Ärzteschaft
HNO-Patienten profitieren von technischen und medikamentösen Innovationen
Mittwoch, 25. Mai 2022
Hannover – Technische Fortschritte in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde reichen von Bioimplantaten bis hin zu transoralen robotischen Assistenzsystemen. Darüber hinaus ermöglichen etwa moderne Substanzen wie monoklonale Antikörper eine zielgerichtete Therapie von Krebserkrankungen.
Die aktuellen Entwicklungen sowie ihr Benefit für die Patienten stehen daher im Fokus der 93. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC), die heute unter dem Motto „Interface – Fokus Mensch im Zeitalter der technisierten Medizin“ in Hannover beginnt.
Viele Patientinnen und Patienten profierten von einer Fülle an Innovationen im Kopf-Hals-Bereich, sagte der Präsident der DGHNO-KHC Hans-Jürgen Welkoborsky, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, KRH Klinikum Nordstadt, Hannover, auf einer Pressekonferenz. Wichtig seien hierbei zwei Bereiche: zum einen die technischen Fortschritte und zum anderen innovative Medikamentenentwicklungen.
Der Fokus dieser Innovationen bleibe dabei auf den Menschen – sowohl als Patientin oder Patient als auch als Ärztin oder Arzt. Weder seien die Betroffenen technische Objekte noch die Ärztinnen und Ärzte nur Molekularbiologe oder Ingenieur.
Mit Bioimplantaten Rekurrensparesen behandeln
Ein Beispiel für technische Errungenschaften stellte Andreas Müller, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde und Plastische Operationen, SRH Wald-Klinikum Gera, vor. Er beschrieb den Einsatz von Bioimplantaten bei Stimmlippenlähmungen beziehungsweise Rekurrensparesen.
Bei einseitigen Paresen, die sich nicht zurückbilden, bieten sich Müller zufolge temporäre Fillermaterialien wie Hyaluronsäure zum Aufspritzen der gelähmten Stimmlippe an. Im nächsten Schritt können bei fortbestehender Lähmung dauerhafte autologe oder Fremdmaterialien angewendet werden.
Darüber hinaus existierten Festimplantate wie VOIS (Vocal Implant System) bei ausgeprägter Fehlstellung der Stimmlippen mit einem sofortigen Effekt für die Betroffenen. Hier kann ultraschallgestützt ein Silikonkissen punktiert und so angepasst werden, dass die Stimme wieder gut funktioniert.
Bei der Therapie der beidseitigen Stimmlippenlähmung handele es sich um einen Kompromiss zwischen Stimme und Atmung, betonte Müller. Er sehe die Zukunft darin, nach Methoden zu suchen, die einen Teil der Beweglichkeit der Stimmlippen wiederherstellen. In diese Richtung ziele die Entwicklung eines Kehlkopfschrittmachers.
Mund-Rachenkarzinome roboterassistiert operieren
Roboterassistierte Operationen sind eine weitere Innovation in der HNO. Mittlerweile gäbe es eine relativ große Anzahl an robotischen Systemen, die im Kopf-Halsbereich zum Einsatz kommen, sagte Timon Hussain, Oberarzt an der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsmedizin Essen.
Der Fokus der Anwendung liege auf den Mund-Rachentumoren, vor allem Karzinomen. Hussain betonte, dass in den USA etwa 80 Prozent dieser Tumoren in frühen Stadien operiert werden. Das sei zum einen auf die Etablierung der robotischen Chirurgie und zum anderen durch die immer weitere Verbreitung der Humane-Papillomviren (HPV)-assoziierten Krebserkrankungen zurückzuführen.
In Europa und vor allem hierzulande habe man der Robotik zur transoralen Anwendung im Mund-, Rachen- und Kehlkopfbereich bislang weniger Aufmerksamkeit geschenkt, da hier seit Jahrzehnten die transorale Lasermikrochirurgie etabliert ist. Auch diese Methode biete gute onkologische und funktionelle Ergebnisse.
Prinzipiell sei die Robotik zur Therapie der Mund-Rachen-Tumoren mit einem guten Risikoprofil, keinem erhöhten Blutungsrisiko während des Eingriffs oder danach und kaum Schluckbeschwerden verbunden.
Molekulare Tumorboards eröffnen Therapieoptionen
Interdisziplinär besetzte molekulare Tumorboards seien vor allem für Patientinnen und Patienten mit seltenen Tumorerkrankungen und fortgeschrittenen Tumoren ohne erfolgversprechende Therapieoptionen wichtig, berichtete Markus Wirth, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München.
Bezogen auf die Kopf-Halstumore handele es sich in der Regel, so Wirth weiter, um Betroffene in der Palliativsituation meist ab der Zweitlinientherapie. Bei den häufigen Plattenepithelkarzinomen fänden sich seiner Erfahrung nach nur selten therapierbare Mutationen, bei Speicheldrüsentumoren sei dies öfter der Fall. © aks/aerzteblatt.de

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