Politik
Schutzmaßnahmen für Pflegebedürftige gegen COVID-19: Soziale Isolation problematisch
Mittwoch, 16. November 2022
Berlin – Zum Höhepunkt der zweiten Welle COVID-19-Welle von Dezember 2020 bis Februar 2021 war die Sterblichkeit bei Pflegeheimbewohnern deutlich erhöht: Durchschnittlich starben wöchentlich elf von 1.000 Heimbewohnern.
In den Jahren 2015 bis 2019 waren es durchschnittlich sieben von 1.000. Das zeigt eine neue Studie der Charité Universitätsmedizin Berlin, die der GKV-Spitzenverband gefördert hat.
Danach sank die Mortalität der Heimbewohner aber in der dritten Welle unter den Wert der Vorjahre – möglicherweise wegen der priorisierten Impfung in Pflegeheimen. Von den mit einer Coronainfektion in ein Krankenhaus eingewiesenen Heimbewohnenden verstarben knapp 60 Prozent innerhalb von 90 Tagen nach der Hospitalisierung.
Die sogenannte COVID-Heim-Studie startete im Juli 2020 und lief über zwei Jahre. Basis der Erhebung sind anonymisierte Abrechnungsdaten der AOK Kranken- und Pflegekassen von Januar 2015 bis Juni 2021. Zusätzlich hat die Charité-Arbeitsgruppe Pflegepersonen und Heimleitungen sowie Pflegebedürftige befragt.
Problematisch ist der Untersuchung zufolge gewesen, dass die Schutzmaßnahmen die soziale Teilhabe der Pflegebedürftigen stark eingeschränkt haben. Das zeigt eine Befragung von 873 Pflegeheimleitungen zu Einschränkungen während der zweiten COVID-19-Welle im Rahmen der Studie.
85 Prozent nannten eingeschränkte Besuche als Maßnahme in ihrer Einrichtung, 82 Prozent hatten den Körperkontakt zwischen allen Personen reduziert und zwei Drittel hatten gemeinsame Veranstaltungen gestrichen. Neun von zehn Pflegekräften bestätigten, dass Schutzmaßnahmen dieser Art Folgewirkungen für die Bewohnenden gehabt hätten, allen voran Einsamkeit, Rückzug und Verwirrung.
Die Studie zieht das Fazit, dass soziale Teilhabe durch den Einbezug von pflegenden Angehörigen und Ehrenamtlichen gestärkt werden müsste, pflegenden Angehörigen dürfe der Zugang nicht untersagt werden.
„Die soziale Teilhabe von Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern muss auch unter den schwierigen Bedingungen einer Pandemie gewährleistet sein, um zum Beispiel Vereinsamung vorzubeugen. Der Ausbau digitaler Kontaktpflege kann hier ein Ansatz sein“, sagte Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands.
Eine weitere jetzt im Rahmen einer Fachtagung in Berlin präsentierte Studie untersuchte, wie pflegende Angehörige Belastungen während der Coronapandemie erlebten.
In dieser „BerTA-Studie“ berichten 51 Prozent der Befragten von einer deutlich höheren Pflegebelastung, die vor allem auf den Wegfall ergänzender Pflegeleistungen zum Beispiel durch Pflegedienste und Tagespflege zurückzuführen war. Die Mehrzahl der pflegenden Angehörigen leidet der Befragung zufolge unter Einsamkeit und fehlenden Erholungsmöglichkeiten.
„Die pflegenden Angehörigen übernehmen einen Großteil der Pflege und werden häufig in den Diskussionen um die Versorgung pflegebedürftiger Menschen vernachlässigt“, sagte Kiefer. Deshalb sei wichtig, Ausgleichs- und Unterstützungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige künftig stärker in den Blick zu nehmen, betonte er.
Die BerTA Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und von Klaus Pfeiffer, Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart, und Gabriele Wilz, Friedrich-Schiller-Universität Jena, geleitet. © hil/aerzteblatt.de

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