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Medizin

COVID-19: Neun Monate nach dem Lockdown weniger Geburten in Europa

Montag, 17. Oktober 2022

/picture alliance, dpa, Fabian Strauch

Lausanne – In den meisten europäischen Ländern, so auch in Deutschland, ist es im Januar 2021 – 9 bis 10 Mo­nate nach dem ersten Lockdown – zu einem Rückgang der Geburtenrate gekommen, dessen Ausmaß laut einer Studie in Human Reproduction (2022; DOI: 10.1093/humrep/deac215) mit der Dauer des Lockdowns zunahm.

Zu Beginn der Pandemie war noch vorhergesagt worden, dass der Lockdown und die vermehrte Arbeit im Homeoffice einen Babyboom auslösen könnte, was für viele Länder mit seit Jahren zurückgehender Geburtenrate eine willkommene Entlastung wäre.

Dies hat sich nach den jetzt von Léo Pomar von der Universitätsklinik Lausanne zusammen­getragenen Daten der „Human Fertility Database“ als frommer Wunsch erwiesen. Die Verun­sicherung durch die Pandemie und die Aus­wirkungen auf die persönliche Lage scheinen eher dazu geführt zu haben, dass Paare ihren Kinderwunsch zu­nächst einmal aufgeschoben haben.

In 22 der 24 Länder, zu denen Pomar Zahlen auswerten konnte, kam es im Januar 2021 zu einem Rückgang der Geburtenrate. Am deutlichsten war er in Litauen (-28,1 %) und der Ukraine (-24,4 %). In beiden Ländern waren die Geburten bereits vor der Pandemie rückläufig (um jährlich 3,4 % in Litauen und 6,9 % in der Ukraine).

In Spanien verstärkte sich der Rückgang von 3,8 % auf 23,5 %, in Russland von 6,4 % auf 19,1 %. Auch Rumänien, das zuletzt eine gleichbleibende Geburtenrate hatte (0,1 %), wurde durch den Lockdown schwer getroffen. Die Geburtenzahl sank im Januar 2021 um 23,3 %.

Deutlich geringer war der Rückgang in einigen zentraleuropäischen Ländern wie Tschechien und Ungarn (beide -3,2 %), Kroatien (-2,9 %) sowie den Niederlanden (-1,8 %) während es in Finnland (+0,5 %) und Dänemark (+1,9 %) sogar zu einer Zunahme kam.

In allen 24 Ländern zusammen betrug der Rückgang 14,1 %. Deutschland lag mit einem Rückgang um 7,1 % deutlich unter dem Durchschnitt, allerdings wurde der zuletzt erfreuliche Anstieg der Geburtenrate um 1,4 % pro Jahr erst einmal gestoppt.

Als mögliche Erklärung kommt die Angst vor einer Infektion während der Schwangerschaft infrage, die als unkal­kulierbares Risiko empfunden werden konnte, oder die Überforderung des Gesundheitswesens, die eine Geburt in der Klinik als ungewiss erscheinen ließ.

Auch schienen in einer ersten Analyse Länder mit einer niedrigen Wirtschaftsleistung betroffen zu sein. In einer multivariaten Analyse blieb jedoch der Lockdown der einzige Einflussfaktor. Je länger das öffentliche Leben stillstand, desto größer war der Einbruch in der Geburtenrate.

Eine biologische Ursache kann Pomar weitgehend ausschließen. Die Pandemie hat weder zu einem Anstieg von Todesfällen bei Schwangeren geführt, noch ist es zu einer Zunahme bei den Tot- oder Fehlgeburten gekommen. COVID-19 unterscheidet sich damit von anderen Pandemien wie der Spanischen Grippe, an der auch viele Schwangere gestorben waren, oder der Zika-Epidemie mit dem Anstieg von Totgeburten.

Die Hoffnung beruht auf einem „Rebound“-Effekt, bei dem die Geburtenzahlen nach dem Ende des Lockdowns deutlich ansteigen müssten. In einigen Ländern kam es tatsächlich zu einer Zunahme. In Deutschland stieg die Zahl der Geburten im Februar 2021 um 6,9 % und im März um 5,2 %.

Im April waren es nur noch 0,24 % mehr als im Durchschnitt der letzten Jahre vor der Pandemie. Im Mai 2021 kam es erneut zu einem Rückgang um 1,99 %. Ähnliche Trends wurden in anderen westeuropäischen Ländern beobachtet.

Einige besonders stark vom Geburtenrückgang betroffene Länder wie Litauen, Rumänien, die Ukraine und Russland hatten sich jedoch bis Mai oder Juni 2021 noch nicht von der Geburten­krise erholt. © rme/aerzteblatt.de

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