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Politik

Apotheken dürfen pharmazeutische Dienstleistungen anbieten

Montag, 13. Juni 2022

/Axel Bueckert, stock.adobe.com

Berlin – Apotheken in Deutschland dürfen nun einige pharmazeutische Dienstleistungen, die von den Kran­ken­kassen bezahlt werden, durchführen. Die Ärzte zeigten sich heute wenig erfreut.

GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und der Deutsche Apothekerverband (DAV) hatten lange über die Einführung der Dienstleistungen verhandelt. Die Verhandlungen sind schließlich im Herbst 2021 vor der Gemeinsamen Schiedsstelle gelandet, die nun eine Einigung bekannt gegeben hat.

Demnach können die Apotheken ab sofort fünf pharmazeutische Dienstleistungen anbieten, informierte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) per Mitteilung. Dazu gehört eine erweiterte Medi­kationsanalyse, wenn Patientinnen und Patienten etwa fünf oder mehr verordnete Arzneimittel einnehmen.

Apotheken können außerdem eine zusätzliche Betreuung bei ärztlich diagnostiziertem Bluthochdruck anbie­ten, wenn Patienten Blutdrucksenker einnehmen. Darüber hinaus dürfen Apotheker und Apothekerinnen künftig Einweisungen zu Medikamenten zum Inhalieren bei Atemwegserkrankungen geben.

Zudem dürfen die Apotheken zwei weitere spezielle Dienstleistungen anbieten. Tumorpatienten, die eine orale Antitumortherapie erhalten, dürfen eine entsprechende Beratung in der Apotheke wahrnehmen. Die fünfte Dienstleistung gilt für Personen, die nach einer Organtransplantation neue Medikamente verordnet bekommen haben, um die körpereigene Abstoßungsreaktion zu hemmen.

Nach Informationen des Deutschen Ärzteblattes gibt es für die erweiterte Medikationsanalyse sowie für die Betreuung von Organtrans­plantierten und Krebspatienten jeweils 90 Euro netto. Bei den letzteren beiden Dienstleistungen sind zudem 17,55 Euro für ein Folgegespräch nach zwei bis sechs Monaten vorgesehen. Für die Einweisung in die korrekte Inha­lationstechnik zahlen die Kassen den Apotheken künftig 20 Euro netto, für die Risikoerfassung bei hohem Blutdruck gibt es zudem je Beratung 11,20 Euro netto.

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening begrüßte die Entscheidung der Schiedsstelle: „Das ist ein Meilenstein für die Patientenversorgung. Mit den neuen Leistungen können wir Versorgungsdefizite beheben und die Effizienz der individuellen Arzneimitteltherapie verbessern“, so Overwiening.

Der DAV-Vorsitzende Thomas Dittrich ergänzte: „Wir haben lange für die pharmazeutischen Dienstleistungen gekämpft und verhandelt. Jetzt gibt es ein gutes Leistungsportfolio, das die Apotheken auch im Interesse der Patienten umsetzen können, ohne dass es dazu einer ärztlichen Verordnung bedarf.“

Ärzteverbände bewerten Dienstleistungen als zu teuer

„Inhaltlich fragwürdig und teuer“, bewertete hingegen der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundes­vereinigung (KBV), Andreas Gassen, die Dienstleistungen. „Offenbar scheinen die Krankenkassen über genü­gend finanzielle Mittel zu verfügen.“

Aus Sicht von Gassen wäre es dann nur folgerichtig, die letztlich fundiertere ärztlich-medizinische Betreuung mindestens auf das den Apotheken zugestandene finanzielle Niveau anzuheben. „Die niedergelassenen Kolle­ginnen und Kollegen erbringen die gleichen Leistungen, trotz der besseren fachlichen Qualifikation, derzeit zu einem deutlich geringeren Satz. Das kann nicht sein“, so Gassen weiter.

Der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Stephan Hofmeister erklärte dazu: „Das ist ein fundamentaler Angriff auf die hausärztliche Versorgung, der angesichts der Versprechungen der Politik, die hausärztliche Versorgung stärken zu wollen, fast schon zynisch anmutet“.

Auch der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, übte scharfe Kritik und ist der Über­zeugung, dass eine solche Zersplitterung die Versorgung eher verschlechtern als verbessern werde. „Das wird mit Sicherheit nicht helfen, ein besseres Medikationsmanagement zu gewährleisten.“

Weigeldt betonte, das sei „keine mangelnde Wertschätzung der Kompetenzen der Apothekerinnen und Apo­theker, sondern schlichtweg ein Blick auf die Versorgungsrealität, die eben nicht am grünen Tisch stattfindet.“ Was gar nicht gehe sei, wenn Apotheker durch Änderung der Dosierungen in die Therapie eingreifen würden.

Der Marburger Bund zeigte sich empört. „Es ist ein Unding, dass jetzt Dienstleistungen bezahlt werden sollen, die in die ärztliche Beratungstätigkeit fallen und für die Apotheken kaum der geeig­nete Ort sein können“, sagte Verbandsvorsitzende Susanne Johna dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Ich bin schockiert über diese Entwicklung, die wir Ärztinnen und Ärzte nur als Misstrauensvotum interpretieren können.“

„Wenn man davon ausgeht, dass die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen von der Schiedsstelle adäquat bewertet wurden, lässt das nur einen Schluss zu: Die ärztlichen Leistungen sind deutlich unterfinanziert“, sagte der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dirk Heinrich.

Vom Schiedsspruch gehe eine Signalwirkung für die nächsten Honorarverhandlungen zwischen Vertragsärzte­schaft und Kassen aus. „Die Kassen sind offensichtlich in der Lage, deutlich mehr Geld für die Versorgung ihrer Versicherten auszugeben. Dieses Geld ist am sinnvollsten dort eingesetzt, wo die Hauptlast der Versorgung abgefedert wird: in den Arztpraxen.“

Der GKV-Spitzenverband wollte den Schiedsspruch auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes noch nicht inhalt­lich bewerten. Die Krankenkassen kündigten an, den Schiedsspruch zunächst prüfen zu wollen.

Die rechtliche Grundlage der pharmazeutischen Dienstleistungen wurde mit dem Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (ApoStG) im Jahr 2020 festgelegt. Die Ampelkoalition hat sich zudem auf die Fahnen geschrieben, diese künftig besser vergüten zu wollen.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FDP heißt es dazu: „Wir novellieren das ‚Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken‘, um pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren und Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems zu nutzen.“ © cmk/aerzteblatt.de

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