Ausland
Krieg in der Ukraine führt zu Lebensmittelkrisen
Donnerstag, 16. Juni 2022
Juba/Goma – Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine führt verstärkt zu Lebensmittelkrisen. Weil Weizen nicht ausgeliefert werden kann, steigen die Preise. Betroffen sind nicht nur importabhängige Länder wie Ägypten. Wegen der hohen Preise triftt es auch andere Regionen der Welt.
Angesichts der steigenden Preise und einer drohenden Knappheit bei Lebensmitteln in Ägypten hat die Europäische Union gestern erklärt, dem Land 100 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.
Das Geld solle Bauern und ländlichen Unternehmen helfen, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Kairo. Ziel sei außerdem, die Kapazität von Getreidelagern zu erhöhen. Von der Leyen traf Präsident Abdel Fattah al-Sisi, um unter anderem über Lebensmittelsicherheit während des Kriegs in der Ukraine zu sprechen.
Ägypten, mit mehr als 100 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichstes Land im arabischen Raum, zählt zu den größten Weizenimporteuren der Welt. Etwa 80 Prozent davon kamen bisher aus Russland und der Ukraine. „Die Ukraine war vor dem Krieg die Kornkammer der Welt“, sagte von der Leyen. „Wir müssen alles tun, dass der Getreidevorrat exportiert wird“.
Präsident Al-Sisi mahnte Unterstützung an für diejenigen Länder, die am schwersten von der weltweiten Lebensmittelkrise betroffen seien. Von der Leyen kündigte für die nächsten Jahre EU-Hilfen in Höhe von drei Milliarden Euro an, um in der Region unter anderem Programme rund um Landwirtschaft und Ernährung zu fördern.
In Ägypten lebt nach offiziellen Angaben etwa ein Drittel der Bevölkerung in extremer Armut. Brot ist wie Reis für unzählige Familien ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Als Reaktion auf steigende Preise hatte die Regierung in Kairo den Preis für nicht subventioniertes Brot im März bereits vorübergehend festgesetzt. Brotfladen von 45 Gramm kosten danach umgerechnet etwa 2,5 Euro-Cent.
Betroffen sind mittlerweile auch Länder wie der Südsudan. Obwohl der Südsudan nur in geringem Maße von Importen aus der Ukraine oder Russland abhängig sei, trage der Krieg zum Anstieg der globalen Nahrungsmittelpreise und damit auch indirekt zur Verschärfung des Hungers im Südsudan bei, sagte Jessica Kühnle vom Welthungerhilfe-Büro in Juba, der Hauptstadt des Südsudan.
Die hohen Preise seien für viele ländliche und städtische Haushalte unerschwinglich. Zudem drohten auch in diesem Jahr in Teilen des Südsudan schwere Überschwemmungen, die im vierten Jahr in Folge ganze Ernten und Lebensgrundlagen zerstören würden. Aufgrund der geringen Ernte des Vorjahres hätten zudem viele Haushalte nach Angaben Kühnles ihre Nahrungsmittelvorräte bereits ganz oder zum größten Teil aufgebraucht.
Kühnle beklagte die Mittelkürzungen des Welternährungsprogramms (WFP) im Südsudan. Die Reduzierung der lebenswichtigen Nahrungsmittelhilfe komme für die Menschen im Südsudan zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. „Die Ernährungsunsicherheit ist alarmierend hoch und die Anzahl der Menschen, die nicht genügend zu essen haben, hat den höchsten Stand seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 2011 erreicht.“
Die amtierende WFP-Direktorin Adeyinka Badejo-Sanogo hatte gestern bekanntgegeben, dass das WFP mangels Spenden im Südsudan gezwungen sei, Essensrationen für 1,7 Millionen hungernde Menschen auszusetzen. Eigentlich bräuchten jedoch zwei Drittel der elf Millionen Einwohner des Landes Unterstützung.
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Der Malteser-Hilfsdienst warnte, dass Hunger, verschärft durch den Wegfall von Getreideimporten aus Russland und der Ukraine, neue Fluchtbewegungen auslösen könnte. Ein Beispiel sei die Demokratische Republik Kongo, in der ohnehin verschiedene Konflikte und gewaltsame Auseinandersetzungen herrschen.
In dem zentralafrikanischen Land seien 80 Prozent der Weizenimporte aus Russland und der Ukraine bezogen worden. „Hunger führt zu Flucht, Flucht führt leider allzu oft in die Verelendung“, sagte Roland Hansen, Leiter der Afrikaabteilung von Malteser International.
Eine Hungerkatastrophe droht auch am Horn von Afrika, wo eine anhaltende Dürre bereits mehr als eine Million Menschen in Somalia, Äthiopien und im Norden Kenias in die Flucht getrieben hat. Nach UN-Angaben sind in der Region mehr als 18,4 Millionen Menschen von Lebensmittelmangel, Hunger und Unterernährung bedroht. © dpa/afp/may/aerzteblatt.de

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