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Medizin

Krämpfe und Epilepsien nach COVID-19 häufiger als nach Influenza

Montag, 21. November 2022

/peterschreiber.media, stock.adobe.com

Oxford – Im Anschluss an COVID-19 kommt es häufiger zu Krampfanfällen oder einer Epilepsie als nach einer Grippe. Dies kam in einer Analyse von elektronischen Krankenakten heraus. Kinder waren nach der Publika­tion in Neurology (2022; DOI: 10.1212/WNL.0000000000201595) häufiger betroffen als Erwachsene und ambulante Patienten häufiger als hospitalisierte Patienten.

Schwere Infektionen sind ein bekannter Risikofaktor für Krampfanfälle, die allerdings eine insgesamt seltene Komplikation sind. Der Pathomechanismus ist nicht genau bekannt. Metabolische Störungen infolge einer schweren Erkrankung könnten die Erregbarkeit der kortikalen Neurone erhöhen. Im schlimmsten Fall könnte auch ein Schlaganfall der Auslöser sein. Bei Patienten mit COVID-19 wurden in früheren Studien im EEG epileptiforme Aktivitäten entdeckt.

Ein Team um Arjune Sen vom „Nuffield Department of Clinical Neurosciences“ an der Oxford-Universität in England hat deshalb in elektronischen Krankenakten nach einer Häufung von Krampfanfällen oder Epilepsien bei COVID-19-Patienten gesucht. Die Datenquelle bildeten 81 Mio. Patienten (überwiegend aus den USA), deren elektronische Daten von „TriNetX Analytics“ verwaltet werden.

In einer „Propensity Score“-Analyse wurden jeweils 152.754 Patienten mit Influenza und COVID-19 gegen­übergestellt, die sich in allen Eigenschaften und Begleiterkrankungen glichen. Da niemals alle für einen Vergleich relevanten Daten verfügbar sind, sind solche retrospektiven Analysen nur bedingt aussagefähig, sie können jedoch erste Hinweise liefern.

Die Forscher fanden heraus, dass in den ersten 6 Monaten nach der Diagnose von COVID-19 0,81 % der Patienten wegen Krampfanfällen behandelt wurden. Eine Epilepsiediagnose wurde bei 0,30 % der Kohorte gestellt. Beide Ereignisse waren damit häufiger als bei Grippepatienten, die zu 0,51 % an Krampfanfällen und zu 0,17 % an einer Epilepsie erkrankten.

Sen ermittelt für COVID-19-Patienten (im Vergleich zu den Grippepatienten) eine Hazard-Ratio von 1,55 für das Auftreten von Krampfanfällen. Sie war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,39 bis 1,74 statistisch signifikant. Für eine Epilepsie betrug die Hazard-Ratio signifikante 1,87 (1,54-2,28).

Kinder waren mit 1,34 % versus 0,69 % (Hazard-Ratio 1,85; 1,54-2,22) häufiger betroffen als Erwachsene mit 0,84 % versus 0,54 % (Hazard-Ratio 1,56; 1,37-1,77). Dies ist überraschend, weil Kinder in der Regel leichter an COVID-19 erkranken als Erwachsene.

Auch der Befund, dass ambulante Patienten häufiger als hospitali­sierte Patienten an Krampfanfällen und manifesten Epilepsien erkrankten, widerspricht der allgemeinen An­nahme, nach der der Schweregrad der Infektion der wesentliche Risikofaktor ist.

Eine mögliche Erklärung liefert die Verzögerung, mit der die Krampfanfälle und Epilepsien auftraten. Bei Kindern waren im Mittel 50 Tage seit der Diagnose von COVID-19 vergangen, bei Jugendlichen und Erwach­senen betrug das Intervall 21 Tage, bei ambulanten Patienten 41 Tage und bei hospitalisierten Patienten 9 Tage.

Sen vermutet, dass in den ersten 3 Gruppen immunologische Phänomene für die Krampfanfälle und Epilep­sien verantwortlich sind. Bei den hospitalisierten Patienten könnten auch zerebrale Durchblutungsstörungen von Bedeutung sein.

Das erworbene Immunsystem benötigt in der Regel eine gewisse Zeit, bis es auf eine Infektion reagiert. Wie und warum das Immunsystem die Nerven attackieren oder die Empfindlichkeit für Krampfanfälle/Epilepsien steigern könnte, ist derzeit unklar.

Frühere Studien hatten gezeigt, dass es nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 (vorübergehend) zur Bildung von Autoantikörpern kommt. Bei Kindern kann es zu einem „Multisystem Inflammatory Syndrome“ (MIS) kommen. Krampfanfälle und Epilepsien wurden auch während der SARS-Epidemie und beim „Middle East Respiratory Syndrome“ (MERS) beobachtet. Beide Erkrankungen werden ebenfalls von Coronaviren ausgelöst. © rme/aerzteblatt.de

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