Medizin
Morbus Parkinson: Eisenchelator Deferipron scheitert in klinischer Studie
Dienstag, 20. Dezember 2022
Lille/Frankreich – Der Chelatbildner Deferipron hat in einer europaweiten Phase-2-Studie zwar die Eisenablagerungen in der Substantia nigra des Gehirns vermindert, ein günstiger Einfluss auf den Verlauf eines Morbus Parkinson war allerdings nicht nachweisbar. Es kam laut der Publikation im New England Journal of Medicine (2022; DOI: 10.1056/NEJMoa2209254) vielmehr zu einer deutlichen Verschlechterung der Symptome, die gegen eine weitere klinische Erprobung sprechen.
Die Rationale für die FAIRPARK-II-Studie, die vom Rahmenprogramm „Horizont 2020“ der Europäischen Union finanziert wurde, waren die deutlichen Eisenablagerungen im Gehirn, zu denen es im Verlauf eines Morbus Parkinson (aber auch anderer degenerativer Erkrankungen sowie mit zunehmendem Alter) kommt.
Der Chelatbildner Deferipron, der die Blut-Hirn-Schranke passiert, hatte sich bei einer seltenen genetischen Erkrankung, der Neurodegeneration mit Eisenablagerung im Gehirn (NBIA), als wirksam erwiesen. Bei dieser Erkrankung kommt es zu deutlichen Eisenablagerungen in der Substantia nigra, wo der Morbus Parkinson seinen Anfang nimmt. Die Behandlung besserte auch die Parkinsonsymptomatik, zu der es bei der NBIA kommt.
An der FAIRPARK-II-Studie nahmen an 23 Zentren (in Deutschland die Universitäten in Homburg/Saar, Kiel und Rostock) insgesamt 372 Patienten teil, deren Parkinson-Erkrankung vor median 102 Tagen diagnostiziert worden war und die noch kein L-Dopa erhielten.
Der MDS-UPDRS-Score („Unified Parkinson’s Disease Rating Scale“ modifiziert von der „Movement Disorder Society“) lag zu Beginn bei knapp 34 von maximal 260 Punkten, wobei eine höhere Punktzahl eine Verschlechterung der körperlichen Funktionen anzeigt.
Die Studienteilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip 36 Wochen lang einer oralen Behandlung mit Deferipron in einer Dosis von 2 mal täglich 15 mg/kg Körpergewicht oder Placebo zugeteilt. Der primäre Endpunkt war die Entwicklung des MDS-UPDRS-Score. In einer Untergruppe der Teilnehmer wurde mittels Magnetresonanztomografie die Eisenkonzentration im Gehirn bestimmt. Hier kam es zu dem erhofften Rückgang der Eisenlast in den Basalganglien, zu denen auch die Substantia nigra gehört.
Ein günstiger Einfluss auf die Symptome der Patienten war jedoch auch nach 36 Wochen nicht erkennbar. Im Gegenteil: Schon bei der ersten Untersuchung nach 12 Wochen fiel auf, dass in der Deferiprongruppe mehr Patienten die Therapie abbrachen und den Beginn einer L-Dopa-Behandlung wünschten. Nach 36 Wochen waren es 22,0 % der Patienten gegenüber 2,7 % in der Placebogruppe.
Auch der mittlere MDS-UPDRS-Gesamtscore verschlechterte sich in der Deferiprongruppe um 15,6 Punkte gegenüber 6,3 Punkten in der Placebo-Gruppe. Der Unterschied von 9,3 Punkten war nach den Berechnungen von David Devos von der Universität Lille und Mitarbeitern mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 6,3 bis 12,2 Punkten signifikant.
Hinzu kommt, dass eine Behandlung mit Deferipron nicht ohne Risiken ist (weshalb das Mittel auch in der Behandlung der Thalassämie, der in Deutschland einzigen zugelassenen Indikation, ein Reservemittel ist). Bei 2 Patienten kam es zu einer Agranulozytose und bei 3 Patienten zu einer Neutropenie.
Der Grund für den ungünstigen Ausgang der Studie könnte in der Funktion des Eisens als Cofaktor für die Tyrosinhydroxylase sein, einem zentralen Enzym bei der Synthese von Dopamin. Deferipron könnte hier zu einem Mangel geführt haben, der die Symptome des Morbus Parkinson verstärkt hat, vermutet der Editorialist Douglas Galasko von der Universität von Kalifornien in San Diego.
Ein indirekter Hinweis hierfür ist der Anstieg von Prolaktin. Die Freisetzung des Hormons aus dem Hypophysenvorderlappen wird normalerweise durch Dopamin gehemmt. Bei einem Mangel an Dopamin steigen deshalb die Prolaktinwerte.
Dies macht es aus Sicht von Galasko unwahrscheinlich, dass die Behandlung mit Deferipron das Fortschreiten der degenerativen Hirnveränderungen beschleunigt hat. Nach dem Absetzen von Deferipron sollte es nach dieser Theorie zu einer leichten Erholung kommen. Langfristig wird die Erkrankung in beiden Gruppen gleich schnell voranschreiten. Ein Medikament, das den Verlauf eines Morbus Parkinson günstig beeinflussen kann, gibt es nach Einschätzung von Galasko und den meisten anderen Experten nicht. © rme/aerzteblatt.de
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