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Niels H.: Landgericht deutet Freisprüche für frühere Vorgesetzte an

Dienstag, 20. September 2022

/picture alliance, Hauke-Christian Dittrich

Oldenburg – Im Prozess gegen mehrere frühere Vorgesetzte des wegen einer Mordserie an Intensivpatienten verurteilten früheren Krankenpflegers Niels H. könnten alle Angeklagten nach einer vorläufigen juristischen Bewertung des Gerichts freigesprochen werden. Das teilte die zuständige Kammer des Oldenburger Landge­richts nach Angaben von heute den Beteiligten in einer vorläufigen Einschätzung zu Verfahrensstand und Beweiserhebung mit.

In dem Verfahren müssen sich sieben ehemalige und teilweise noch beruflich tätige Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter von zwei niedersächsischen Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst verantworten, in denen H. zwischen 2001 und 2005 zahlreiche Intensiv­patienten tötete.

Ihnen wird vorgeworfen, trotz Verdachtsmomenten einzelne Taten in genau definierten Zeitfenstern nicht verhindert zu haben. Es geht um Vorwürfe wie Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen oder Totschlag und versuchten Totschlag durch Unterlassen.

Aus strafrechtlicher Sicht sind derartige Konstellationen sehr kompliziert zu bewerten. Es kommt auf zahl­rei­che Details an. Für eine Verurteilung muss zwingend nachgewiesen werden, dass die Beschuldigten jeweils zu den genauen Tatzeitpunkten vorsätzlich auf ein Eingreifen verzichteten – sich also im Klaren darüber waren, dass H. im fraglichen Zeitraum Patienten tötete.

Genau das ist nach Einschätzung des Gerichts allerdings unmöglich. Es hätten sich in der Beweisaufnahme keine hinreichenden Feststellungen ergeben, die diesen Schluss mit der erforderlichen Sicherheit zuließen, betonte es. Das Verfahren soll Mitte Oktober weitergehen, Ende Oktober könnte ein Urteil fallen.

Im Fall von vier Beschäftigten des Krankenhauses Oldenburg teilte die Kammer diese Einschätzung bereits vor einigen Monaten in einer ersten vorläufigen Einschätzung mit. Nun gab sie eine ähnliche Bewertung auch für drei Angeklagte aus dem Klinikum Delmenhorst bekannt. In beiden Häusern habe sich war beträchtliches allgemeines „Misstrauen“ gegen H. entwickelt, dies sei allerdings eben nicht gleichbedeutend mit einem Wissen um dessen Täterschaft.

Eine Verurteilung für Vorsatztaten scheidet damit für das Gericht in allen Fällen aus. Stattdessen eventuell in Betracht kommende Vorwürfe fahrlässigen Verhaltens wären hingegen verjährt, erklärte es. Die Folge wären Freisprüche.

H. hatte zahlreiche schwer kranke Patienten auf Intensivstationen mit Medikamenten vergiftet, um sie an­schließend wiederzubeleben. Viele Opfer starben. H. wurde in mehreren Prozessen wegen Tötungsverbrechen an 91 Patienten verurteilt und verbüßt eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes.

In dem nun anhängigen Verfahren müssen sich sieben seiner früheren Vorgesetzten verant­worten, darunter Oberärzte und Stationsleitungen. Das Verfahren gegen einen Angeklagten wurde kurz vor dem Start krank­heitsbedingt abgetrennt.

Bereits im Vorfeld waren in dem Verfahren abweichende Bewertungen zwischen Staatsanwalt­schaft und Ge­richt zu Tage getreten. So ließ das Gericht nur einen kleinen Teil der von der Staatsanwaltschaft angeklagten Fälle nach einer Prüfung überhaupt zur Verhandlung zu, weil es die strengen rechtlichen Voraussetzungen in den anderen von Anfang an als nicht erfüllt ansah. Auch das Oldenburger Oberlandesgericht bestätigte diese Auffassung später. © afp/aerzteblatt.de

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