Politik
Krankenhäuser machen neuen Vorschlag zur Reform der ambulanten Notfallversorgung
Donnerstag, 2. Juni 2022
Berlin – Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat Positionen zur Reform der ambulanten Notfallversorgung vorgelegt. Dabei schlägt die DKG vor, an allen Krankenhausstandorten, die die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum stationären Notfallstufensystem erfüllen, ein Integriertes Notfallzentrum (INZ) einzurichten, das an einem gemeinsamen Tresen sowohl eine Portalpraxis als auch eine Notfallambulanz beinhaltet.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sollen dabei dazu verpflichtet werden, wochentags zwischen 7 UHr bis 19 Uhr vertragsärztliche Notfallversorgungstrukturen an diesen Standorten zu betreiben. Derzeit erfüllen etwa 1.200 Krankenhäuser in Deutschland die Vorgaben des G-BA.
Die Portalpraxen sollen nach den Vorstellungen der DKG von den KVen organisatorisch, wirtschaftlich und medizinisch eigenständig betrieben werden. Die Notfallambulanzen werden von den Krankenhäusern eigenständig betrieben. In den INZ sollen die Patienten eine standardisierte Ersteinschätzung durchlaufen.
Zwischen 7 Uhr und 19 Uhr soll ein entsprechend qualifizierter Mitarbeiter der KV diese Einschätzung vornehmen. „Sofern die KV dies nicht gewährleisten kann, hat sie die Anwendung des Ersteinschätzungsinstruments an das Krankenhaus zu übertragen“, schreibt die DKG. „Das Krankenhaus ist dafür von der KV angemessen zu vergüten.“
Nachts versorgen nur die Krankenhäuser
Dringend behandlungsbedürftige Patienten sollen wochentags zwischen 7 Uhr und 19 Uhr entweder in den Portalpraxen oder in den Notfallambulanzen behandelt werden. „Mithilfe des standardisierten Ersteinschätzungsinstruments wird entschieden, ob die Versorgung des Patienten innerhalb des INZ in den vertragsärztlichen Notfallversorgungsstrukturen oder in den Notfallversorgungsstrukturen des Krankenhauses erfolgt“, schreibt die DKG.
„Patienten, die unmittelbar behandlungsbedürftig sind, aber die besonderen personellen und apparativen Vorhaltungen der Krankenhausnotfallversorgungsstrukturen nicht benötigen, werden in die Räumlichkeiten der vertragsärztlichen Notfallversorgungsstrukturen gesteuert und dort behandelt.“
Unmittelbar behandlungsbedürftige Patienten, die die Vorhaltungen der Krankenhäuser benötigten, würden in die Notfallversorgungsstrukturen des Krankenhauses gesteuert. Nicht unmittelbar behandlungsbedürftige Patienten sollen einen Termin bei einem niedergelassenen Haus- oder Facharzt erhalten.
Wochentags von 19 Uhr bis 7 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen sollen dringend behandlungsbedürftige Patienten in den Notfallstrukturen der Krankenhäuser behandelt werden. Die KVen sollen in dieser Zeit „von ihr Verpflichtung, Portalpraxen in den INZ zu betreiben, befreit“ werden, schreibt die DKG. Es solle den KVen aber freigestellt werden, ihre Portalpraxen auch zwischen 19 Uhr und 7 Uhr in einem 24/7-Betrieb zu betreiben.
Dieser Vorschlag bezieht sich auf die Patienten, die „auf eigene Faust“ ein Krankenhaus in einer Notfallsituation aufsuchen. Die erste Anlaufstelle für entsprechende Patienten sollte hingegen der Hausarzt oder die Servicenummer des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes 116 117 sein.
Sachgerechte Vergütung der Vorhaltekosten
Wenn Krankenhäuser heute ambulante Notfallpatienten versorgen, werden sie dafür auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) vergütet. Seit Jahren schon kritisieren die Krankenhäuser, dass diese Vergütung aufgrund der Vorhaltungen der Krankenhäuser nicht kostendeckend sei.
Die ambulante Notfallversorgung verursache in den Krankenhäusern ein jährliches Defizit in Höhe von etwa einer Milliarde Euro. Vor diesem Hintergrund fordert die DKG in ihrem Positionspapier auch eine Reform dieser Vergütung.
„Die sachgerechte Vergütung der Versorgung der unmittelbar behandlungsbedürftigen Patienten durch die Krankenhäuser ist von den Kostenträgern sicherzustellen“, fordert die DKG. „Dabei sind auch die speziellen Vorhaltekosten der Krankenhäuser zu berücksichtigen.“
Die Etablierung gemeinsamer Tresen und der Aufbau weiterer Portalpraxen seien möglicherweise mit dem Neu- oder Umbau bestehender Infrastruktur verbunden. Die Kosten seien im Rahmen der Investitionsfinanzierung von den Ländern zu übernehmen.
Ambulant-klinische Fälle aufnehmen
Zudem sei zu berücksichtigen, dass insbesondere mit der Übernahme der ambulanten Notfallversorgung zwischen 19 Uhr und 7 Uhr den Krankenhäusern nachtschichtbezogene Sonderkosten entständen. Diese seien zwingend zu refinanzieren.
Die DKG schlägt darüber hinaus vor, dass für Patienten, die in den Notfallversorgungsstrukturen des Krankenhauses behandelt werden müssten, die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, die Patienten bis zu 48 Stunden als ambulant-klinische Fälle vom Krankenhaus aufzunehmen. Hierfür müsse eine adäquate Vergütungsstruktur entwickelt werden.
Lange Vorgeschichte
In ländlichen oder vertragsärztlich bereits unterversorgten Regionen sollen die KVen auf Antrag der Länder von der Pflicht zur Einrichtung vertragsärztlicher Notfallversorgungsstrukturen an den dortigen INZ befreit werden können, schlägt die DKG weiterhin vor.
In diesen Fällen übernähmen die Krankenhäuser die Versorgung sämtlicher unmittelbar behandlungsbedürftiger Patienten. In strukturschwachen und ländlichen Regionen sollen INZ zudem im Auftrag der Länder auch an Krankenhäusern ohne Basisnotfallstufe eingerichtet werden können.
Die DKG veröffentlicht ihr Positionspapier zu einer Zeit, in der sich die vom Bundesgesundheitsministerium einberufene Regierungskommission auch mit der Reform der Notfallversorgung zu beschäftigen beginnt. Bereits seit mehreren Jahren wird im Gesundheitswesen über eine Reform der Notfallversorgung diskutiert.
2018 hatte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen seine Vorstellungen in einem Gutachten dargelegt.
In der vergangenen Legislaturperiode hatte der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verschiedene Anläufe unternommen, um die Notfallversorgung zu reformieren, sie aber nicht zu Ende gebracht. Einer der Streitpunkte war dabei die Letztverantwortung bei der Versorgung der Notfallpatienten. © fos/aerzteblatt.de

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