Medizin
Studie: Stuhltest könnte Entwicklung einer Fettleber vorhersagen
Montag, 20. Juni 2022
Jena – Einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD), an der weltweit 1/4 aller Menschen im Verlauf ihres Lebens erkranken, gehen häufig Störungen des Darmmikrobioms voraus. Diese können mit einem Stuhltest nachgewiesen werden, der in einer Studie in Science Translational Medicine (2022; DOI: 10.1126/scitranslmed.abk0855) eine höhere Treffsicherheit bei der Vorhersage der NAFLD erzielte als die derzeitigen Screeninginstrumente.
Die NAFLD hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, weil die Bevölkerung mehr Energie über die Nahrung zu sich nimmt, als sie verbraucht. Die überschüssige Energie wird nicht nur im Fettgewebe, sondern bei einigen Menschen auch in der Leber gespeichert. Die NAFLD begünstigt nicht nur die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes und seiner Folgekrankheiten. Auch die Leber kann irreversibel geschädigt werden. In vielen Ländern hat die NAFLD die alkoholische Fettleber als häufigsten Auslöser von Leberzirrhose und Leberkrebs abgelöst.
Die Erkrankung wird oft erst zu spät erkannt, weil die Verfettung der Leber keine akuten Symptome macht. Sie kann bei einer Ultraschalluntersuchung leicht übersehen werden, und eine definitive Diagnose, die nach wie vor eine Leberbiopsie erforderlich macht, wird selten durchgeführt.
Eine Vorhersage könnte ein Fenster für eine rechtzeitige Intervention öffnen. Effektive Medikamente gibt es zwar nicht, im Anfangsstadium kann sich eine NAFLD jedoch unter einer Änderung der Lebensweise zurückbilden. Die derzeitigen Tests, die den Body-Mass-Index mit Laborwerten für Triglyzeride, Glukose und Leberenzymen kombinieren, erzielen nur eine begrenzte Treffsicherheit. Eine Analyse der Darmflora, die in einer Stuhlprobe möglich ist, könnte die Prädiktion verbessern.
Ein Team um Gianni Panagiotou vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans Knöll Institut (Leibniz-HKI) in Jena hat hierzu die Daten der „Shanghai Nicheng“-Kohorte ausgewertet, an der 2014 etwa 2.500 chinesische Erwachsene teilgenommen hatten. Bei allen Teilnehmern war neben zahlreichen Labortests damals auch eine Oberbauchsonografie durchgeführt worden. Von den 1.216 Teilnehmern, die damals noch eine unauffällige Leber hatten, sind in den folgenden 4,6 Jahren 146 an einer NAFLD erkrankt.
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Die Forscher haben bei 90 der neu erkrankten Personen eine ausführliche Mikrobiomanalyse in den Stuhlproben durchgeführt, die zu Beginn eingesammelt worden waren. Die Ergebnisse wurden mit den Stuhlproben von 90 Teilnehmern verglichen, die nicht an einer NAFLD erkrankt sind. Die metagenomische Analyse war sehr umfangreich. Die Forscher fanden mehr als 400 verschiedene Mikroorganismen, mehr als 1,4 Mio. Genfamilien, die unterschiedlichen Stoffwechselwegen zugeordnet werden konnten.
Für den klinischen Einsatz wäre eine solche Untersuchung zu umfangreich. Die Forscher konnten jedoch mithilfe einer künstlichen Intelligenz 14 mikrobielle Signaturen ermitteln, in denen sich die beiden Gruppen unterschieden. Dies waren 2 Bakterienarten, 3 Stoffwechselwege und 9 Metabolite. Zusammen mit 4 klinischen Merkmalen (BMI, HDL-Cholesterin, Alter und Nüchternblutzucker) erzielte der Stuhltest einen AUROC-Wert von 0,80, was einer hohen Treffsicherheit entspricht. Ohne die Stuhlprobe wurde nur ein AUROC-Wert von 0,58 bis 0,60 erreicht, der klinisch wertlos ist. Der AUROC-Wert, der Sensitivität und Spezifität kombiniert, kann Werte zwischen 0,5 (Zufall) und 1,0 (sichere Diagnose) annehmen.
Die Forscher konnten die Ergebnisse an anderen Kohorten aus Europa und Nordamerika bestätigen. Panagiotou ist überzeugt, dass sich der Test für die klinische Anwendung eignen würde. Die Mikrobiom-basierte Diagnostik wird seiner Ansicht nach in den nächsten 10 Jahren die klinische Praxis erreichen und ein großes Potenzial entfalten. © rme/aerzteblatt.de
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