Medizin
HIV: Screening von Präkanzerosen kann Analkarzinome vermeiden
Mittwoch, 22. Juni 2022
San Francisco – Ein Screening und die frühzeitliche Behandlung von hochgradigen intraepithelialen Läsionen (HSIL) im Anus, die Vorstufe eines HPV-induzierten Karzinoms sind, hat in einer randomisierten Phase-3-Studie bei HIV-Infizierten die Zahl der Analkarzinome beinahe halbiert, wie die jetzt im New England Journal of Medicine (NEJM 2022; DOI: 10.1056/NEJMoa2201048) publizierten Ergebnisse zeigen.
Analkarzinome werden wie das Zervixkarzinom durch onkogene Varianten von humanen Papillomviren (HPV) ausgelöst. In beiden Fällen kommt es zunächst zu intraepithelialen Läsionen, aus denen sich allmählich ein Karzinom entwickelt.
Für das Zervixkarzinom gibt es seit Jahrzehnten eine effektive Früherkennung, die zu einem deutlichen Rückgang der Krebserkrankungen geführt hat. Für das Analkarzinom würde sich ein solches Screening kaum lohnen, da der Krebs sehr selten ist.
Eine Ausnahme bilden HIV-Infizierte, die sich beim Analsex infizieren können. Bei HIV-infizierten Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), wird die Inzidenz des Analkarzinoms in den USA auf 89/100.000 Personen-Jahre geschätzt, bei HIV-infizierten Frauen wurden Inzidenzen von 18,6 und 35,6/100.000 Personen-Jahre ermittelt.
In beiden Gruppen ist der HPV-induzierte Krebs in den USA (und wohl auch in Europa) damit häufiger als das Zervixkarzinom bei Frauen (7,5/100.000 Personen-Jahre). Ein regelmäßiges Screening dieser Risikogruppe könnte deshalb sinnvoll sein.
Bei dem Screening würde wie bei der gynäkologischen Krebsvorsorge gezielt nach den Vorstufen eines Karzinoms gesucht. Wie beim Zervixkarzinom kommt es zunächst zu einer „low grade squamous intraepithelial lesion“ (LSIL) – beim Zervix-Screening früher CIN1 genannt – aus der sich eine „high grade squamous intraepithelial lesion“ (HSIL) entwickeln kann, die Gynäkologen auch als CIN2/3 bezeichnen und die Anlass für eine Behandlung ist.
Das US-National Cancer Institute hat in den letzten Jahren untersucht, ob die frühzeitige Entfernung von HSIL die Entwicklung von Analkarzinomen verhindern kann. An der Phase 3-Studie nahmen in 25 US-Zentren 10.723 HIV-Infizierte im Alter ab 35 Jahren teil. Bei einem Screening mit einer hochauflösenden Anoskopie wurde bei 4.459 Teilnehmern ein HSIL gefunden.
Diese wurden dann auf die sofortige Behandlung oder auf eine aktive Beobachtung randomisiert. Die Behandlung bestand bei den meisten Patienten in einer ambulanten Elektrokauterisierung, bei der die Läsionen durch Hitze zerstört werden. In beiden Gruppen wurde alle 6 Monate eine Kontrollanoskopie durchgeführt, um ein Karzinom rechtzeitig zu erkennen und entfernen zu können.
Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 25,8 Wochen wurde in der Behandlungsgruppe mit sofortiger Entfernung der HSIL bei 9 Personen (173 pro 100.000 Personenjahre) ein Analkarzinom diagnostiziert gegenüber 21 Personen (402 pro 100.000 Personen) in der aktiven Beobachtungsgruppe.
Joel Palefsky von der Universität von Kalifornien in San Francisco und Mitarbeiter ermitteln eine um 57 % niedrigere Progressionsrate, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 6 % bis 80 % signifikant war.
Die Ergebnisse sprechen nach Ansicht von Palefsky klar für ein Screening und die frühzeitige Entfernung von HSIL, die in der Studie nur mit geringen Nebenwirkungen verbunden war: Nur bei 7 von 2.227 Patienten kam es behandlungsbedingt zu schweren Komplikationen wie Abszessen (3 Patienten), Schmerzen (3 Patienten) oder einer Hautulzeration (1 Patient) infolge der topischen Anwendung von Fluorouracil, einer alternativen Behandlung zur Kauterisierung. © rme/aerzteblatt.de
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