Ärzteschaft
Pneumologen mahnen Studien im Vorfeld von Cannabislegalisierung an
Dienstag, 24. Mai 2022
Leipzig – Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) warnte heute auf der Vorab-Pressekonferenz zu ihrem Kongress vor den gesundheitlichen Risiken von Cannabis im Freizeitgebrauch.
Eine kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken, wie sie von der Regierungskoalition geplant sei, müsse bereits im Vorfeld von wissenschaftlichen Studien begleitet werden, betonte Wolfram Windisch, stellvertretender Präsident der DGP und verwies auf ein Positionspapier, das die DGP heute veröffentlicht hat.
Die politisch motivierte Cannabisabgabe hat laut Windisch zwangsläufig medizinische Folgen, die im Koalitionsvertrag jedoch keine ausgeprägte Rolle spielen.
„Deswegen brauchen wir dringend die unabhängig finanzierte Forschung, um die politischen Entscheidungen zur Drogenpolitik abhängig von neuesten Studienergebnissen gegebenenfalls auch anzupassen“, erklärt der Chefarzt der Lungenklinik Köln-Merheim, Kliniken der Stadt Köln, sowie Inhaber des Lehrstuhls für Pneumologie an der Universität Witten/Herdecke. Für die Studien müssten Finanzierungskonzepte vorgelegt werden, die sowohl Labor- als auch klinische Studien berücksichtigen würden.
Darüber hinaus hob Windisch eine weitere zentrale Forderungen des Positionspapiers hervor: „Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, die die gesundheitlichen und sozialen Folgeschäden adressieren.“ Diese Forderung stünde in Einklang mit dem Positionspapier der Suchtmedizinischen Fachgesellschaften von Februar 2022.
Cannabis wird meist tiefer und länger inhaliert als Zigarettenrauch. Das Rauchen eines Joints entspricht etwa dem Rauchen von 2,5 bis fünf Zigaretten, was das Schädigungspotenzial an der Lunge betrifft.
Quelle: Positionspapier 2022
Zudem sollte sich die Bundesregierung bei einem solch wichtigen Thema wie auch in der Coronapandemie von einem Expertengremium beraten lassen und die medizinsichen Aspekte in den Vordergrund stellen, ergänzte Windisch.
Windisch sieht auch die Gefahr, dass die Legalisierung bei Konsumenten dazu führen könnte, dass diese den Gebrauch von Tabakprodukten im Vergleich zum Cannabiskonsum zu Genusszwecken als weniger schädlich einschätzen könnten. Vor allen Dingen müsse die Gefahr gesehen werden, dass die geplante kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken grundsätzlich das Potenzial hat, sowohl die Tabakprävention als auch die Tabakentwöhnung zu untergraben.
„Insbesondere beim Inhalieren von Tabak- und Cannabisrauch sind Beeinträchtigungen der Lungengesundheit und eine Schädigung des Herz-Kreislaufsystems zu erwarten“, erläuterte Windisch.
Klar ist, Cannabiskonsum ist gesundheitsschädlich. Und trotzdem gibt es immer noch zu viele Unklarheiten, die es zu untersuchen gilt. Wolfram Windisch, stellvertretender Präsident der DGP
Die Effekte auf die Lunge der chronischen Cannabisinhalation zu Genusszwecken seien aufgrund des enthaltenen Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) schwieriger zu quantifizieren als die Effekte des Tabakkonsums, da viele Konsumenten sowohl Cannabis als auch Zigaretten rauchen, heißt es im Positionspapier. Auch seien die Angaben zum Cannabiskonsum unter anderem wegen einer möglichen Strafverfolgung weniger gut zu eruieren.
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„Klar ist, Cannabiskonsum ist gesundheitsschädlich. Und trotzdem gibt es immer noch zu viele Unklarheiten, die es zu untersuchen gilt“, sage DGP-Vizepräsident Windisch. „So konnten Studien beispielsweise noch keine sicheren Hinweise für einen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und Lungenkrebs zeigen. Etwaige Zusammenhänge müssen jetzt dringend erforscht werden. Dafür brauchen wir den Auftrag der Gesundheitspolitik.“
Vom Gebrauch als Genussmittel abzugrenzen sei die therapeutische Anwendung von Cannabis, betonte Windisch. Mögliche Anwendungsbereiche werden im Positionspapier beschrieben.
Fahrplan der Bundesregierung
Die Regierungskoalition von SPD, Grünen und FDP hat in ihrem Koalitionsvertrag unter anderem die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszweckenin lizenzierten Geschäften vorgesehen, wobei eine Beschränkung auf erwachsene Menschen sowie eine Re-Evaluation hinsichtlich der gesellschaftlichen Folgen vorgesehen sind.
Anfang Mai kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an, die Gesetzesinitiative zur Cannabislegalisierung zu starten. Der Prozess werde damit beginnen, dass der Bundesdrogenbeauftragte Burkhardt Blienert (SPD) in Lauterbachs Auftrag Grundfragen mit nationalen und internationalen Experten erörtert. © gie/aerzteblatt.de

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