bereits als notwendig berechnet.
Davon stände rund jeder fünfte Sitz für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen zur Verfügung. „Damals wurden nur 870 Sitze tatsächlich zugelassen“, sagte Munz. „Man kann nur hoffen, dass auf den Versorgungsbedarf von Kinder und Jugendlichen auch regional angemessen eingegangen wird, denn deren psychische Gesundheit hat in der Pandemie besonders gelitten.“
Richtlinie zur Komplexversorgung schwer psychisch Kranker überarbeiten
Weiter erwartet die Bundespsychotherapeutenkammer von der Politik, den G-BA mit einer grundlegenden Überarbeitung seiner Richtlinie zur Komplexversorgung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen zu beauftragen.
„Die neue G-BA-Richtlinie ist misslungen. Sie schreibt überflüssige Mehrfachuntersuchungen vor, schränkt massiv die Zahl der Psychotherapeuten und Ärzte, die die Planung und Koordination der Gesamtbehandlung übernehmen können, ein und behindert eine aufsuchende Behandlung“, erklärte BPtK Präsident Munz.
Der 40. DPT forderte entsprechend, die notwendigen Voraussetzungen für die Realisierung der koordinierten, strukturierten Versorgung zu schaffen. Dazu seien Nachbesserungen an der G-BA-Richtlinie sowie ausreichende finanzielle Mittel notwendig.
Sprachmittlung für Psychotherapie Geflüchteter soll Leistung der GKV werden
Seit Jahren setzt sich BPtK dafür ein, dass geflüchtete Menschen auch angemessen psychotherapeutisch versorgt werden. Angesichts des Angriffskrieges in der Ukraine werde der Versorgungsbedarf traumatisierter Geflüchteter noch zunehmen.
„Psychotherapie ohne sprachliche Verständigung ist jedoch nicht möglich, daher muss kurzfristig Sprachmittlung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sichergestellt werden, forderte Munz.
Viele Migrantinnen und Migranten, aber auch die meisten ukrainischen Flüchtlinge seien zwar gesetzlich krankenversichert, sie könnten jedoch nicht psychotherapeutisch behandelt werden, da die gesetzliche Krankenversicherung keine Sprachmittlung finanziert. Hierzu müsse eine schnelle Regelung im Sozialgesetzbuch V gefunden werden.
Ausreichende Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung
Schließlich forderte der 40. DPT, die Zukunft der Psychotherapie zu sichern. „Die Reform der Psychotherapeutenausbildung ist unvollendet. Es fehlt eine ausreichende Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung“, sagte der BPtK-Präsident.
Damit Ende diesen Jahres die ersten Psychotherapeuten nach Studium und Approbation die neue Weiterbildung beginnen können, um sich zu Fachpsychotherapeuten für die Versorgung von Kindern, Jugendlichen beziehungsweise Erwachsenen zu qualifizieren, müssten zeitnah die gesetzlichen Grundlagen für eine finanzielle Förderung der Weiterbildung geschaffen werden.
Zu finanzieren seien eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und die notwendigen Weiterbildungsleistungen Theorie, Supervision und Selbsterfahrung. Nur mit einem ausreichenden finanziellen Zuschuss können entsprechende Stellen für Psychotherapeuten in Weiterbildung in den Weiterbildungsambulanzen und -praxen geschaffen und vergütet werden, erklärten die Delegierten des 40. Deutschen Psychotherapeutentags. © PB/aerzteblatt.de

Nachrichten zum Thema

