Ärzteschaft
Hälfte der Arztpraxen hat jede Woche Probleme mit der Telematikinfrastruktur
Dienstag, 22. November 2022
Berlin – Jede zweite Arztpraxis hat mindestens einmal pro Woche technische Schwierigkeiten mit der Telematikinfrastruktur (TI). Das geht aus dem E-Health Monitor der Unternehmensberatung McKinsey hervor. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens habe im vergangenen Jahr allerdings auch Fortschritte gemacht.
Arztpraxen sind trotz anhaltender Probleme bei der staatlich koordinierten Einführung elektronischer Verordnungen (E-Rezepte), elektronischer Patientenakten (ePA) und anderer Anwendungen in der TI digital besser aufgestellt als je zuvor.
So bieten nach Angaben der McKinsey-Untersuchung mittlerweile 61 Prozent aller Praxen in Deutschland digitale Services an. Der Großteil entfalle dabei mit 37 Prozent auf Videosprechstunden und Online-Terminvereinbarungen mit 21 Prozent.
Insgesamt seien 2021 rund 3,5 Millionen Videosprechstunden abgerechnet worden. Das entspreche einem Anstieg von 29 Prozent zum Vorjahr. Allerdings sei nicht sicher, wir nachhaltig das ist. „Offen bleibt, wie lange der Pandemieeffekt noch anhält. Denn fast die Hälfte der Arztpraxen hat das Angebot im Zuge der Lockerung von Pandemiebeschränkungen reduziert“, erklärte Laura Richter von McKinsey.
Ebenfalls stark zugenommen habe auch die Verordnung von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA): Konservativ gerechnet sei davon auszugehen, dass Ärzte sie in diesem Jahr 125.000 mal ihren Patienten verschreiben. Das wäre eine Steigerung um 177 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, in dem rund 62.000 DiGA-Verordnungen ausgestellt worden waren. Bei einem Durchschnittspreis von 458 Euro pro App beziffert McKinsey das Marktvolumen auf circa 57 Millionen Euro.
Bis Anfang November war die Zahl der verordnungs- und erstattungsfähigen DiGA auf 33 Apps in zehn Therapiegebieten gestiegen. Auf Patientenseite scheint das Feedback positiv: 63 Prozent der Nutzenden meldete demnach einen positiven Versorgungseffekt und 86 Prozent gaben an, bei einer erneuten Erkrankung wieder eine DiGA nutzen zu wollen.
Ganz anders sieht die diesjährige Bilanz bei der wichtigsten digitalen Anwendung im Gesundheitswesen aus, der ePA. Sie war auch 2022 ein Flop: Unter einem Prozent aller Versicherten mit ePA-Anspruch haben eine – und die meisten von ihnen scheinen leer zu sein. Gerade einmal 135.000 Dokumente seien bisher in die ePA geladen worden.
Ebenfalls noch weit von den eigenen Möglichkeiten entfernt sei die digitale Kommunikation der Leistungserbringer: Zwar habe sich der Anteil mehrheitlich digitaler Kommunikation zwischen Arztpraxen und Krankenhäusern verdreifacht – allerdings von vier auf zwölf Prozent. Das Skalierungspotenzial für digitalen Datenfluss sei damit längst nicht ausgeschöpft.
Dass nach wie vor so viel Kommunikation analog erfolgt, liege einerseits an der geringen digitalen Reife der Krankenhäuser, andererseits aber auch daran, dass in den Praxen eine reibungslose Nutzung digitaler Anwendungen oft kaum möglich sei. Die Hälfte der Arztpraxen, die an die TI angeschlossen sind – 96 Prozent von ihnen – beklage wöchentlich technische Fehler. Im Vorjahr habe der Wert noch bei 36 Prozent gelegen.
Auch das trägt zum schwierigen Stand der Digitalisierung in den Praxen bei. Zwar zeige sich die Hälfte der Arztpraxen bereit für digitale Innovationen, allerdings würden gleichzeitig 65 Prozent der Ärzte das Kosten-Nutzenverhältnis der Digitalisierung hinterfragen.
Außerdem befürchtet laut McKinsey jeder zweite Arzt, dass sich durch die verstärkte Nutzung digitaler Anwendungen das Verhältnis zu den Patienten verschlechtert. Nur 14 Prozent würden demnach digitalen Services das Potenzial zusprechen, den Therapieerfolg zu verbessern. © lau/aerzteblatt.de

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