Politik
Kretschmer mahnt neue Debatte über Pflegeversicherung an
Montag, 27. Juni 2022
Görlitz – Eine Grundsatzdebatte über die Finanzierung der Pflege hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) angemahnt. Das aktuelle System der Pflegeversicherung habe keine Zukunft: Sie sei zu teuer und liege auf den Schultern von immer weniger Menschen, sagte Kretschmer während einer Podiumsdiskussion auf dem Görlitzer Lausitzkirchentag. „Man steht jetzt vor der Wand: Der Berg ist da und man kann ihn nicht mehr wegdiskutieren“, betonte Kretschmer.
Der Referent des Caritasverbands der katholischen Diözese Görlitz, Matthias Schmidt, sagte, in Sachsen könne man nur auf Nachwuchskräfte von außerhalb hoffen. Wer in die Pflege gehe, müsse sich bis zum Ende seines Arbeitslebens auf eine faire Entlohnung verlassen können.
Eine solidarische Grundabsicherung der Pflegebedürftigkeit forderte die Direktorin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Ursula Schön. Menschen, die in eine Pflegesituation kommen, könnten heute kaum abschätzen, wie viel sie das koste. Angesparte Vermögen würden schnell abschmelzen.
Ein „klares Signal für eine nachhaltige und legislaturübergreifende Pflegereform“ forderte auch der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP). „Um in der Pflege handlungs- und reformfähig zu bleiben, sind dafür die erforderlichen finanziellen Mittel im Bundeshaushalt 2023 bereitzustellen“, mahnte Wilfried Wesemann, Vorsitzender des DEVAP, in einer Mitteilung.
Im geplanten Bundeshaushalt seien jedoch keine finanziellen Spielräume für die Pflege vorgesehen. „Wenn wir jetzt nichts tun, dann zahlen wieder die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen die prognostizierten Preissteigerungen.“
Mittlerweile liege man in Deutschland bei einem einrichtungseinheitlichen Eigenanteil von durchschnittlich 2.250 Euro, so Wesemann. Die mit der „kleinen“ Pflegereform vereinbarten gestaffelten Zuschläge nach Paragraf 43c Sozialgesetzbuch XI zur Entlastung der Pflegebedürftigen würden spätestens im Herbst 2023 nicht mehr greifen.
Grund hierfür seien weitere finanzielle Belastungen durch Lohnsteigerungen für Personal und Mehrpersonalisierung durch die Personalbemessungsverfahren, Preissteigerungen sowie Inflationsentwicklungen.
Zudem würden aktuelle Berechnungen zeigen, dass das bisher erwartete Defizit der Pflegeversicherung aufgrund höherer Ausgaben für die Zuschläge im Jahr 2022 nicht bei 2,3 Milliarden Euro, sondern bei drei Milliarden Euro liegen werden.
„Diese höheren Ausgaben dürfen jedoch nicht zu einem Reformstau führen, weil die Pflege sonst in wenigen Jahren vor einem Kollaps steht. Stationäre Pflege wird zur Verarmung führen und einen Großteil der Pflegebedürftigen in die Sozialhilfe treiben“, betonte Wesemann. © EB/kna/aerzteblatt.de

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