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Politik

Antibiotika­resistenzen bedrohen weltweite Gesundheit

Mittwoch, 1. Juni 2022

/Christoph Burgstedt, stock.adobe.com

Berlin – Die Zahl der Menschen, die infolge von Antibiotikaresistenzen sterben, steigt kontinuierlich an. Ex­perten haben vor diesem Hintergrund neue Vergütungs­formen für Antibiotika gefordert, um Anreize für phar­mazeutische Unternehmen zu setzen, neue Antibiotika herzustellen.

Der Leiter des Fachgebiets „Nosokomiale Infektionen, Surveillance von Antibiotikaresistenz und -verbrauch“ am Robert-Koch-Institut (RKI), Tim Eckmanns, zitierte eine aktuelle Studie aus den USA, der zufolge im Jahr 2019 weltweit 1,27 Millionen Menschen wegen Antibiotikaresistenzen gestorben sind.

„Damit sind mehr Menschen an Antibiotikaresistenzen gestorben als an HIV oder an Malaria“, betonte Eck­manns gestern auf einer Podiumsdiskussion des Deutschen Netzwerks gegen Antimikrobielle Resistenzen (DNAMR) in Berlin. Und 4,95 Millionen Menschen sind der Studie zufolge an antibiotikaresistenten Erregern gestorben – wobei nicht klar ist, ob die Resistenz oder der Erreger die Todesursache war.

„Wir haben im Bereich der Antibiotikaresistenzen ein Riesenproblem, das den Menschen gar nicht bewusst ist“, sagte Eckmanns. Denn als Todesursache werde eine Sepsis oder eine Pneumonie angegeben. Dass eine Anti­bio­tikaresistenz der Auslöser war, werde vielfach gar nicht wahrgenommen.

Globale Bedrohung

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby sprach von einer „stillen Pandemie“, die zunehmend die weltweite Gesundheit bedrohe. „Antibiotikaresis­tenzen führen zu einer höheren Sterblichkeit und zu höheren Behandlungskosten.

Sie haben gravierende wirtschaftliche und soziale Folgen, insbesondere auch für die Länder des globalen Südens“, betonte Diaby. „Wir müssen die Resistenzen als globale Bedrohung verstehen. Und wir müssen Lösungen auf allen Ebenen finden: auf der globalen, der nationalen und der regionalen.“

„Wir unterschätzen massiv, welchen Effekt Antibiotikaresistenzen auf die Gesundheit der Menschen haben“, sagte auch Marc Gitzinger, CEO der Schweizer Pharmafirma BioVersys und Vizepräsident der Beam Alliance, einem Netzwerk von etwa 60 kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die mit ihren Produkten Antibio­tika­resistenzen bekämpfen wollen.

„Viele Menschen sterben heute an Antibiotikaresistenzen – und das ist vollkom­men unnötig. Denn wir haben die Möglichkeit, Antibiotika zu entwickeln. Wir machen es nur nicht, weil es sich wirtschaftlich nicht rentiert.“

Vergütung vom Verkaufsvolumen entkoppeln

Vor diesem Hintergrund forderte Gitzinger ein neues Vergütungssystem: ein System, das es Pharmafirmen er­mögliche, das Entwicklungsrisiko auf sich zu nehmen und bei Erfolg vergütet zu werden. „Die Unternehmen brauchen eine planbare Situation“, so Gitzinger. „Deshalb muss die Vergütung vom Verkaufsvolu­men ent­koppelt werden.“

Denn im Unterschied zu Arzneimitteln, die bei chronischen Erkrankungen eingesetzt werden, würden insbe­sondere Reserveantibiotika so selten eingesetzt, dass sich eine am Verkaufsvolumen orientierte Vergütung für die Firmen nicht lohne.

Gitzinger schlug sogenannte Pull-Mechanismen zur Vergütung von Antibiotika vor. Dabei werden die Her­steller zum Beispiel von den einzelnen Ländern der Europä­ischen Union (EU) für das Bereithalten der Anti­biotika bezahlt.

„Es geht um das Bestehen des Gesundheitswesens“

„Wir kennen die Gefahren. Und wir wissen, wie wir sie beheben können. Jetzt muss endlich gehandelt werden“, forderte Gitzinger. Dabei gehe es um nichts weniger als das Bestehen des Gesundheitswesens. Denn die meis­ten modernen Eingriffe, vom Kaiserschnitt bis zur Tumoroperation, funktionierten nicht, wenn es keinen Zu­gang zu wirksamen Antibiotika gebe.

Das DNAMR hat sich im Mai dieses Jahres gegründet. Es ist ein Netzwerk aus verschiedenen Verbänden, Un­ternehmen, Institutionen und Personen aus Wissenschaft, medizinischer Versorgung und Gesundheits­wirt­schaft, deren Ziel es ist, die Entwicklung resistenzbrechender Antibiotika und die dafür notwendige politische Handlungsbereitschaft voranzutreiben. © fos/aerzteblatt.de

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