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Politik

Corona: Erste Länder heben Isolationspflicht auf, Debatte ebbt nicht ab

Dienstag, 15. November 2022

/Bits and Splits, stock.adobe.com

Berlin – Bayern und Baden-Württemberg schaffen Fakten: Ab morgen gilt für Coronainfizierte in beiden Län­dern keine Isolationspflicht mehr. Das kündigten heute Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) und Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) aus Baden-Württemberg an.

Dann gilt die neue Allgemein­verfügung zu Schutzmaßnahmen bei positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getesteten Personen. An die Stelle der Isolationspflicht treten damit verpflichtende Schutzmaßnahmen für positiv Getestete.

Dazu gehören eine grundsätzliche Maskenpflicht außerhalb der eigenen Wohnung sowie Betretungs- und Tätig­keitsverbote in medizinischen und pflegerischen Bereichen mit vulnerablen Personengruppen sowie in be­stimmten Gemeinschaftsunterkünften.

Beide Verbote gelten für mindestens fünf Tage. Die Schutzmaßnahmen gelten fort, bis mindestens 48 Stunden Symp­tomfreiheit besteht. Sie enden jedoch auch bei symptomatischen Personen spätestens nach Ablauf von zehn Tagen.

Die neuen Regelungen gelten ab morgen auch für positiv Getestete, die sich derzeit noch in Isolation befin­den. Das heißt: Für sie endet die Isolationspflicht mit Inkrafttreten der neuen Allgemeinverfügung. An die Stelle der Isolationspflicht treten dann die neu geregelten Schutzmaßnahmen.

„Der Umgang mit dem Coronavirus hat sich verändert, denn die Pandemie ist in eine neue Phase eingetreten. Der Wegfall der Isolationspflicht ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg aus der Pandemie“, sagte Hole­tschek. Er appellierte zugleich an die Menschen, die Schutzmaßnahmen einzuhalten – und sich selbst zu isloieren, wenn sie positiv getestet sind.

„Die Aufhebung der Absonderungspflicht ist aus infektiologischer Sicht derzeit vertretbar. Das zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen in unseren europäischen Nachbarländern, die diesen Schritt bereits gegangen sind“, sagte Sozial- und Gesundheitsminister Manne Lucha.

Persönliche Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Masken seien aber weiterhin wichtig, nicht zuletzt auf­grund einer derzeit zunehmenden Zahl an anderen Atemwegserkrankungen, beispielsweise der Influenza. Grundsätzlich gelte, wer krank sei und Symptome habe, solle wie bisher auch zu Hause bleiben und sich krankschreiben lassen.

Deutschand diskutiert

Die Ankündigung für das Ende der Coronaisolationspflicht in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schles­wig-Holstein ist in den vergangenen Tagen bundesweit heftig diskutiert worden und die Debatte ebbte auch heute nicht ab. Während die Bundesärzte­kam­mer (BÄK) das Vorhaben nicht als problematisch ansieht, sind Behindertenverbände sehr skeptisch.

Angesichts zurückgehender Infektionszahlen und überwiegend milden Krankheitsverläufen sei der Schritt „medizinisch vertretbar“, sagte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt, der Rheinischen Post. Das zeigten auch Erfah­rungen anderer europäischer Länder, die diesen Schritt bereits gegangen seien.

Reinhardt verwies darauf, dass Isolationspflichten „weitreichende freiheitseinschränkende Maßnahmen“ seien, „die zum jetzigen Zeitpunkt unverhältnismäßig sind“. Wünschenswert wäre es aus seiner Sicht aber, „wenn sich die Länder auf ein bundesweit einheitliches Vorgehen einigen“.

Denn es sei voraussichtlich schwierig, „die Menschen in einem Bundesland anzuhalten, sich auch bei symp­tom­freien Verläufen an strikte Isolationsvorgaben zu halten, wenn im Nachbarbundesland in gleich gelager­ten Fällen keine Beschränkungen gelten“, sagte Reinhardt. „Wichtig ist, dass die Menschen lernen, eigenver­ant­wortlich mit diesen Lockerungen umzugehen und Rücksicht nehmen.“

„Ob es eine gesetzlich verankerte Isolationspflicht gibt oder nicht, ist eine politische Entscheidung“, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Markus Beier, der Rheinischen Post. Aus medizinischer Sicht müsse der Leitspruch lauten: Wer krank sei, bleibe konsequent zu Hause. „Niemand, der hustet und schnieft, sollte sich ins Büro oder eine volle Bahn setzen“, so Beier.

Aus Sicht der Hausärzte zeige die Erfahrung, dass es die Ausnahme sei, dass Patienten zwar einen positiven Coronaschnelltest hätten, aber keinerlei Symptome aufweisen würden. „Wenn also jeder mit Symptomen kon­sequent zu Hause bleibt, dann wird nur eine sehr kleine Zahl an Menschen von einer Änderung der Isolations­pflicht auch praktisch betroffen sein.“

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) mahnte ein einheitliches Vorgehen an. „Wenn die Pandemie für beendet erklärt ist, müssen konsequent auch Isolation, Maskenpflicht und andere Maßnahmen fallen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß.

Corona müsse dann so behandelt werden wie andere Krankheiten auch: „Wer krank ist, bleibt zuhause.“ So­lange allerdings die Pandemie noch nicht als beendet betrachtet werde, „ist es nicht sinnvoll, einzelne Be­reiche von Schutzmaßnahmen auszunehmen, andere aber nicht“, fügte Gaß hinzu.

Bereits gestern hatte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), den Schritt als „folgerichtig“ bezeichnet. „In Einrichtungen, in denen es ein größeres Risiko gibt, etwa in Krankenhäu­sern oder Arztpraxen, liegen mittlerweile gute Hygienekonzepte vor“, so Gassen.

Wer sich trotz Corona gesund fühle, sollte daher zur Arbeit gehen können – und dann beispielsweise eine Maske tragen. „Auf diese Weise lassen sich personelle Einschränkungen im Bereich der kritischen Infrastruktur zudem verhindern“, führte Gassen aus.

„Wir müssen zurück zur Normalität und mit Corona umgehen und leben wie mit anderen Infektionskrank­hei­ten auch“, sagte der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Stephan Hofmeister. „Im Falle gefährlicherer Varianten können Quarantäneregelungen natürlich weiterhin sinnvoll sein“, so Hofmeister.

Aus der BAG Selbsthilfe kommt Kritik. Viele Menschen mit Immunschwäche oder unter immunsupprimieren­den Medikamenten könnten sich nicht selbst durch eine Impfung vor einem schweren Verlauf schützen, da die Impfung bei ihnen nicht in gleichem Maße wirke, so der Verband.

„Die Mehrzahl der chronisch kranken Kinder und Erwachsenen sind darauf angewiesen, dass sich in ihrer Klasse oder an ihrem Arbeitsplatz keine Menschen mit einer Coronainfektion aufhalten, da sie bei einer Infektion nach wie vor – trotz Impfung – ein Risiko für einen schweren Verlauf haben“, betonte Bundesge­schäftsführer Martin Danner.

Das Tragen von Masken durch die Infizierten könne dieses Risiko nicht beseitigen, zumal diese oft falsch ge­tragen würden. Vor diesem Hintergrund halte man die vorgesehene Abschaffung der Isolationspflicht für die vulnerablen Personengruppen für „hochgefährlich“, sagte Danner. Er forderte eine bundeseinheitliche Rege­lung, die die Isolationspflicht bei einem positiven Test weiterhin klar und eindeutig festlege.

Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein hatten am vergangenen Freitag angekündigt, die generelle Isolationspflicht für positiv getestete Menschen aufzuheben. In diesen Ländern sollten „zeitnah“ neue Regelungen in Kraft treten, die derzeit ausgearbeitet werden, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung.

Weitere Bundesländer dachten zuletzt darüber nach, sich den vier Bundesländern anzuschließen. Andere lehnten einen solchen Schritt ab. © afp/dpa/may/aerzteblatt.de

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