Medizin
Niedriges Cholesterin fördert Entwicklung eines grauen Stars
Montag, 4. Juli 2022
Kopenhagen – Genvarianten, die mit einem niedrigen Cholesterinwert im Blut einhergehen, erhöhen das Risiko auf die Entwicklung eines grauen Stars (Katarakt). Dies kam bei einer Analyse der „UK Biobank“-Studie im Journal of the American Heart Association (JAHA 2022; DOI: 10.1161/JAHA.122.025361) heraus.
Bei einigen „loss of function“-Mutationen im HMGCR-Gen, das ein zentrales Enzym der Cholesterinsynthese kodiert, war das Risiko auf eine Kataraktoperation sogar um den Faktor 5 erhöht. Die Ergebnisse bestätigen den Verdacht, dass Statine, die am häufigsten verordneten Cholesterinsenker, langfristig die Trübung der Augenlinsen fördern könnten.
Statine senken den Cholesterinwert, indem sie das Enzym HMG-CoA-Reduktase (HMGCR) hemmen. Die gleiche Wirkung haben 5 Genvarianten (SNP), die ein „Global Lipids Genetics Consortium“ vor Jahren auf oder in der Nähe des HMGCR-Gens entdeckt hat.
Jonas Ghouse von der Universität Kopenhagen und Mitarbeiter haben jetzt an der „UK Biobank“-Studie untersucht, welchen Einfluss die 5 SNP auf das Risiko einer Katarakt haben. Ergebnis: Jede Senkung des LDL-Cholesterins um 38,7 mg/dl durch den genetischen Score war mit einem um 14 % höheren Risiko (Odds Ratio 1,14; 95-%-Konfidenzintervall 1,00-1,39) auf die Diagnose einer Katarakt und mit einem um 25 % höheren Risiko (Odds Ratio 1,25; 1,06-1,48) für eine Kataraktoperation assoziiert.
Die Forscher hätten natürlich auch den Einfluss der aktuellen LDL-Cholesterin-Werte auf das Katarakt-Risiko untersuchen können. Solche Analysen sind jedoch fehleranfällig, weil der Cholesterinwert zum einen verschiedenen äußeren Einflüssen unterliegt, die ebenfalls das Risiko auf eine Katarakt beeinflussen können.
Zum anderen ist ein aktueller Blutwert nur eine Momentaufnahme. Ein genetischer Score steht dagegen für einen lebenslangen Einfluss, der zudem von äußeren Faktoren unabhängig ist.
Während eine Genotypisierung das Erbgut nur oberflächlich nach einer bestimmten Anzahl von SNP durchsucht, wird bei einer Sequenzierung jedes einzelne Basenpaar bestimmt. Diese Daten lagen für 169.172 Teilnehmer der „UK Biobank“ vor. Darunter waren 32 Teilnehmer, die eine bekannte „loss of function“-Mutation hatten, die die LDL-Cholesterinwerte lebenslang deutlich senkt.
Heterozygote Träger der HMGCR-Mutationen (eine Homozygotie ist oft nicht mit dem Leben vereinbar) hatten ein deutlich erhöhtes Katarakt-Risiko. Ghouse ermittelt eine Odds Ratio von 4,54 (1,96 bis 10,53) für die Diagnose einer Katarakt und von 5,27 (2,27-12,25) für eine Operation (im relativ jungen Alter von 40 bis 69 Jahren).
zum Thema
aerzteblatt.de
Die Ergebnisse sind der bisher stärkste Hinweis darauf, dass die Behandlung mit Statinen, die nach der Diagnose lebenslang erfolgt, langfristig das Risiko auf einen grauen Star erhöhen könnte.
Dieses Risiko ist in den Zulassungsstudien der Medikamente nicht aufgefallen, da die Laufzeit auf wenige Jahre beschränkt war. Die Ergebnisse von epidemiologischen Studien waren nicht einheitlich, was an verschiedenen äußeren Einflüssen auf den Cholesterinwert gelegen haben könnte.
Tierexperimentelle Studien hatten jedoch bereits vor mehr als 30 Jahren gezeigt, dass die Mittel subkapsuläre Eintrübungen in der Augenlinse auslösen können.
Wie hoch das individuelle Risiko für den Patienten ist, lässt sich aus den Studien nicht ableiten. Es dürfte aber in der Regel deutlich geringer sein als die Gefahr, infolge von hohen Cholesterinwerten bereits in einem Alter an Herzinfarkt oder Schlaganfall zu sterben, in dem Linsentrübungen typischerweise noch nicht auftreten. © rme/aerzteblatt.de
Liebe Leserinnen und Leser,
diesen Artikel können Sie mit dem kostenfreien „Mein-DÄ-Zugang“ lesen.
Sind Sie schon registriert, geben Sie einfach Ihre Zugangsdaten ein.
Oder registrieren Sie sich kostenfrei, um exklusiv diesen Beitrag aufzurufen.
Login
Loggen Sie sich auf Mein DÄ ein
Passwort vergessen? Registrieren

Nachrichten zum Thema



Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.