Politik
Notfallversorgung: Fristverschiebung für Ersteinschätzungsverfahren auf den Weg gebracht
Freitag, 5. August 2022
Berlin – Die angekündigte Fristverlängerung um ein Jahr für eine Neuregelung der Reform eines Ersteinschätzungsverfahrens in der Notfallversorgung im Krankenhaus nimmt Formen an. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat die Verlängerung bis Juni 2023 nun ins GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geschrieben.
Bei den Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) habe sich gezeigt, dass das Ziel, Vorgaben für ein qualifiziertes und standardisiertes Ersteinschätzung bis zum 20. Juli 2022 zu beschließen, „nicht erreicht“ werden könne, heißt es im Gesetzentwurf, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt – und der das Bundeskabinett bereits passiert hat.
Grund sei unter anderem, dass derzeit „kein geeignetes Softwaresystem“ existiere, mit dem das standardisierte Ersteinschätzungsverfahren und die entsprechende Weiterleitung, insbesondere in die ambulante Versorgung, vorgenommen werden könne. Darüber hinaus gebe es noch weitere offene Fragen.
Richtlinie vom G-BA erwartet
Das Ministerium stellt in dem Entwurf auch klar, dass es vom G-BA im Ergebnis eine Richtlinie erwartet. Die Vorgaben daraus sollten eine „sachgerechte Steuerung“ der Patienten, die sich als Notfall melden, in die jeweils medizinisch gebotene Versorgungsebene ermöglichen.
Die Pläne sehen vor, dass die Ersteinschätzung künftig von nicht ärztlichem Personal vorgenommen werden soll. Dieses soll via Richtlinie des G-BA dazu befähigt werden, es soll grundsätzlich „keiner ärztlichen Überprüfung“ bedürfen. Eine Ausnahme soll es aber geben.
„Die Einbeziehung des ärztlichen Personals ist erst dann erforderlich, wenn das nicht ärztliche medizinische Personal zu einer abschließenden Ersteinschätzung nicht in der Lage ist. Hierzu hat der G-BA in der Richtlinie Vorgaben zu machen“, schreibt das Ministerium.
BMG sieht Übergangsfrist
Das BMG hält es zudem für nicht unwahrscheinlich, dass auch nach Inkrafttreten der neuen Richtlinie kein geeignetes Softwaresystem für die Ersteinschätzung zur Verfügung steht. Die Softwareentwickler könnten sich dann für Verbesserungen an den Vorgaben des G-BA orientieren.
In Folge könnte es nach Einschätzung des BMG notwendig werden, dass in der Richtlinie eine Übergangsfrist vorgesehen wird, bis das Ersteinschätzungsverfahren im Krankenhaus verpflichtend umgesetzt werden muss.
Krankenhäuser könnten aber mit Vorliegen der Richtlinie schon beginnen, ihre Abläufe entsprechend zu organisieren, schreibt das Ministerium. Ebenso könne die Ausbildung des Personals, das die Ersteinschätzung vornehmen soll, einen Übergangszeitraum erforderlich machen.
Eigentlich sollte der Gemeinsame Bundesausschuss bis Mitte Juli dieses Jahres das Ersteinschätzungsverfahren neu auf die Beine gestellt haben. Den Auftrag dafür hatte noch die Große Koalition aus Union und SPD erteilt.
Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich aber eine Reform der gesamten Notfallversorgung im Krankenhaus in den Koalitionsvertrag geschrieben. Beide Vorhaben könnten daher kollidieren. Heute beschlossene Pläne könnten in einem Jahr wieder zurückgenommen werden müssen.
Vorschläge für eine Reform soll zudem auch die neu ins Leben gerufene Krankenhauskommission erarbeiten. Die Pläne liegen aber noch nicht vor. Auch mit den Ideen der Kommission könnten die Entscheidungen des G-BA zusammenprallen. Offenbar will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beides verhindern.
Mit dem Thema Notfallversorgung haben sich in den vergangenen Monaten immer wieder Verbände, Institutionen und die Politik befasst. Einstimmigkeit, wie genau diese eigentlich aussehen soll, gab es bisher nicht.
Zuletzt gab es im G-BA vier verschiedene Vorschläge. Sie unterscheiden sich teils in Nuancen, vor allem bei der Frage der Zuständigkeiten. Auch stellen sich haftungsrechtliche Fragen. © may/aha/aerzteblatt.de

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