Medizin
AML: Allogene Stammzelltransplantation auch bei Älteren der normalen Konsolidierung überlegen
Mittwoch, 14. Dezember 2022
New Orleans – Ältere Patientinnen und Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) haben nach wie vor eine schlechte Prognose. Ob sie von einer allogenen Stammzelltransplantation, die bei Jüngeren mittlerweile ein Standard ist, profitieren würden, kann man vermuten, aber mangels randomisierter Studien ist diese Frage bislang nicht abschließend geklärt.
Bei der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) in New Orleans wurde nun erstmals eine multizentrische, europäische und randomisierte Studie zu diesem Thema vorgestellt (Abstract 877).
Die AML hat vor allem bei älteren Patienten, wo sie am häufigsten auftritt, eine schlechte Prognose: Weil man hier meist nicht so aggressiv behandeln kann, erzielt man weniger häufig komplette Remissionen und muss eher mit Rezidiven rechnen. Beides reduziert die langfristigen Überlebensraten auf 20 % oder weniger.
Die allogene Stammzelltransplantation, bei der der immunologische Angriff auf die Leukämiezellen mit der zytostatischen Wirksamkeit der mehr oder weniger intensiven Konditionierungsbehandlung kombiniert wird, ist die Therapiemodalität mit dem stärksten anti-leukämischen Effekt.
In retrospektiven Analysen erschien sie anderen Therapieoptionen überlegen, aber es gab bislang kaum randomisierte Studien zu dieser Thematik. Deshalb wurden auf europäischer Ebene nun erstmals Patienten mit neu diagnostizierter AML im Alter zwischen 60 und 75 Jahren in eine solche Phase-3-Studie eingeschlossen, die Dietger Niederwieser, ehemaliger Direktor der Klinik für Onkologie und Hämatologie am Universitätsklinikum Leipzig, beim ASH-Kongress vorstellte.
Die Patienten erhielten eine Induktionstherapie, und für die 245, die damit eine erste Komplettremission erzielten, wurde mit der Suche nach einem Stammzellspender begonnen. 66 von ihnen schieden aus, weil sie während des folgenden Konsolidierungszyklus ein Rezidiv erlitten, Morbiditäten entwickelten oder ihre Zustimmung zur Transplantation zurückzogen.
Von den verbleibenden 179 Patienten fand sich für drei Viertel ein HLA-identischer Spender, und 125 konnten schließlich im Verhältnis 2:1 randomisiert werden, die Transplantation oder eine konventionelle Konsolidierung zu erhalten.
Die Konditionierung im experimentellen Arm erfolgte mit Fludarabin und einer niedrig-dosierten Ganzkörperbestrahlung (2 Gy) sowie einer anschließenden Immunsuppression mit Ciclosporin und Mycofenolat Mofetil. Die klassischen Konsolidierungstherapien im Kontrollarm konnte nach den in den einzelnen Zentren gebräuchlichen Protokollen durchgeführt werden.
Primärer Endpunkt war das leukämiefreie Überleben, als sekundäre Endpunkte wurden das kumulative Rezidivrisiko, die therapiebedingte Mortalität, das Gesamtüberleben und Komplikationen einschließlich einer Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) definiert.
Bei der geplanten Interimsanalyse der ersten 78 Patienten zeigte sich, dass das leukämiefreie Überleben unerwartet niedrig und die statistischen Annahmen demzufolge unzureichend waren. Die ursprünglich geplante Anzahl von 231 Patienten wurde daraufhin auf 150 reduziert.
Die im Protokoll empfohlenen Zeitintervalle zwischen Randomisierung und Stammzelltransplantation (4 Wochen) bzw. konventioneller Konditionierung (2 Wochen) konnten nur bei 40 % beziehungsweise 48 % der Patienten eingehalten werden. Jeder 5. beziehungsweise jeder 6. der Patienten konnte die geplante Behandlung gar nicht bekommen, vornehmlich aufgrund von Rezidiven, Morbidität oder Rücknahme der Zustimmung.
Beim primären Endpunkt war die Transplantationsstrategie überlegen mit einer leukämiefreien Überlebensrate nach 62 Monaten von 28,8 % gegenüber nur 8,9 % im Konsolidierungsarm. Die Differenz von im Median 8,9 Monaten war statistisch signifikant (p = 0,02), auch in einer multivariaten Analyse nach Kontrolle für den Spendertyp und das zytogenetische Risiko (p = 0,01).
Auch bei den Rezidivraten nach 5 Jahren war die Transplantation mit 37,8 % versus 91,1 % deutlich überlegen (Hazard Ratio 3,1; p < 0,0001), allerdings war die therapiebedingte Mortalität nach 2 Jahren mit 26,8 % nicht vernachlässigbar, wohingegen im Konsolidierungsarm niemand an den Folgen der Behandlung verstorben war.
Todesursachen waren vor allem Infektionen (39,4 %) und GvHD (21,5 %). Insgesamt zeigten 12,1 % der transplantierten Patienten eine akute GvHD von Grad 3 oder 4 und 37,9 % eine ausgedehnte chronische Reaktion.
Aufgrund der therapiebedingten Mortalität verliefen die Überlebenskurven zunächst zuungunsten des Transplantationsarms, aber nach etwa 18 Monaten überschnitten sie sich, sodass nach 5 Jahren mit einer Überlebensrate von 31,3 % gegenüber 27,1 % ein numerischer Vorteil für die Transplantation zu verzeichnen war – und das, obwohl zwei Drittel der rezidivierten Patienten im Konsolidierungsarm in der Zweitlinie ebenfalls eine Stammzelltransplantation erhalten hatten.
Die Ergebnisse zeigen, so Niederwieser, dass die Stammzelltransplantation beim über 60-Jährigen der konventionellen Konditionierung überlegen ist, was das leukämiefreie Überleben nach 5 Jahren betrifft. Die Kontrolle des Rezidivrisikos scheint in diesem Zeitrahmen also die mit der Transplantation assoziierte Mortalität mehr als zu kompensieren. © jfg/aerzteblatt.de
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