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Politik

DEMIS: Krankenhäuser schaffen Anschluss nicht fristgerecht

Mittwoch, 3. August 2022

/picture alliance, Sebastian Gollnow

Berlin – Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hält eine fristgerechte Anbindung aller Krankenhäuser an das Deutsche Elek­tro­ni­sche Melde- und Infor­ma­tions­system für den Infek­tions­schutz (DEMIS) für nicht um­setzbar. Das Bundesgesundheitsministerium überlegt unterdessen dennoch, welche Sanktionen es ausspre­chen will.

Die Bundesregierung will sich für die nächste Coronawelle wappnen und diesmal besser informiert sein, wie nahe oder fern die Krankenhäuser ihren Kapazitätsgrenzen sind. Helfen sollen dabei vor allem Echtzeitdaten zur Belegung: DEMIS verbindet die Primärsysteme der Krankenhäuser mit dem Öffentlichen Gesundheits­dienst (ÖGD), also den Gesundheitsämtern und dem Robert-Koch-Institut.

Die Erfahrungen der Pandemie hätten dabei gezeigt, dass neben der Belastung der Intensivstationen auch Behandlungskapazitäten auf nichtintensivmedizinischen somatischen Stationen stark beansprucht werden könnten, betont das Bundesgesundheitsministerium (BMG).

„Vor dem Hintergrund einer möglicherweise zu erwartenden Herbst- beziehungsweise Winterwelle sollen daher Daten zur Bettenbelegung auf Normalstationen, die die Erfassung der Situation auf Intensivstationen durch das DIVI-Intensivregister ergänzen, ab dem Herbst 2022 zur Verfügung stehen“, erklärte ein Ministeri­umssprecher auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes.

Damit die Daten dort schon im Herbst schneller ankommen, wurde die gesetzlich verpflichtende DEMIS-An­bindung der Krankenhäuser vom 1. Januar 2023 auf den 17. September dieses Jahres vorgezogen – sehr zum Verdruss derjenigen, die das umzusetzen haben.

Denn zwar steht DEMIS schon seit März 2022 für die elektronische Übermittlung personenbezogener Hospi­ta­lisie­rungsmeldungen zur Verfügung, dem Vernehmen nach sind aber erst rund 100 der 1.900 Krankenhäuser in Deutschland angeschlossen.

Und es sind noch weitere Anpassungen nötig: DEMIS werde derzeit dahingehend erweitert, dass ab Herbst 2022 auch die Bettenbelegung der Krankenhäuser elektronisch gemeldet werden kann, erklärte die Gematik dem Deustchen Ärzteblatt. „Die Weiterentwicklung läuft wie geplant und wird termingerecht im Herbst 2022 zur Verfügung stehen.“

In einem ersten Schritt sollen Kliniken über eine Softwarelösung, den sogenannten Komfortclient, die direkte Meldung in DEMIS abgeben können. „Damit werden die Meldewege insgesamt beschleunigt“, sagte Markus Holzbrecher-Morys, Geschäftsbereichsleiter Digitalisierung/eHealth bei der DKG. „Fax-Meldungen an das Ge­sundheitsamt sind mit dem digitalen Anspruch unserer Zeit nicht mehr vereinbar.“

Für die Dateneingabe im Krankenhaus ändere sich damit jedoch noch nichts Wesentliches. Auch mit dem neu­en System bleibe es zunächst bei einer händischen Erfassung und Eingabe der Daten durch das Krankenhaus.

Die Meldungen direkt aus den Krankenhaus-Informationssystemen (KIS) automatisiert zu übermitteln, soll je­doch erst später umgesetzt werden. „Erst dies wird maßgeblich dazu beitragen, die Hospitalisierungs­meldun­gen sowie die Meldungen nach Infektionsschutzgesetz effektiv zu digitalisieren“, sagte Holzbrecher-Morys.

Die DKG geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Kliniken in einem ersten Schritt die Eingabe der Da­ten über den Komfortclient „nun sehr schnell realisieren werden müssen“, da die Nichtmeldung mit Sanktio­nen verknüpft werden soll.

Welche das sind, steht noch nicht fest. „Mögliche Sanktionsregelungen werden derzeit im Gesetzgebungsver­fahren des COVID-19-Schutzgesetzes diskutiert“, erklärte ein BMG-Sprecher. „Um die erfolgreiche Einführung bis zum Herbst sicherzustellen, findet eine enge Abstimmung mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft statt.“

Doch genau das wird das Problem. Denn zwar gebe es teilweise schon erste Primärsystemintegrationen, bei denen für die Meldung wenigstens die Patientendaten übernommen werden können. Aber: „Zumindest zu Beginn und sicher noch bis Ende dieses Jahres wird der dafür notwendige manuelle Erfassungsaufwand in den Krankenhäusern noch steigen“, erklärte die DKG.

Eine echte Entlastung für die Krankenhäuser werde sich aber erst ergeben, wenn es funktionsfähige Schnitt­stellen zu den Krankenhausinformationssystemen gibt und dadurch eine automatisierte Ausleitung an den ÖGD erfolgt. Von der Implementierung dieser automatisierten Übermittlung hänge der Zeithorizont maßgeb­lich ab. Zwar betonte die Gematik, dass die Weiterentwicklung bis zum Herbst zur Verfügung stehen soll. Doch möglicherweise reicht das nicht.

„Eine doppelte Prozessanpassung in kurzer Zeit wäre für viele Kliniken bei der aktuellen Belastungssituation sicher nicht zu bewerkstelligen“, sagte Holzbrecher-Morys. Schon wenn die Frist bis zum 1. Januar 2023 bei­be­halten worden wäre, wäre es demnach eine große Herausforderung gewesen: Neben dem Webportal hätten nämlich auch die KIS-Schnittstellen vollständig in allen Ausbaustufen sowie entsprechende KIS-Softwaremo­dule verfügbar sein und in die Krankenhaus-IT und -prozesse integriert werden müssen.

Durch die Vorverlegung der Frist verbleibt dafür noch weniger Zeit. „Die nun vorgesehene Beschleunigung auf den 17. September 2022 ist mit Blick auf eine technische Unterstützung quasi nicht machbar“, erklärte er deshalb. Und die DEMIS-Integration ist noch nicht einmal das Ende der Fahnenstange – der allgemeine Digitalisierungsdruck im Gesundheits­wesen bindet weitere Kapazitäten.

Zwar stehe die DKG mit dem BMG und der Industrie in engem Austausch. Allerdings sei die To-do-Liste mo­mentan außerordentlich lang: mit dem Krankenhauszukunftsgesetz, dem IT-Sicherheitsgesetz 2.0, dem Pa­tientendatenschutzgesetz und der Einführung der Telematikinfrastruktur seien aktuell so viele Digitalisie­rungs-Themen parallel anzugehen, dass eine gleichzeitige Umsetzung aller Anforderungen weder für Kran­kenhäuser noch die Industrie möglich sei.

Vor diesem Hintergrund hilft auch das Versprechen der Gematik nicht viel, bis zum Herbst die notwendigen Weiterentwicklungen abzuschließen. Selbst wenn erste Hersteller schon im dritten Quartal entsprechend angepasste Systeme bereitstellen, könne es in manchen Krankenhäusern durchaus noch bis 2023 dauern, ehe sie die benötigten Updates erhalten, betont Holzbrecher Morys.

Eine angekündigte Reduzierung des Datenkranzes der Meldungen könne zwar entlastend wirken, räumt er ein. „Dennoch bleibt den Krankenhäusern bis zur Verfügbarkeit technischer Lösungen nur die – voraussichtlich tägliche – manuelle Erfassung und Meldung der benötigten Daten.“ © lau/aerzteblatt.de

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