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Infektiologie und Innere Medizin: Sächsische Landesärztekammer lehnt Facharzteinführung ab

Donnerstag, 17. November 2022

/dpa

Erfurt – In Sachsen wird es vorest keinen Facharzt für Infektiologie und Innere Medizin geben. Das haben die Delegierten der Sächsischen Landesärztekammer (SLÄK) auf der 67. Kammerversammlung entschieden. Sie sind damit nicht den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Ärztetags gefolgt. Fachgesell­schaf­ten übten Kritik.

Wie die SLÄK heute auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes mitteilte, hatte den Delegierten in Sachsen eine Beschluss­vorlage zur Sat­zungsänderung der Weiterbildungsordnung vorgelegen. Dieser beinhaltete eine Reihe von Anpassung an die auf den letzten beiden Deutschen Ärztetagen beschlossenen Änderun­gen der Muster­weiterbildungsordnung.

Im Mittelpunkt stand dabei die Einführung eines Facharztes für Innere Medizin und Infektiologie als 10. Fach­arztkompetenz in diesem Gebiet bei Fortbestehen einer entsprechenden Zusatzweiterbildung. „Wenngleich die­se neue Facharztbezeichnung mittlerweile von den meisten Bundesländern übernommen wurde, lehnten dies nach intensiver Diskussion eine Mehrheit der sächsischen Mandatsträger ab“, sagte ein SLÄK-Sprecher.

Begründet worden sei die Entscheidung mit der Notwendigkeit einer qualifizierten und breit aufgestellten infektiologischen Versorgung durch unterschiedliche Fachgebiete und mögliche sozialrechtliche Folgen bei Einführung eines neuen Facharztes, erklärte er.

Auch müsste dieser neue Facharzt in der vertragsärztlichen Versorgung vorgehalten werden, was formal zu einem weiteren Ärztemangel beitragen würde, hätten die Delegierten angeführt. Spezialkenntnisse in einem Fachgebiet sollten demnach nicht regelmäßig eine neue Facharztbezeichnung und damit eine weitere Zerglie­derung der Medizin zur Folge haben, hieß es.

Wie der Sprecher weiter erklärte, hätten Auswirkungen auf mögliche Förderprogramme bei der Abstimmung keine Rolle gespielt. Die Bundesregierung plant derzeit, das aktuell bestehende Hygieneförderprogramm zur Unterstützung von Krankenhäusern umzugestalten, Künftig soll es auf den inhaltlich vor allem auf die Infektiologie beschränkt sein und als „Infektiologieförder­programm“ fortgeführt werden.

Man trage damit auch der Tatsache Rechnung, dass auf dem 124. Deutschen Ärztetag die bundesweite Ein­führung eines Facharztes für Innere Medizin und Infektiologie beschlossen wor­den sei, schreiben SPD, Grüne und FDP.

Neben Sachsen hat bisher dem Vernehmen nach noch Brandenburg die Spezialisierung auf Facharztniveau für Infektiologen abgelehnt.

Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) und der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) kritisieren die Entscheidung der SLÄK scharf. Der Beschluss sei ein Rückschlag für die Infektionsmedizin in Sachsen, verschlechtere die beruflichen Perspektiven junger Ärzte in dem Bundesland und ziehe für die dortigen Kliniken zudem finanziell Nachteile nach sich, teilten die Fachgesellschaften und Berufsverbände mit.

Eigentlich hat die Infektionsmedizin in Sachsen eine lange Tradition. Sachsen hat als einziges Bundesland eine eigene Impfkommission; zudem haben mehrere Zentren in Leipzig und Dresden über das Bundesland hinaus in der Infektionsmedizin einen hervorragenden Ruf. „Umso erstaunlicher ist der aktuelle Beschluss der SLÄK, denn er wird diese Standorte nachhaltig und langfristig schwächen“, sagte Bernd Salzber­ger, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI).

Über Jahrzehnte bestand die Ausbildung in der Infektiologie aus einer einjährigen Zusatzbezeich­nung. „Die Entscheidung für den Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie hat endlich der Komplexität des Faches Rechnung getragen und zugleich die Karriere- und Forschungsmöglichkeiten für junge Ärztinnen und Ärzte in der Infektiologie deutlich verbessert“, erläuterte Jenny Bischoff, Sprecherin der Sektion Junge DGI.

„Wir befürchten, dass junge Ärztinnen und Ärzte, die sich für Infektionsmedizin interessieren, Sachsen und Bran­denburg eher meiden werden und ein Bundesland wählen, in dem sie eine anerkannte Ausbildung erhal­ten können“, ergänzte Anahita Fathi, Sprecherin der AG Junge DGIM, die am Zentrum für Innere Medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in der Sektion Infektiologie der I. Medizinischen Klinik tätig ist.

Christoph Lübbert, Leiter des Bereichs Infektiologie und Tropenmedizin am Department für Innere Medizin des Universitätsklinikums Leipzig, bestätigt diese Befürchtung. Bei ihm hätten sich bereits Ärzte gemeldet, die sich Sorgen machten, ob sie ihre infektiologische Facharztweiterbildung in Sachsen fortsetzen könnten. Sie zögen bereits einen Standortwechsel in Erwägung.

Darüber hinaus bereitet die Sächsische Landesärztekammer mit ihrer Entscheidung den Kliniken auch finan­zi­elle Nachteile: „Ohne Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie bleiben den sächsischen Krankenhäusern umfangreiche Fördergelder, die eigentlich ab 1. Januar 2023 für die nächsten drei Jahre vorgesehen waren, versperrt“, sagt Salzberger.

„Wir rufen die SLÄK dazu auf, ihren aktuellen Beschluss zu revidieren und eine zukunftsfähige und bedarfsge­rechte Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Infektionskrankheiten in Sachsen zu sichern“, forderte der DGIM-Vorsitzende Ulf Müller-Ladner. © may/EB/aerzteblatt.de

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