Ärzteschaft
Elektronisches Rezept: KV Schleswig-Holstein steigt aus Rollout aus
Montag, 22. August 2022
Bad Segeberg – Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) zieht sich bis auf Weiteres aus der Rolloutphase des elektronischen Rezeptes (E-Rezept) zurück.
Zur Begründung teilte die KVSH heute mit, digitale Lösungen, die Arztpraxen und Patienten gleichermaßen nutzen könnten, seien momentan nicht umsetzbar. So sei der für Patienten praktikabelste Transportweg versperrt, da der Landesdatenschutz die Umsetzung per E-Mail- oder SMS-Verfahren E-Rezeptes untersagt habe.
„Der Nutzen des E-Rezepts liegt für Arztpraxen im Komfort der bürokratiearmen Erstellung und für Patienten in der Einsparung mehrfacher Wege, was insbesondere für Menschen in ländlichen Bereichen vorteilhaft wäre. Beides kann momentan nicht erreicht werden“, sagte die Vorstandsvorsitzende der KVSH, Monika Schliffke.
Aktuell sei eine Nachricht des Landesdatenschutzes eingegangen, dass auch vom Praxisverwaltungssystem (PVS) erzeugte Transfer-QR-Codes als Gesundheitsdaten einzustufen seien, da auf dem Markt frei erhältliche Apps aus dem Apothekenumfeld jeder Person, die befugt oder unbefugt im Besitz des QR-Codes sei, die Kenntnisnahme von Daten einer Verordnung ermögliche. Beim Hochladen in solche Apps würden die Daten ermittelt und dem App-Nutzenden angezeigt.
In der analogen Welt endet die formale Arzthaftung mit der Übergabe des Rezeptes an den Patienten. Ob dieser damit Medikamente abholt oder nicht abholt, das Rezept verliert, verkauft oder bei Facebook einstellt, liegt nicht im Verantwortungsbereich des Arztes. „Das ist in der digitalen Welt offenbar sehr anders“, so die KV-Vorsitzende. Die Funktionalität, einen QR-Code als Anhang zu versenden, sei PVS-firmenseitig umgehend unterbunden worden.
Die Argumentation des Datenschutzes, den die KVSH selbst eingeschaltet hatte, sei zwar formal, aber nicht inhaltlich nachvollziehbar, denn sie beeinträchtige das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zum Umgang mit seinen eigenen Daten. „Das Gesetz ist offenbar so zu lesen, dass kein Versicherter a.) einer digitalen Übertragung eines datenlosen QR-Codes an sich selbst, b.) an einen bevollmächtigten Dritten oder c.) an die Apotheke seiner Wahl zustimmen kann“, so die KVSH.
Damit gebe es derzeit noch drei Optionen digitaler Wege der E-Rezept-Umsetzung. Die Gematik-App könne momentan kaum genutzt werden, weil es an NFC-fähigen Gesundheitskarten mangele, nur wenige Patienten über die geforderten Smartphone-Typen verfügten und die Einrichtung der App durch Verbot des Video-Ident-Verfahrens der Krankenkassen erschwert werde.
Das Einstellen in eine elektronische Patientenakte (ePA) scheitere an deren minimalem Vorhandensein und die Codeübertragung per Kommunikationsdienst KIM an Apotheken an der Tatsache, dass in Schleswig-Holstein nur eine Handvoll Apotheken bisher mit KIM-Modulen und -Adressen ausgestattet seien.
„Das läuft auf 99 Prozent Papierausdrucke hinaus, was keinem unserer Ziele zur Digitalisierung auch nur annähernd nahekommt. Die Zählung der Gematik zu E-Rezepten zeigt dann auch keinen Digitalisierungsgrad an“, resümierte Schliffke.
Die KVSH kündigte an, die bereits terminierten Schulungen abzuschließen sowie ihre Erreichbarkeit zu speziellen E-Rezept-Fragen aufrechtzuerhalten. Man werde sich „unterstützend wieder einschalten“, wenn gegebenenfalls durch Gesetzesanpassungen und/oder technische Gematik-Aktivitäten eine „praxis- und patientengerechte Alltagstauglichkeit absehbar“ sei.
Schleswig-Holstein sollte neben Westfalen-Lippe als Testregion im weiteren Rolloutplan zum E-Rezept dienen. Für diese Regionen wurden laut Gematik drei Erfolgskriterien beschlossen. Diese beinhalten unter anderem, dass von der Gesamtzahl aller Verordnungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel in jeweils beiden Gebieten 25 Prozent als E-Rezepte ausgestellt werden müssen (bezogen auf den Zeitraum des letzten Abrechnungslaufs). © EB/aha/aerzteblatt.de

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