Politik
Personalmangel größtes Problem im Gesundheitswesen
Mittwoch, 12. Oktober 2022
Berlin – Der Fachkräftemangel ist für die Bürger das größte Problem im deutschen Gesundheitswesen. Das geht aus einer Umfrage hervor, die das Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Ende August unter 5.000 Menschen in Deutschland vorgenommen hat.
Auf die Frage, wo sie den größten Handlungsbedarf im Gesundheitssystem sehen, antworteten 41 Prozent der Befragten, dass das Personal zu wenig Zeit für die Patienten habe. 25,4 Prozent nannten zu langen Wartezeiten auf einen Arzttermin. 14,9 Prozent zu hohe Krankenversicherungsbeiträge.
Es sei entscheidend, das vorhandene Personal nicht weiter durch überflüssige Bürokratie zu belasten und somit die Zeit für die Patienten noch mehr zu vermindern, kommentierte der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gaß, heute bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse in Berlin. Es brauche also schnell eine deutliche Entbürokratisierung.
„Wir erleben in Deutschland aber das Gegenteil von Bürokratieabbau“, kritisierte Gaß. Der vor kurzem veröffentlichte MB-Monitor des Marburger Bundes (MB) habe ergeben, dass Ärztinnen und Ärzte drei Stunden pro Tag und mehr für Bürokratie aufbringen müssten. Und bei der Pflege sei es nicht anders.
Gaß forderte, dass die Politik einmal ernsthaft überprüft, „wo die Dokumentation wirklich notwendig ist und wo sie nur der Misstrauenskultur dient“. Die Krankenhäuser seien permanenten, kleinstteiligen Kontrollen durch den Medizinischen Dienst ausgesetzt. Wenn nicht notwendige Dokumentationen gestrichen würden, könnten die Krankenhäuser mehr Ärztinnen, Ärzte und Pflegende für die Arbeit mit den Patienten einsetzen, ohne dafür neues Personal einstellen zu müssen.
„Die Konten werden jeden Tag leerer“
Auch die Bürokratie trage dazu bei, den kalten Strukturwandel zu befördern, dem die deutsche Krankenhauslandschaft ausgesetzt sei. „Wir haben eine ganze Reihe von Qualitätsvorgaben, wir haben Personalvorgaben und den wirtschaftlichen Druck. Diese Rahmenbedingungen führen zu einem schleichenden Prozess, in dem Krankenhäuser, Geburtshilfen oder Pädiatrien nach und nach verschwinden“, sagte Gaß. Aktuell werde diese Entwicklung noch durch die Preissteigerungen infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine angetrieben.
„In diesem Jahr haben die deutschen Krankenhäuser fünf Milliarden Euro ungedeckte Kosten, im kommenden Jahr werden es zehn Milliarden sein“, meinte der DKG-Vorsitzende. „Den Krankenhäusern fehlt dieses Geld, um die Gehälter auszahlen zu können. Jeder Tag, der vergeht, ist ein Tag, an dem die Konten der Krankenhäuser leerer werden.“ Und nun stehe der November bevor, an dem die Weihnachtsgelder ausgezahlt würden. Es drohten Engpässe, die auf zunehmende Insolvenzen hindeuteten.
Regierungskommission arbeitet ohne politisches Zielbild
Gaß kritisierte, dass die Politik keine Maßnahmen treffe, um diesen kalten Strukturwandel zu beenden. Auch die Vorgaben für die Regierungskommission, die Reformen im stationären Sektor vorbereitet, seien nicht ausreichend.
„Wir haben nicht den Eindruck, dass Bund und Länder an einer großen Reformvision arbeiten, sondern dass jetzt viele Einzelinstrumente eingeführt werden, die den laufenden kalten Strukturwandel nicht aufhalten“, sagte Gaß. „Wir befürchten, dass es in dieser Legislaturperiode keine verantwortliche gestaltende Politik in diesem Bereich mehr geben wird.“
Die zentrale Kritik der DKG sei, dass die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern kein klares Zielbild vorgegeben habe, auf das die Kommission hinarbeiten könne. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe es versäumt, zusammen mit den Bundesländern einen Prozess vorzuschalten, in dem sich Bund und Länder verständigen, was überhaupt geändert werden solle.
„Insofern arbeitet die Kommission in einer Art luftleerem Raum ohne Zielbild und wird dabei Instrumente entwickeln, die im Zweifel gar nicht dazu passen, was die politisch Verantwortlichen in den Bundesländern wollen“, so Gaß.
Bei Tagesbehandlungen müssen Haftungsfragen geklärt werden
Die vor kurzem von der Kommission vorgeschlagenen Tagesbehandlungen befürwortete Gaß grundsätzlich. Mit ihnen soll es den Krankenhäusern ermöglicht werden, eine Krankenhausbehandlung in Absprache mit den Patienten auch ohne Übernachtung anzubieten – so, wie es in den Tageskliniken bereits gemacht wird. „Wir begrüßen diesen Vorschlag, aber man muss genau über die Rahmenbedingungen nachdenken – zum Beispiel im Bereich der Haftung“, sagte Gaß.
„Denn wenn Krankenhäuser Patienten nach einer Operation nach Hause schicken, müssen die Risiken abgefedert werden, wenn es zu Hause zu Komplikationen kommen sollte. Wenn solche Fragen geklärt sind und die Rahmenbedingungen stimmen, können Tagesbehandlungen in den nächsten Jahren dazu führen, dass das Personal flexibler eingesetzt werden kann. Wer aber glaubt, im nächsten Jahr zehn Prozent der Pflegenden durch die Tagesbehandlungen umwidmen zu können, der irrt.“ © fos/aerzteblatt.de

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