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Medizin

COVID-19: FDA lehnt Zulassung von Fluvoxamin ab

Dienstag, 17. Mai 2022

/pureradiancecmp, stock.adobe.com

Silver Spring/Maryland – Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat eine Notfallzulassung des Antidepressivums Fluvoxamin zur Behandlung von COVID-19 abgelehnt. Sie begründet dies mit methodischen Schwächen der TOGETHER-Studie (Lancet 2022; DOI: 10.1016/S2214-109X(21)00448-4), in der Fluvoxamin die Rate von Notfallaufnahmen und Hospitalisierungen gesenkt hatte. Die Ergebnisse konnten in 2 weiteren Studien nicht bestätigt werden.

Die TOGETHER-Studie hat eine Reihe von für andere Erkrankungen zugelassene Medikamente auf ihre Wirk­samkeit bei COVID-19 untersucht. Die Ergebnisse zu Fluvoxamin, die im Oktober letzten Jahres vorgestellt wurden und inzwischen in Lancet Global Health (2022; 10: e42-51) publiziert wurden, schienen günstig zu sein.

Der frühzeitige Einsatz von Fluvoxamin hatte den Anteil der Patienten, die länger als 6 Stunden auf der Not­fallaufnahme verbrachten oder hospitalisiert wurden, von 15,7 % in der Placebogruppe auf 10,7 % gesenkt.

Gilmar Reis von der „Pontificia Universidade Católica de Minas Gerais“ in Belo Horizonte und Mitarbeiter hatten ein relatives Risiko von 0,68 ermittelt mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,52 bis 0,88, was eigentlich für den Einsatz des kostengünstigen Medikamentes spräche.

Der Infektiologe David Boulware von der Universität von Minnesota in Minneapolis hatte aufgrund der Ergebnisse bei der FDA einen Zulassungsantrag gestellt, da sich kein Hersteller interessiert zeigte. In den USA können auch Privatpersonen einen Antrag stellen, auch wenn dies ungewöhnlich ist, da die Durchführung von klinischen Studien sehr aufwändig ist und das Budget von Privatpersonen weit übersteigt. Die TOGETHER-Studie war jedoch aus anderen Quellen (unter anderem der McMaster Universität in Toronto) finanziert worden.

Die Ergebnisse der TOGETHER-Studie haben die FDA jedoch nicht überzeugt. Zur Begründung wird auf einen unklaren primären Endpunkt hingewiesen, der sowohl eine längere Behandlung in der Notfallaufnahme als auch eine Hospitalisierung umfasste. Der Vorteil von Fluvoxamin beschränkte sich offenbar im wesentlichen auf einen kürzeren Aufenthalt in der Notfallaufnahme, was der FDA für eine Zulassung nicht ausreichte.

Auch die Ergebnisse aus 2 weiteren Studien, die Boulware zur Begründung einreich­te, haben an diesem Urteil nichts geändert. In der STOP COVID-Studie (JAMA 2020; DOI: 10.1001/jama.2020.22760), die an einem einzelnen Zentrum in den USA durchgeführt wurde, hatte Fluvoxamin das Risiko auf eine Hospitalisierung oder einen Tod in den ersten 60 Tagen zwar um 64 % gesenkt.

Die Studie hatte allerdings nur 152 Teilnehmer, und das relative Risiko von 0,36 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,07 bis 1,80 auch nicht ansatzweise signifikant (JAMA 2020; 324: 2292-2300). Die FDA sah in der Studie außerdem methodische Schwächen, etwa die hohe Abbrecherrate von 24 %.

Auch eine von Boulware durchgeführte „Real world data“-Studie (Open Forum Infectious Diseases 2021; DOI: 10.1093/ofid/ofab050) konnte die FDA nicht umstimmen. Der Mediziner hatte während eines Ausbruchs den Angestellten eines Pferderennstalls die Einnahme von Fluvoxamin angeboten.

Von den 65 Patienten, die das Angebot annahmen, waren nach 14 Tagen alle genesen. Von den 48 Patienten, die sich dagegen entschieden, zeigten zum diesem Zeitpunkt noch 29 (60 %) Symptome. Da es sich nicht um eine randomisierte Studie handelte, ließ die FDA die Ergebnisse nicht gelten.

Hinzu kam, dass mit „STOP COVID 2“ und „COVID-OUT“ inzwischen 2 Negativstudien vorliegen. In der Studie „COVID-OUT“ war zwar eine niedrigere Dosis von Fluvoxamin (2 x täglich 50 mg statt 100 mg) verwendet worden. STOP COVID 2 hatte jedoch ein ähnliches Design wie STOP COVID mit einer größeren Stichproben­größe (553 Patienten) und einer angereicherten Population von Hochrisikopatienten. Dass sie die Ergebnisse der kleineren Studie nicht bestätigen konnte, dürfte das Negativvotum der FDA beeinflusst haben.

Wäre der Antrag genehmigt worden, wäre dies ein Novum gewesen und vielleicht auch ein Anreiz für andere Forscher, ihre Ergebnisse von pharmaunabhängigen Studien umzusetzen.

Normalerweise werden Zulassungsanträge von größeren Unternehmen durchge­führt, die zur Vorbereitung mehrstellige Millionenbeiträge in klinische Studien investieren. Reich geworden wäre Boulware im Fall einer Zulassung übrigens nicht. Fluvoxamin wurde bereits 1994 als Antidepressivum zugelassen und wird längst als Generikum angeboten.

Inzwischen stehen in den USA mit Paxlovid (Nirmatrelvir plus Ritonavir) und Lagevrio (Molnupiravir) orale Virustatika mit einer gesicherten Wirkung im Frühstadium zur Verfügung.

Die Preise sind jedoch weitaus höher als beim Generikum Fluvoxamin. In ärmeren Länder wie Brasilien dürften die beiden Medikamente kaum eingesetzt werden. Ob Fluvoxamin hier eine vollwertige Alternative ist, muss aufgrund der Recherchen der FDA jedoch bezweifelt werden. © rme/aerzteblatt.de

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